Nun ist es quasi regierungsamtlich, was sich seit geraumer Zeit angekündigt hat: US-Präsident Trump will einen erheblichen Teil der im Moment 34.500 Mann starken US-Truppen aus Deutschland abziehen. Wir haben hier bei TE darüber berichtet. War bislang vom Abzug von 9.500 GIs die Rede, so sollen es nun 12.000 sein. Die jetzt veröffentlichten Pläne gehen aber nicht nur zahlenmäßig, sondern auch strukturell über das hinaus, was zu erwarten war.
Konkret sehen die Pläne so aus:
- 6.400 US-Soldaten sollen in die USA zurück.
- Das regionale US-Europa-Hauptquartier soll von Stuttgart-Vaihingen nach Mons in Belgien verlegt werden. Von Stuttgart aus waren bis zuletzt die US-Einsätze in ganz Europa und in Afrika koordiniert worden. In Mons soll nun das „US European Command (Eucom)“ mit dem militärischen NATO-Hauptquartier in Europa verbunden werden.
- Für das Afrika-Kommando ist ein Standort in Italien im Gespräch.
- Einige der 12.000 US-Soldaten könnten nach Polen und in die baltischen Staaten verlegt werden. Dafür müssen aber noch Vereinbarungen getroffen werden. Grundsätzlich soll die südöstliche NATO-Flanke in der Nähe des Schwarzen Meeres gestärkt werden.
- Die Einheiten der US-Luftwaffe in Spangdahlem in Rheinland-Pfalz sollen nach Italien verlegt werden, um näher an aktuellen Einsatzgebieten zu sein. Das betrifft insbesondere Kampfflugzeuge des Typs F16. Insgesamt sind in Spangdahlem momentan rund 4.000 US-Soldaten und 800 Zivilbeschäftigte stationiert.
- Die 6.000 Einwohner starke Kleinstadt Vilseck in Bayern ist am meisten betroffen. Dort und im benachbarten Grafenwöhr sind etwa 10.000 GIs stationiert. 5.500 sollen mitsamt rund 9.000 Angehörigen gehen.
Man hätte diese Entwicklung in Berlin kommen sehen können, denn Trump hatte bereits im Herbst 2019 angedeutet, US-Soldaten könnten von Deutschland nach Polen verlegt werden. Damals wie auch heute wirft das Weiße Haus den Deutschen vor, es tue zu wenig für Verteidigung. Tatsächlich erfüllt Deutschland nach wie vor die 2-Prozent-Vereinbarung der NATO nicht. Diese Vereinbarung, die 2002 beim NATO-Gipfel in Prag (der Kanzler hieß Gerhard Schröder) getroffen wurde, besagt, dass jedes NATO-Mitgliedsland 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Verteidigung ausgibt. In Deutschland waren es 1,36 Prozent im Jahr 2019, im Jahr 2020 sollen es 1,58 Prozent sein.
Ob sich die USA mit dem Abzug selbst einen Gefallen tun? Die Motivation von Trump ist klar: Er will gegenüber dem „säumigen“ Deutschland ein Exempel statuieren. Wie befangen er dabei in seinem eigenen Denken ist, zeigt sein Tweet vom Donnerstag, 30. Juli: „Deutschland zahlt Milliarden Dollar pro Jahr an Russland für Energie und wir sollen Deutschland vor Russland schützen. Was soll das? Außerdem verfehlt Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Darum ziehen wir jetzt Truppen aus Deutschland ab.“ Trump vergisst allerdings, dass er mit diesem Truppenabzug ein weiteres Mal mehr oder weniger bewusst den Weltmachtanspruch der USA unterminiert.
Und wie reagiert Berlin?
Abseits der sicherheitsstrategischen Folgen der Pläne hat sich schon mal Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Wort gemeldet. Ihm geht es um die Folgen für die Regionen und Kommunen, die vom Truppenabzug massiv betroffen sind. Er kündigte an: „Wir werden allen betroffenen Standorten helfen. Vor allem die Bundeswehr ist gefragt.“ Was er mit der Bundeswehr meint, hat er nicht gesagt.
Aus der obersten Ebene von Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium hört man nahezu nichts. Verteidigungsministerin Kram-Karrenbauer lässt sich mit folgender Überlegung vernehmen: Sie will mit den betroffenen Bundesländern sprechen …. Wenn das alles ist! Man hofft in Berlin hinter vorgehaltener Hand wohl darauf, dass Trump im November nicht wiedergewählt wird und der neue US-Präsident ab Januar 2021 Joe Biden heißt.
Trump hin oder her: Deutschland ist nun mal sicherheitspolitisch und militärstrategisch dritte Liga. Zur ersten Liga (USA, Großbritannien, China) und zur zweiten Liga (Frankreich und kurz vor dem neuerlichen Aufstieg Russland) wird der Abstand immer größer. Ein Kenner der Materie, Wolfgang Ischinger, langjähriger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, bringt es auf den Punkt: „Nach seiner Auffassung hat die Bundesregierung Mitschuld am geplanten Teilabzug … Es ist ja eigentlich nicht deutscher Stil, Verpflichtungen nicht ernst zu nehmen. Bis zu einem gewissen Grad ist die Große Koalition also selbst schuld und macht sich angreifbar. Helmut Schmidt würde sich im Grabe umdrehen.” Ischinger fügte hinzu: „Deutschland ist der wichtigste europäische Bündnispartner der USA. Wenn das deutsch-amerikanische Verhältnis krankt, leidet die ganze NATO.” Und weiter: „Als nichtnuklearer Staat in einer Welt mit einer wachsenden Zahl an Nuklearstaaten, neuerdings einschließlich Nordkorea, brauchen wir den Schutz durch die NATO und die USA, sonst wären wir ganz leicht erpressbar.” Diplomat, wie er ist, hat Ischinger eine Wahrheit nicht ausgesprochen: Die mitregierende SPD-Führung, allen voran Allzeitfettnapfexpertin Saskia Esken, hat das Desaster mit verursacht. Flotte Sprüche vernahm man aber auch vom CDU-Kandidaten Friedrich Merz: „Die Vereinigten Staaten sind nicht das Inkassobüro der NATO“. So etwas registriert man in Washington durchaus.