Tichys Einblick
Linke Szene

Erster Mai in Berlin: Breiter Antisemitismus, Krawalle und eine schwache Politik

In Berlin gab es die "übliche" linke Erste Mai-Gewalt - doch soviel israelbezogenen Antisemitismus wie noch selten zuvor. Das Demo-Motto "Yallah Klassenkampf" sagt alles. Doch der Berliner Senat hat sich mal wieder verkalkuliert. Oder hat man sich einfach an die Ausschreitungen gewöhnt?

IMAGO / Marius Schwarz

Bis in die späten Abendstunden verlief der erste Mai mit seiner berühmt berüchtigten „Revolutionären 1. Mai-Demo“ in Berlin „weitgehend friedlich“ – so sagte Polizeipräsidentin Babara Slowik noch um etwa 21:30 Uhr. Doch noch während ihrer Pressekonferenz eskalierte die Lage am Oranienplatz, dem Endpunkt der Demo. Extremisten aus dem schwarzen Block warfen Böller, Farbbeutel, Steine und Flaschen auf die Beamten, während sie lauthals die üblichen Parolen wie „Ganz Berlin hasst die Polizei“ skandierten. Die Polizei reagierte mit Pfefferspray und stürmte, umgeben von Pyrotechnik, immer wieder in die völlig unüberschaubare Menge aus „Demonstranten“. Es kam zu Tumulten und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit zahlreichen Festnahmen und Verletzten.

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Doch auch lange bevor es zu den Ausschreitungen kam, konnte von einer „friedlichen“ Demo nicht wirklich die Rede sein – es sei denn, man sieht über die ganzen antisemitischen Transparente und hasserfüllten Parolen hinweg, die die ganze Demo über aus dem Frontblock schallten. Bereits am späten Nachmittag, als sich vor Beginn der „Revolutionären 1.Mai-Demo“ Tausende am Hertzbergplatz in Neukölln versammelten und sich die Demo-Blöcke formierten, prägten Palästina-Flaggen das Bild. Zahlreiche Pro-Palästinensische Gruppen und deren Anhänger waren der Einladung der Migrantifa gefolgt. In vorderster Linie ihres „Internationalistischen“-Blocks stand der Anmelder der „Palästina Spricht“-Demo, bei der vor etwa einer Woche nicht nur aggressiv gegen Juden und den Staat Israel gehetzt wurde, sondern auch Journalisten bedroht und angegriffen wurden.

— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) May 1, 2022

Wenige Meter weiter wehte eine „Samidoun“-Flagge – die, einer BDS-Organisation, die der PFLP nahesteht, welche von Israel als Terrororganisation eingestuft wurde. Und das war bei weitem nicht alles: Es gab Plakate mit der Aufschrift „Intifada until Apartheid fails“, Banner mit „Freiheit für Palästina“ oder auch solche, die die Freilassung von Georges Abdallah forderten – einem PFLP-Mitglied, der als Anführer der „Libanesischen Revolutionären bewaffneten Fraktion“ (FARL) galt und im Jahr 1987 wegen Beihilfe zum Mord an einem israelischen Diplomaten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Demo wurde um kurz nach 18 Uhr schließlich mit lauten „palestina will be free“-Rufen eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt umfasste der Demozug laut Polizei etwa 3.000 Menschen – mit ständigem Zustrom.

Der Zug kam nur wenige Meter weit, bevor er das erste Mal von der Polizei gestoppt wurde. Wohl wegen Fahnen, die PKK-Anführer Abdullah Öcalan zeigten und in Deutschland verboten sind. Die Polizei überprüfte die Fahnen und ließ den Demozug weiter passieren, als sie eingerollt wurden. Dies war eines der wenigen Male, wenn nicht das einzige Mal, das die Polizei wegen Transparenten bzw. Parolen in die Demo eingriff – obwohl Polizeisprecher Thilo Calbitz noch am Hertzbergplatz angekündigt haben soll, dass Staatsschutzbeamte mögliche antisemitische Parolen beobachten und die Polizei einschreiten werde. Die Polizei kündigte vor der Demo außerdem an, auch auf Dolmetscher zurückzugreifen, um arabische Parolen übersetzen zu lassen und zu prüfen, ob sie volksverhetzend sind. Gemerkt hat man davon leider nicht viel, die Teilnehmer des „migrantisch-internationalistischen“-Blocks konnten ungehindert mit „From the river to the sea, palastine will be free“-Parolen durch die Straßen Berlins laufen.

