Die neueste Insa-Umfrage bestätigt einen Trend, der in den letzten Monaten zu verfolgen war und sich verstetigt. Die AfD liegt vor der CDU und kommt auf Sichtweite an die Union heran. Würde am Sonntag gewählt, kämen die Unionsparteien auf einen Wert von 26 Prozent der Stimmen, die AFD auf 22 Prozent, 2 Prozentpunkte mehr als in der Vorwoche und doppelt so viel wie vor einem Jahr. Bei SPD, Grüne, FDP und Linke gibt es keine Veränderung, sie stagnieren bei 18 Prozent, 14 Prozent, 7 Prozent und 5 Prozent.
Doch die Bastion der SPD ist wacklig, denn sie ist zu einer woken Partei geworden, wie die Affäre Pantisano in Berlin zeigt, zu einer Partei, die ihre sozialpolitische Kompetenz im gleichen Maße verloren, wie sie identitätspolitische Weihen angenommen hat. Die rot-grüne Landesregierung hat einen Hilferuf an die rot-grün-gelbe Regierung nach Berlin gesandt, um die Deindustrialisierung Niedersachsen mit enormen Steuermitteln aus dem Bundeshaushalt abzuwenden. Doch mit diesem verzweifelten Voodoo verbrennt man nur Steuergelder, in der Hoffnung, Zeit zu gewinnen, wo man realiter doch nur Zeit verplempert.
Aufgrund der Realitätsverweigerung stehen die Parteien – mit Ausnahme der AfD – und viele Medien hilflos vor der Entwicklung, flüchten in Propaganda, bemühen verzweifelt Klischees und zeigen sich doch nur als Gefangene ihrer Vorurteile. Selten lief politische Kommunikation so im Leerlauf, selten wurden tausendmal gehörte Textbausteine und Phrasen bemüht, dass selbst Texte von ChatGPT überraschender und farbiger wirkten. Grau ist den Funktionären der Parteien die Wirklichkeit, grau ist ihre Sprache.
Die unlösbare Situation besteht darin, dass die Regierung Probleme produziert, die sie dadurch zu beheben gedenkt, dass sie noch größere Probleme erzeugt. Folgeabschätzung ist für sie ein Fremdwort, ihr Motto lautet hingegen: Ich will es, also macht es. Man nennt es Voluntarismus, die Wirklichkeit ist nichts, der Wille ist alles. Der Voluntarismus ist die deutsche Krankheit schlechthin. Der absolut gesetzte Wille ist die Leiter, die in die Höhen der Träume führt.
Die Ratlosigkeit der Parteien, die sich in den üblichen Mustern des Orwellschen Politsprechs, den Verdrehungen, im Bemühen von Verschwörungstheorien breitmacht, die Geschwindigkeit, in der man Zuflucht zu kommunistischen Regelungen von der Antidiskriminierungsdiskriminierung bis hin zur Etablierung von Räten, um peu à peu von einer parlamentarischen Republik in eine Rätediktatur überzugehen, zeigt nur, dass die Eliten nicht aus ihrer Blase mehr herausfinden, sie mit ihrem Latein zwar nicht weiterkommen, nicht mehr so weiterregieren können, es aber wollen, die Regierten aber immer weniger mit dieser Regierung leben können.
Die einen wollen nicht anders, weil sie nichts anderes wissen und kennen, die anderen können so nicht länger – das ist der große deutsche Widerspruch, der politisch und demokratisch gelöst werden muss. Nichts anderes sagen die Zahlen aus. Niemand sollte aus Gründen einer vermeintlich guten Sache der Verführung nachgeben, den Widerspruch auf einem anderen als einen demokratischen und politischen Weg lösen zu wollen.