Populismus ist nicht das Problem

Die politischen Probleme in Ländern wie Deutschland haben nicht etwa populistische Parteien verursacht, sondern etablierte Kräfte. Die Wähler haben Grund und Anlass zur Unzufriedenheit. Von Sabine Beppler-Spahl

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Symbolbild

Wenn die Populisten sagen, dass ein Großteil unserer Probleme von der etablierten Politik ausgeht, kann ihnen kaum widersprochen werden. Viele hausgemachte Probleme sind in den letzten Jahren deutlich zutage getreten. Dazu gehören:

  • Eine prekäre Energiepolitik. Deutschlands Energieversorgung, so das ernüchternde Fazit eines Berichts des Bundesrechnungshofs von Anfang März, sei gefährdet. Die im internationalen Vergleich hohen Strompreise – weitere Steigerungen sind zu erwarten – zeitigen bereits heute ernste Konsequenzen für die Wirtschaft und damit den Lebensstandard vieler Menschen.
  • Die Vernachlässigung der Verteidigungsfähigkeit des Landes, die angesichts eines weniger als 1000 Kilometer von der deutschen Grenze entfernten Kriegs viele – zurecht – beunruhigt. Gelder, die in die Landesverteidigung geflossen sind (im Schnitt, in den letzten Jahren über 40 Milliarden Euro im Jahr) wurden offensichtlich nicht effizient investiert. Das Bild einer Armee, die unter Material und Personalmangel leidet, ist nicht das, was sich viele Wähler wünschen.
  • Das nicht eingehaltene Versprechen, die Immigration so zu regeln, dass die Integration der Zuwanderer gelingen kann. Die einzige Schlussfolgerung, die diese jahrelange Nicht-Einhaltung erlaubt, ist, dass die Politik entweder nicht willens oder nicht fähig ist, dieses Versprechen umzusetzen. Beides dürften die Wähler kaum goutieren.
  • Auch die Erkenntnis, dass die Landwirtschaft, wegen übertriebener Umweltauflagen, verfehlter Klimapolitik und bürokratischer Vorschriften um ihre Existenz kämpft, kann die Wähler kaum erfreuen. Wenn bei den Protesten, wie im Januar in Berlin, die Menschen am Straßenrand stehen und den Bauern zujubeln, dann, weil sie wissen, dass eine heimische Lebensmittelproduktion schützenswert ist.

Das gängige Argument gegen diese Vorwürfe lautet: „Glaubst Du etwa, die Populisten könnten es besser? Die sind doch noch schlimmer“. Das Argument entbehrt nicht jeder Grundlage. Doch sollte es – auch von denen, die zum Beispiel die AfD kritisch sehen – zurückgewiesen werden. Zum einen, weil es eine der rückständigsten und fatalistischsten Botschaften der letzten Jahre bestärkt: die Botschaft der Alternativlosigkeit. Seit Jahren wird den Wählern suggeriert, dass unsere Politik, ob sie sie mögen oder nicht, „alternativlos“ sei. Doch eine alternativlose Politik ist eigentlich keine Politik, zumindest keine, wie wir sie in Demokratien kennen.

Es stimmt zudem nicht, dass die Populisten genauso schlimm, wenn nicht schlimmer, sind als die etablierte Politik. Sie haben – egal wie man zu ihnen steht – etwas sehr Wichtiges bewirkt: die Öffnung der politischen Debatte. Nur dem Populismus ist es zu verdanken, dass die Themen, die so vielen Wählern wichtig sind, wieder ganz oben auf die Tagesordnung gelangt sind. Und so kann keine Partei und keine Regierung, auch bei den anstehenden EU-Wahlen, den demokratischen Druck ignorieren, der von den Wählern ausgeht.

Schicksalsfragen entscheidet nicht das Volk
Gedanken zum allgegenwärtigen Politikerschlagwort „unsere“ Demokratie
Ebenso wenig überzeugt der Hinweis, dass wir, wenn die Populisten an die Macht kämen, dem Rassismus und dem Rechtsruck nichts mehr entgegensetzen könnten. Viele Warnungen vor dem Populismus klingen regelrecht hysterisch. Tatsächlich gehen die schärfsten Angriffe auf die freie Meinungsäußerung – eine Grundlage liberaler Politik – zur Zeit von den Anti-Populisten aus, wie die zahlreichen Beispiele der Cancel Culture oder auch das Vorgehen gegen Hatespeech und das Demokratiefördergesetz zeigen.