Die Polizei schien über längere Zeit die Taktik der Zurückhaltung anzuwenden – wahrscheinlich um Eskalationen, wie die des letzten Jahres, zu vermeiden, als die Ausschreitungen mit brennenden Barrikaden, Flaschen- und Steinwürfen schon nach wenigen hundert Metern begannen. Kurz nach 19 Uhr, als der Demozug nach Polizeiangaben auf etwa 14.000 Menschen angewachsen war, war es damit vorbei. Nachdem zuvor schon reichlich Pyrotechnik und Bengalos gezündet wurden, soll ein Polizist von einem brennenden Rauchtopf am Kopf getroffen worden sein. Die Polizei griff daraufhin in den schwarzen Block ein, aus dem Bengalos und die ersten Flaschen geworfen wurden. Aus Teilen der Demo setzte es Schläge und Tritte, die Beamten setzten Pfefferspray ein. Nach dieser kurzen „Rangelei“ – wie u. a. Barbara Slowik die Konfrontationen nannte – ging die Demo weiter, die Polizei begleitete den schwarzen Block ab diesem Zeitpunkt seitlich und im Spalier.

Danach gab es immer wieder Bengalos und Feuerwerk, aber keine größeren Konfrontationen, bis der Demozug den Oranienplatz erreichte – der kurze Zeit später in dichten Rauch aus Pfefferspray und Bengalo-Nebel gehüllt wurde. Die Polizei war bei der Eskalation laut einem Morgenpost-Reporter zumindest eine Zeit lang nicht mehr Herr der Lage – bzw. der Menschenmassen aus gewaltbereiten Linksextremisten und schaulustigen betrunkenen Jugendlichen. Trotzdem wurde der Tag erstaunlich positiv geframed – von Mainstream-Medien, aber auch von Politik und Polizei. Eine Polizeisprecherin soll noch am späten Abend bilanziert haben, das sei der „friedlichste 1. Mai seit vielen Jahren“ gewesen, aber dem kann ich beim besten Willen nicht zustimmen.

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Die Polizei hat sich die Kontrolle nach dem Gewaltausbruch zwar relativ schnell wieder zurückerobert und die Ausschreitungen waren auch nicht so massiv wie die im letzten Jahr, aber die Aussage friedlichster 1.Mai „seit vielen Jahren“ oder, wie die Polizei twitterte, „seit Jahrzehnten“ ist einfach nicht wahr. Ich habe den ersten Mai in Berlin-Kreuzberg in den letzten 26 Jahren hautnah miterleben müssen – und ja, im Vergleich zu meiner Grundschulzeit, kurz nach der Jahrtausendwende, war das gar nichts. Damals kauerte ich jedes Jahr, schon tagsüber hinter heruntergelassenen Rolläden panisch in der Wohnung meines Vaters, direkt am „O-Platz“, und hielt mir die Ohren zu, damit ich das Gegröle, Krachen und die Sirenen nicht hören musste. Damals brannten die Straßen, es gab jedes Jahr zahllose Verletzte und massive Sachbeschädigung im ganzen Kiez.

Vor Corona gab es aber kaum noch gewalttätige Ausschreitungen, die über Schlägereien von betrunkenen Partypeoplen und einzelnen Antifa-Idioten mit Flaschen hinausgingen. Noch 2019 tummelten sich tausende Trunkenbolde und Feierwütige auf und nach dem MyFest, das dank Corona zum dritten Mal in Folge abgesagt wurde, am Oranienplatz – dabei kam es auch zu unschönen Szenen, aber auf eine andere Art. Davon abgesehen, habe ich so massiven Antisemitismus, wie er dieses (und letztes) Jahr auf den Straßen Berlins propagiert wurde, noch nie erlebt. „Friedlich“ würde ich das nicht nennen.

Wie „gut“ oder schlecht die Bilanz des diesjährigen ersten Mais wirklich ist, wird sich sowieso erst im Laufe des Montags oder Dienstags zeigen – wenn klar wird, wie viele unschuldige Anwohner ihre Autos nur noch als Aschehäufchen vorgefunden haben, wie viele Polizisten und andere Menschen verletzt wurden und wie viele Festnahmen es gab. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind im Verlauf des Tages rund 30 Beamte verletzt worden – vor allem durch Flaschenwürfe und Pyrotechnik. Zudem seien mehr als 50 Personen festgenommen worden. Laut BZ wurden in der Nacht mindestens 14 Autos angezündet.

Es gab in Berlin außerdem zwei Großbrände, einen in Köpenick und einen in Spandau, ob die mit dem 1. Mai zusammenhängen, bleibt aber offen.

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