Tichys Einblick
50 Jahre Mondlandung (3)

Start der größten Rakete der Welt

»Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer für die Menschheit!« Unvergessen diese Worte von Neil Armstrong, dem ersten Menschen, der den staubigen Boden des Mondes betrat. Am 21. Juli 1969 um genau 3.56 Uhr (MEZ) war das, also vor genau 50 Jahren. In einer mehrteiligen Serie berichten wir über das Jahrhundertereignis. Heute Teil 3: Die größte Rakete der Welt startet.

Am 16. Juli 1969 ist alles für die wohl spektakulärste technische Mission der Menschheitsgeschichte startbereit. Die Bilder von Wernher von Brauns angespanntem Gesichtsausdruck zu jenem Zeitpunkt zeigen, dass es hier um mehr geht als bloß um einen technischen Vorsprung. Die Weltöffentlichkeit blickt auf diesen Start. Sie will wissen, wie es um Kennedys Versprechen steht. Mehr als 2.000 Journalisten und Zuschauer aus allen Ländern der Erde sind extra für dieses Ereignis angereist.

50 Jahre Mondfahrt
„Der Adler ist gelandet“
Ein normaler Mensch würde wohl kaum in ein Raumschiff vom damaligen Typ »Apollo« klettern. Der Ausdruck »Schiff« ist gewaltig übertrieben, suggeriert Platz, wo beängstigende Enge herrscht. 11 Meter hoch, knapp vier Meter im Durchmesser, mit 30 Tonnen so schwer wie ein mittlerer Lastwagen und vollgestopft mit Technik – drei Astronauten müssen sich im Innern in ihre speziell angefertigten Liegesitze zwängen. Jeweils einer von ihnen kann später im Flug aufstehen. Unter ihnen die Weltraumrakete »Saturn«: Ein gewaltiges Geschoss, 110 Meter hoch, vor dem Start vollgepumpt mit Sauerstoff und Wasserstoff, beides extrem explosive Gase, wenn sie aufeinandertreffen. Zusätzlich in weiteren Tanks ein kerosinartiger Treibstoff, der in der ersten Stufe mit Sauerstoff verbrannt wurde.

Schubkraft ist das Einzige, das zählt. Schub und noch mehr Schub. Energie ist alles. Die Treibstoffe müssen so viel Kraft liefern, dass sie das Gewicht von etwa 30 schweren Lokomotiven so beschleunigen, dass sich das Geschoss von der Erde entfernen und nicht mehr von der Erdanziehungskraft angezogen werden kann. Das Prinzip ist einfach, die Ursprünge hat ein Herr Isaac Newton bereits 1687 entwickelt, es kostet nur eine Menge Geld.

Wernher von Braun und seine Ingenieure setzten auf die brisante Treibstoffmischung, die den stärksten Schub im Verhältnis zum Volumen versprach. Sie mussten das Kunststück vollbringen, den Energiegehalt einer kleinen Atombombe kontrolliert für den Auf-stieg einer Rakete zu nutzen.
Wer nachrechnen will, was von Braun und seine Kollegen vorgerechnet haben, findet neben den NASA-Seiten natürlich die besten Informationen auf den Seiten und in den Büchern des Chemikers und Raumfahrtexperten Bernd Leitenberger.

Auch heute noch darf niemand behaupten, dass Raumfahrt trivial ist. Es tauchen die merkwürdigsten Phänomene auf – und enden leider nicht selten in Feuerbällen. So im April dieses Jahres, als das Dragon-Raumschiff bei einem Test der neuen Triebwerke explodierte. Elon Musk will bekanntlich die Raumfahrt kommerzialisieren und lässt hierzu ein neues Raumschiff entwickeln. Das überraschende Ergebnis der Untersuchungskommission der Space X ergab gerade, dass ein Rückschlagventil im Treibstoffsystem in Brand geriet. Das Verblüffende: Das Ventil war aus Titan, das als unproblematisch galt. 1963 bereits ergaben Untersuchungen des Batelle-Institutes, dass Titan in Verbindung mit Treibstoffen keine Gefahr darstelle. Erst dadurch, dass die Falcon X-Ingenieure bei hohem Druck arbeiten, keimte diese Gefahr auf. Ein Effekt, der eigentlich bekannt und gefürchtet ist. Ventile sind die großen Herausforderungen bei diesen Systemen.

Jedenfalls haben von Braun und seine Mannschaft ganze Arbeit geleistet. Die Konstruktionen und ihre Auslegungen hielten sie im sehr konservativen, also eher sicheren Bereich – sehr zum Missfallen der amerikanischen Verantwortlichen übrigens, die wollten schnellere Ergebnisse sehen.

50 Jahre Mondlandung
Der Sputnik Schock – Piepstöne aus dem All
Um 9:32 Uhr erhebt sich schließlich die Saturn-Rakete. Die fünf Triebwerke der ersten Stufe entwickeln eine ungeheure Schubkraft von unvorstellbaren 7,7 Millionen Pfund. In zweieinhalb Minuten jagt die erste Stufe 2000 Tonnen Treibstoff durch ihre Düsen, das sind in einer Sekunde rund 13 Tonnen – so viel, wie ein mittlerer Lastwagen wiegt. Bei dieser gigantischen Verbrennung dehnen sich die Gase extrem aus, werden durch eine Düse gezwängt und erzeugen dabei einen solch gigantischen Rückstoß, der in der Lage ist, die Saturn 5 in den Himmel zu hieven. Das ist so ähnlich wie beim Gartenschlauch, der sich hin und her bewegt, wenn Wasser herausschiesst. Nun gut, ein wenig unterscheiden sich die Größenordnungen.