Wer sich Sorgen um einen wachsenden Rassismus macht, sollte sich fragen, woher die vielen offen zutage getretenen Manifestationen des Antisemitismus auf unseren Straßen kommen. Die Aktionen und Demonstrationen, die die Vernichtung des einzigen jüdischen Staates der Welt fordern, gehen nicht – zumindest im Moment nicht in erster Linie – von Rechtsextremen aus, sondern von der kulturellen Linken und Teilen der muslimischen Einwanderergesellschaft. Es war der Multikulturalismus, der jeden Ruf nach Integration ablehnt, Diversität zum Ziel an sich erklärt und die Sonderstellung von Migranten zelebriert, der diese Situation hervorgerufen hat.

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Populismus keine statische Bewegung ist, sondern ein Prozess. Auch die populistischen Parteien müssen Wähler überzeugen und sich dem Druck der öffentlichen Debatte stellen. So ist zum Beispiel der Populismus Marine Le Pens in Frankreich heute ganz anders als vor noch einigen Jahrzehnten. Auch, dass es unterdessen mehrere populistische Parteien gibt, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausrichtungen, zeigt die Dynamik der Dinge. Tatsächlich ist der Populismus eine demokratische Revolte, die sich gegen die engen Grenzen der etablierten Politik zur Wehr setzt. Für Demokraten ist der Populismus daher nicht das Schreckgespenst, das er für seine Gegner darstellt.


Dieser Beitrag ist zuerst bei Novo erschienen.

Mehr von Sabine Beppler-Spahl lesen Sie in dem Buch „Raus aus der Mitte! Wie der Parteienkonsens die Demokratie untergräbt“. Beppler-Spahl ist Autorin von „Experimente statt Experten – Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie“.

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Kommentare ( 29 )

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Innere Unruhe
6 Monate her

Warum soll Populismus schlecht sein?
Oder anders. Warum soll Politik gut sein, die der Bürger nicht versteht?
In der Wissenschaft sagt man, dass man etwas nur dann verstanden hat, wenn man es einem Dritten verständlich erklären kann.
Aktuelle Probleme in DE haben ihre Ursache nicht im Populismus, denn Polupisten waren ja noch nicht an der Macht.
Wir sollten unsere Freunde mehr ermutigen, Begriffe zu hinterfragen. Inzwischen hat das Gesagte fast nichts mit dem Gedachten oder Getanen zu tun…

Fui Fujicato
6 Monate her

Es geht doch – de facto – nicht um die Frage : Populismus ja, oder nein ! Es geht nur noch um die Frage : Handelt „unsere“ Regierung überhaupt noch im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung ? Folgen alle Mitglieder der Regierung, des Bundesparlamentes, des Bundesrates, aller Ministerien + Behörden noch den ursprünglich von ihnen abgelegten Amtseiden, oder liegt schon hier überall ein vorsätzlich begangener Mißbrauch + eine vorsätzlich begangene Täuschung der Wähler vor ? Die Benennung von massiv staatlich geförderten NGOs als „Zivilgesellschaft“ – unter kontinuierlicher Mißachtung des tatsächlich vorliegenden Bürgerwillens – dokumentiert doch nur die komplette Abwendung… Mehr

Last edited 6 Monate her by Fui Fujicato
Klaus Decker
6 Monate her

Ein sehr guter Beitrag. Mich stört nur die unkritische Verwendung des Begriffs „Populismus“. Dieser Kampfbegriff dient der Verächtlichmachung jeder ernsthaften Kritik am Mainstream. Schon die sog. Professorenpartei wurde ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrer Programmatik in diese Schublade gesteckt.

brummibaer_hh
6 Monate her

Was der Autor vergisst zu erwähnen sind die Motive der Nichtwähler, die einen größeren Anteil ausmachen als die Wähler der Populisten, die aber komischerweise immer so gerne zu deren Gruppe der Unzufriedenen hinzu gerechnet werden. Dabei vergisst man, dass die Nichtwähler nicht nur nicht die „Altparteien“ wählen, sondern genauso nicht die Populisten. Und warum wählen Menschen nicht? Da sind die Enttäuschten, richtig, oder die, die meinen, ihre eine Stimme zähle unter Millionen eh nichts. Nicht zu vergessen aber etliche Millionen Menschen, die einfach überhaupt kein Interesse an Politik haben ode die ebenso Millionen Alten, Behinderten etc., die hinter Gardinen einsam… Mehr

