Tichys Einblick
Tumultartige Szenen

“Absolut unverhältnismäßig”: Berliner Polizei räumt Demo gegen Infektionsschutzgesetz

Die Berliner Polizei hat eine Versammlung vor dem Brandenburger Tor aufgelöst. Im nahegelegenen Tiergarten kam es zu Zusammenstößen. Manche Polizisten agierten “absolut unverhältnismäßig”, sagt ein Teilnehmer.

IMAGO / xcitepress

Während ein leitender Polizist aus Stuttgart vor wenigen Tagen erklärte, es sei falsch, eine weitgehend friedliche Demo zu räumen, tut nun die Berliner Polizei genau das. Am Mittag habe die Polizei die Versammlung auf der Straße des 17. Juni aufgelöst, sagte eine Sprecherin zu TE. In der Spitze hätten dort über 8.000 Menschen gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes demonstriert, die der Bundestag am Mittwoch beschloss.

“Die Proteste verliefen bis zum frühen Nachmittag weitestgehend friedlich, aber die Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflagen, Maske zu tragen und die Abstände zu beachten”, begründete die Frau die Räumung. Dabei habe die Polizei mehrfach die Teilnehmer aufgefordert, sich an die Regeln zu halten. Man habe die Versammlungsfläche auch bis zur Siegessäule erweitert, damit die Teilnehmer leichter die Regeln befolgen könnten, erklärte die Sprecherin weiter. Vereinzelt sei es zu tätlichen Angriffen und Widerstand gegen Polizeibeamte sowie Flaschenwürfen gekommen.

Weil die Polizei die Straße des 17. Juni räumte, verschob sich die Menschenmasse teilweise in den Tiergarten. Dort kam es laut diversen Videoaufnahmen zu tumultartigen Szenen. Die Polizei meldete auf Twitter tätliche Angriffe auf Polizisten und „Gefangenenbefreiungen“ nach Personenkontrollen. Sieben Personen seien festgenommen worden.

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Maßnahmen-Kritiker verurteilten das Vorgehen der Polizei. Etwa sagte David Claudio Siber, Mitglied des Bundesvorstands der Partei “Die Basis”, gegenüber TE, die Polizei habe bereits nach einer halben Stunde die Versammlung vor dem Brandenburger Tor aufgelöst. Der gewährte Platz habe nicht ausgereicht, um die Abstände einzuhalten, da die Straße durch Absperrungen geteilt gewesen sei. Anschließend sei das Gros der Teilnehmer in den Tiergarten ausgewichen, wo es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen sei.

Manche der Polizisten hätten sich im Tiergarten “absolut unverhältnismäßig” verhalten. Etwa habe er beobachtet, wie eine Frau, die alleine und friedlich dagestanden sei, von einem Polizisten von hinten niedergeworfen und in den Schwitzkasten genommen worden sei. Mehrere Beamte seien hinzugeeilt und hätten die Frau geschlagen. “Es wurde auch auf am Boden liegende Demonstranten eingetreten. Hier ist die Verhältnismäßigkeit absolut überschritten”, sagte Siber.

Erst am vergangenen Donnerstag hatte der Leiter der Stuttgarter Schutzpolizei erklärt, er stehe als Einsatzleiter nicht zur Verfügung, um weitestgehend friedliche Versammlungen mit Gewalt zu räumen. Zudem erhöhe hartes Durchgreifen das Infektionsrisiko, sagte Carsten Höfler (TE berichtete). Angesprochen auf die Aussage des Stuttgarter Kollegen, sagte die Sprecherin der Berliner Polizei, die Einsatztaktik sei von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Berlin verfolge man bereits seit Längerem den Ansatz, bei Verstößen gegen Infektionsschutzauflagen Versammlungen aufzulösen.

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