Derzeit mühen sich viele zu betonen, welch ein Erfolg das „Deutschlandticket“ ist: Im ersten Halbjahr ist das Fahrgastaufkommen um zehn Prozent gestiegen, meldet das Statistische Bundesamt und folgert daraus: Das 49-Euro-Ticket habe zu diesem Anstieg beigetragen. Die meisten Medien übernehmen diese Sprachregelung. Tusch. Die Verkehrswende ist geglückt. Fanfare. Eine Pressemitteilung und viele, viele Medienberichte lang ist die grüne Welt in Ordnung.
Doch eigentlich nur eine halbe Pressemitteilung lang. Denn am Ende steht der entscheidende Satz: „Trotz des Anstiegs der Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr 2023 waren im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen allerdings noch immer 13 Prozent weniger Fahrgäste unterwegs als vor der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2019.“ Die Pandemiepolitik hat den Menschen ihr soziales Leben genommen – nur allmählich holen sie sich es zurück. Deswegen steigen die Fahrgastzahlen wieder und eben nicht wegen des Deutschlandtickets. Immer noch ist mehr als jeder zehnte Fahrgast nach der Pandemiepolitik nicht in die Busse und Bahnen zurückgekehrt.
Doch so sehr sich viele bemühen, das Deutschlandticket als Erfolg aussehen zu lassen. In der kommenden Woche fällt eine Entscheidung. Beide Optionen, die zur Wahl stehen, sind aus Sicht der Fans des Tickets wenig attraktiv. Entweder muss die Monatskarte deutlich teurer als 49 Euro werden – oder sie stirbt ganz. Denn es bewahrheitet sich das, was die Kritiker von Anfang an gesagt haben. 49 Euro genügen nicht, um die Kosten des öffentlichen Verkehrs zu finanzieren.
Es mehren sich Meldungen von Verkehrsbetrieben, die vor der Pleite stehen. Etwa in Dresden, wo laut Sächsischer Zeitung seit dem 49-Euro-Ticket Millionen fehlen. Die Verteilung des eingenommenen Geldes klappt nicht. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat zwar mit der Einführung die „Ticket-Revolution“ verkündet – doch die zuständige Verwaltung ist genauso sehr bräsig und wenig funktional wie vor der Revolution.
Der Dachverband der Verkehrsbetriebe, der VDV, mahnt eine Entscheidung noch im September an: „Wir brauchen eigentlich bis zum 1. Oktober eine klare Zusage von Bund und Ländern, wie die gesamten Kosten der Branche im Zuge des Deutschland-Tickets auch im kommenden Jahr finanziert werden sollen“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Die Art, wie die Politik über das Ticket diskutiert, irritiert den Verband. Es werde regelrecht so getan, als ob es unanständig sei, dass für etwas so viel gezahlt werde, wie es kostet.
Einsparungen habe das Ticket noch keine gebracht, kritisiert der VDV. Stattdessen höhere Kosten: für den Vertrieb des 49-Euro-Ticket oder für die Information der Kunden zum Beispiel. Doch selbst, wenn sich Bund und Länder in der kommenden Woche einigen. Dann steht dem System nur so viel Geld bereit, wie es braucht, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Investitionen in mehr Angebot und folglich in mehr Kunden – als vor der Pandemie – sind dann immer noch nicht finanziert. Verkehrswende lässt sich das kaum nennen. Tusch und Fanfare sind nur dann angebracht, wenn Medien bereit sind, die entscheidende Hälfte von Pressemitteilungen wegzulassen.