Die Forderung von Bundesfamilienministerin Lisa Paus, dass Abtreibungen zur Ausbildung von Ärzten gehören sollten, hat heftigen Protest vonseiten deutscher Lebensschutzverbände erregt. Die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Susanne Wenzel, sagte, die Forderung konterkariere das ärztliche Selbstverständnis und sei ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Gewissens- und Religionsfreiheit sowie der Berufsfreiheit.
„In der Regel ergreifen junge Menschen den Arztberuf, um Menschenleben zu heilen und zu retten, nicht um Techniken zur Tötung eines Menschen zu erlernen. Eine Abtreibung aber ist keine Heilbehandlung, sondern die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen“, erklärte Wenzel. „Ein derartiger Vorgang darf unter gar keinen Umständen als Teil der normalen ärztlichen Tätigkeit vermittelt werden.“
Paus täte gut daran, sich an die Vorgaben des Schwangerenkonfliktgesetzes zu halten und sich dafür einzusetzen, dass die Hilfen für Schwangere und Mütter besser bekannt gemacht würden. Zudem sei nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz niemand zu einer Mitwirkung an einer Schwangerschaft verpflichtet.
„Es ist auch Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen möglichst erst gar nicht in die Not kommen, sich mit einer Abtreibung auseinandersetzen zu müssen, soweit diese Notlage vor allem durch wirtschaftlich-finanzielle Gesichtspunkte bestimmt wird. Auch vor dem Hintergrund der sich entwickelnden wirtschaftlichen Lage ist dies nicht nur wünschenswert, sondern sogar geboten.“
Wenzel: Es geht mehr um Ideologie als um den Menschen
Die Ampel zeige sich in dieser Situation „einfallslos“ und sehe den möglichst ungehinderten Zugang zur Abtreibung als einzige Lösung in dieser Notlage. „Es ist ein fatales Signal, dass dies ausgerechnet durch die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend transportiert wird. Und es zeigt: Es geht mehr um Ideologie als um den Menschen“, so Wenzel. „Jeder weiteren Bagatellisierung der Abtreibung als medizinische ‚Grundversorgung‘ ist eine klare Absage zu erteilen.“
Kaminski: Doppelt so viele Abtreibungseinrichtungen wie Geburtshilfen in Deutschland
Cornelia Kaminski, Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), bezeichnete den Vorstoß der Familienministerin als „absurd“. Er ließe sich nur umsetzen, wenn für alle Medizinstudenten die Gewissens- und Religionsfreiheit nicht mehr gelten würde. „Wenn das Grundrecht auf Leben einem Teil der Bevölkerung aberkannt wird, büßen andere Menschen ebenfalls ihre Grundrechte ein.“
Auf dem Rücken der Bevölkerung werde Ideologie betrieben, die nichts mehr mit Familienpolitik zu tun habe. „Tatsache ist: In Deutschland gibt es noch knapp 650 Geburtshilfen, in denen jedes Jahr ca. 750.000 Kinder geboren werden. Es gibt jedoch fast doppelt so viele Abtreibungseinrichtungen, in denen jedes Jahr ca. 100.000 Abtreibungen durchgeführt werden. Wo besteht also wirklich ein Mangel?“
Familienministerin Paus: Abtreibungen kein Fall für das Strafgesetzbuch
Wer sich für Frauengesundheit stark machen wollte, müsste daher die Geburtenhilfe stärken. „Wer dagegen meint, alle Medizinstudenten zur Erlernung einer Tötungshandlung zu verpflichten, verschärft den ohnehin eklatanten Ärztemangel in Deutschland.“
Nach der Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibung hatte Paus im Berliner Tagesspiegel gefordert, man dürfe „da nicht stehen bleiben“. „Die verschiedenen medizinischen Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen sollten zum Beispiel für Ärztinnen und Ärzte zur Ausbildung gehören“, sagte Paus und betonte, sich mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach über das Thema auszutauschen. Sie finde zudem, dass Abtreibungen nicht ins Strafgesetzbuch gehörten.
EU-Parlament: Recht auf Abtreibung in der Charta der Grundrechte
Zugleich hat das EU-Parlament einen Entschließungsantrag angenommen, der vorschlägt, „ein Recht auf Abtreibung in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufzunehmen“. Der Textvorschlag für Artikel 7a der Charta soll folgenden Wortlaut haben: „Jeder hat das Recht auf sichere und legale Abtreibung.“
Von den 517 Abgeordneten des EU-Parlaments stimmten 324 Abgeordnete für den Antrag. Sie forderten die EU-Kommission zudem dazu auf, Abtreibungsorganisationen stärker zu unterstützen. Die ansteigenden finanziellen Mittel für Lebensschutzorganisationen nahm man dagegen „besorgt“ zur Kenntnis.
Die EU-Mitgliedsstaaten seien aufgefordert, „Abtreibungen rechtlich anzuerkennen und die Achtung des Rechts auf sichere und legale Abtreibung sowie anderer Bereiche der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte zu verteidigen“. Die solle auf EU-Ebene eine zentrale Priorität werden und letztlich als Recht in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aufgenommen werden.