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Berlins FDP verliert prominentestes Mitglied

Abgeordneter Marcel Luthe tritt aus: „keine liberale Partei mehr“

Mit dem Unternehmer Marcel Luthe verliert die ohnehin schwache Berliner FDP ihr bekanntestes Gesicht. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 holte er das höchste Erststimmenergebnis für die Freidemokraten.

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Der Berliner Freidemokrat Marcel Luthe, Mitglied des Abgeordnetenhauses, hat heute seinen Austritt aus der FDP nach mehr als 20 Jahren Mitgliedschaft bekanntgegeben. Die Partei, so Luthe, sei nicht mehr liberal.

„Mir ist dieser Schritt sehr schwer gefallen“, schrieb Luthe am Samstagvormittag an die Landespartei, „aber als Liberaler sehe ich in einer Partei, die sich zunehmend als zu verkaufende Marke und nicht als Wertegemeinschaft sieht, keine politische Heimat mehr.“ Als er eingetreten sei, habe die FDP kein „Leitbild“ gehabt, „wir hatten Grundsätze, konkret die ‚Wiesbadener Grundsätze’. Nun hat diese Partei – wie ein Zahnpastahersteller – ein ‚Leitbild’.“

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Mit dem Unternehmer Marcel Luthe verliert die ohnehin schwache Berliner FDP ihr bekanntestes Gesicht. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 holte er das höchste Erststimmenergebnis für die Freidemokraten. Er setzte auch im Alleingang die Volksabstimmung über den Erhalt des Flughafens Tegel durch – der von einer Mehrheit der Berliner angenommen wurde. Der rot-rot-grüne Senat ignorierte die Entscheidung, politisch war sie jedoch ein bemerkenswerter Erfolg. Seine Bekanntheit verdankt Luthe auch dem Umstand, dass er im Abgeordnetenhaus mit Abstand die meisten kleinen Anfragen stellt – mehr als 2000 in der aktuellen Wahlperiode.

Unter anderem klärte er die Verstrickungen eines mit staatlichen Geldern finanzierten Vereins in Kreuzberg-Friedrichshain auf, der die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ beherbergt, und in dessen Vorstand ein ehemaliger Major der Staatssicherheit die Fäden zog.

Vorbei
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Sein Aufklärungswille kam allerdings auch in den eigenen Reihen nicht gut an. Als Luthe, Kassenprüfer seiner Fraktion, auf die fragwürdige Verwendung von Fraktionsgeldern hinwies, schloss die restliche Fraktion ihn aus – ohne den Schritt öffentlich zu begründen. Eine entsprechende Gesprächsbitte von TE wurde von der Fraktionsführung abgelehnt. Seitdem setzt Luthe seine Arbeit als fraktionsloser Abgeordneter fort.

Mehrfach stellte er in Anfragen und einer Verfassungsklage die Sinnhaftigkeit der Berliner Corona-Bekämpfungsmaßnahmen in Frage. Er kritisierte sie als widersprüchlich, bürgerfern und schädlich für Klein- und Mittelständler. Gerade in Corona-Zeiten, so der Politiker in seinem Austrittsschreiben, müssten Liberale die Selbstbestimmung der Bürger „mit aller Kraft verteidigen“.

Luthe will sich auch künftig politisch engagieren. Er bleibe „weiterhin Liberaler aus Leidenschaft und auch freier Demokrat. Nur eben mit kleinem ‚F’.“

Ein neues Abgeordnetenhaus wählen die Berliner 2021 – zeitgleich mit dem Bundestag. Derzeit steht die FDP in Berlin bei etwa fünf Prozent.

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