Allein die Treibstoffpumpen der Saturn 5 müssen in jeder Sekunde ein paar Tausend Tonnen Treibstoffe unter hohem Druck in die Brennkammer pressen. Da hats der Gartenschlauch einfacher.

All das dient nur dazu, Treibstoffe so schnell wie möglich in ein paar Minuten unter ohrenbetäubendem Lärm zu verbrennen und genügend Schub zu erzeugen, um fast 3000 Tonnen Stahl, Aluminium und Kunststoff senkrecht in den Himmel zu schießen. Davon war fast alles Treibstoff. Die Nutzlast betrug nur etwa 130 Tonnen.

Danach zündet die zweite Stufe. Die Zündung im Flug – eine heikle Angelegenheit, die russischen Raketentechnikern damals nicht gelang. Sie hatten das Pech, dass sie zu Showsiegen angetrieben wurden. Die Ingenieure konnten unter ihrem Chef Sergej Koroljow nur selten eine technische Entwicklung konsequent testen und weiterführen. Die politische Spitze im Kreml wollte »Siege des Sozialismus« sehen, und die vertragen sich meist nicht mit den Regeln von Wissenschaft und Technik.

Wer je den Start einer Saturn 5 Rakete aus der Ferne verfolgen konnte, vergisst den Höllenlärm nicht – sie soll das am weitesten vernehmbare, vom Menschen erzeugte Geräusch verursachen. Noch 18 Kilometer von der Startrampe entfernt in Titusville, zerbrachen noch Fensterscheiben.

Die drei Astronauten Neil Armstrong, Edwin „Buzz“ Aldrin und Michael Collins fliegen in einer »Blechdose« aus hauchdünnem Aluminium, hoffen, dass die vielen Schweißnähte halten und keine noch so winzigen Fehler verborgen sind. Dahinter lauert der Tod: keine Luft zum Atmen und gefährliche Strahlung. Temperaturen von Minus 270 Grad Celsius würde kein Mensch überleben. Ein winzig kleines Stückchen Staub von irgendwoher aus dem Weltraum hat soviel Energie, dass es mühelos das dünne Aluminiumblech durchbohren kann – mit fürchterlichen Folgen.

Die ersten Astronauten sind erfahrene Militärpiloten. Sie müssen zudem einen Universitätsabschluss als Ingenieur oder Physiker vorweisen. In gnadenlosen Auswahl- und Testverfahren werden sie auf ihre körperliche Tüchtigkeit geprüft. Sie müssen auch mental besonders robust sein. Nicht zu groß und nicht zu schwer sein durften sie sein, denn jedes Kilogramm Gewicht auf dem Flug zum Mond war kostbar.

50 Jahre Mondlandung (2)
Die damals neue Marschrichtung in Amerika
Ungefähr eine Woche lebten die Astronauten in der Apollo-Kapsel, die nur so klein ist wie ein mittleres Auto. Später, auf den letzten drei Reisen zum Mond brachten die Astronauten sogar ein kleines Auto für den Mond mit. Es war ein elektrisch betriebenes Fahrzeug mit speziellen großen Rädern, mit denen die Astronauten gut über den steinigen und staubigen Mondboden fuhren konnten. Damit sollten die Astronauten während ihres Aufenthaltes auf dem Mond einen größeren Bereich erkunden können. Das Gefährt konnte eng zusammengefaltet werden, damit es in die Mondlandefähre passte.

Heute stehen die drei Autos noch auf dem Mond. Bei dem letzten Flug zum Erdtrabanten nahm die Kamera des Vehikels sogar den Rückstart der Mondlandefähre auf. Die Kamera wurde dabei von einem NASA-Ingenieur von der Erde aus ferngesteuert, unter Berücksichtigung der zeitlichen Verzögerung der Funksignale aufgrund der langen Distanz.

Die Astronauten nutzten für ihre gefährliche Reise eine Technik, die heute lächerlich anmutet: Die wenigen Computer arbeiteten ihre Programme noch mit Lochstreifen ab, Festplatten waren noch nicht weit entwickelt. Sie funkten mit Geräten, die Verstärkerröhren antrieben. Und die Astronauten standen während ihrer Mission mehr als einmal vor einer Katastrophe. Astronauten mussten wie Roboter funktionieren: kühl und rational auch in den kritischsten Lebenslagen. Selbst bei Apollo 13, jenem Raumschiff, das nur mit äußerster Not zurück auf der Erde zurückkehrte. Die zentrale Sauerstoffversorgung war ausgefallen, woraufhin die Energieversorgung versagte. Dennoch schafften es die Astronauten in der Landefähre wieder heim auf die Erde. So leicht und dünn, aber dennoch robust war die Technik konstruiert. Übrigens auch auf russischer Seite bei der ehemaligen Raumstation MIR. Auf der hat es immer mal wieder gebrannt, die Kosmonauten löschten – und flogen weiter.

Lesen Sie morgen: Die Landung auf dem Mond.

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