Fui Fujicato
6 Monate her
Antworten an  brummibaer_hh

Das Problem mit den Nichwählern besteht m.E. in der Erkenntnis dieser Wähler, daß es inzwischen keine wirkliche Alternative zu einer Kursänderung innerhalb des Blockparteienspektrums gibt, da alle die gleiche Linie zur Unterjochung der Bevölkerung anstreben + dieses Ziel – im Zweifel – durch abstruseste Koaltionen zum eigenen Machterhalt + zur eigenen Versorgung – erhalten !

andreas.gei
6 Monate her

Tino Chrupalla brachte es bei Illner gegen Armin Laschet auf den Punkt:
„Sie haben nicht Angst um die Demokratie, sondern vor der Demokratie!“

Agrophysiker
6 Monate her

Antipopulisten sind Verfassungsfeinde! Schon die Sprache verrät, dass unsere etablierten Parteien Verfassungsfeinde sind!. Denn im Grundgesetz heißt es Art. 20, dass Deutschland ein demokratischer Staat ist und alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Nun ist Populus der lateinische Begriff für Volk und bedeutet das gleiche wie das griechische Demos. Die „lateinische“ Bezeichnung für Demokratie wäre damit Populukratie. Wer also Populismus ablehnt, ist gegen die Herrschaft des Volkes und damit ein Antidemokrat und ein Verfassungsfeind! Natürlich ist auch in einer Demokratie entscheidend, dass, unabhängig von der Stimmung im Volk, die Grundrechte und ein echter Rechtsstaat (ungleich Gesetzesstaat) gewährleistet sind. Aber gerade die… Mehr

Freigeistiger
6 Monate her

Populismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Man muß den Begriff Populismus nur positiv verstehen in dem Sinn, daß sich Politik in erster Linie an legitmen Volksinteressen und nicht an Eliteninteressen orientiert – womit man bei dem ist, was Demokratie vorsieht.
Die heute herrschenden polit-medialen, globalistisch ausgerichteten (und abhängigen) Eliten sind daran aus naheliegenden Gründen nicht interessiert und bekämpfen die populistische Konkurrenz.
Eine konservative, an nationalen und bürgerlichen Interessen orientierte Politik ist jedoch im gesamten Westen auf dem Vormarsch und wird sich schließlich durchsetzen, weil eine Mehrheit der Menschen das so will.

Innere Unruhe
6 Monate her
Antworten an  Freigeistiger

Richtig. Populismus ist die Lösung, denn das Volk muss verstehen, was passiert. „Wer sich Sorgen um einen wachsenden Rassismus macht, sollte sich fragen, woher die vielen offen zutage getretenen Manifestationen des Antisemitismus auf unseren Straßen kommen“ Was wir heute erleben ist kein Rassismus. Es ist ein Ausdruck von Misstrauen jenen gegenüber, die wie Menschen auf dem Balkan oder in den Booten im Mittelmeer ähnlich sehen. Da der Bürger außer dem äußeren Erscheinungsbild keine andere Möglichkeit hat, legale von illegalen Südländern zu unterscheiden, steigert es das generelle Mistrauen den Südländern gegenüber. Das wird als Rassismus missverstanden. Da wir keine Ostasiaten oder… Mehr

Ostfale
6 Monate her

Wie sagt doch der Volksmund: „Der Dilettant greift immer nach dem Höchsten, ohne das Einfachste zu können.“ Und das ist wirklich Populismus, denn es ist die Weisheit des Volkes.

Raul Gutmann
6 Monate her
Antworten an  Ostfale

Sehr geehrter Herr „Ostfale“, danke für die Darbietung jener überaus interessanten Volksweisheit.

imapact
6 Monate her

Zunächst einmal wäre zu sagen, daß „die Populisten“, im Falle Deutschlands also die AfD ja keineswegs als alleinige Regierungspartei mit absoluter Mehrheit „an die Macht“ kommen würden. Sie wären vielmehr Juniorpartner, der allerdings auf den Seniorpartner (also dann die CDU) einen korrigierenden Einfluß ausüben würden. Wie immer die Praxis einer Regierungsbeteiligung aussähe: die AfD hätte niemals die Grenzen geöffnet, sie hätte die Anreize für Versorgungsmigration reduziert, sie hätte auch niemals den Atomausstieg umgesetzt (bei gleichzeitigem Boykott des wichtigesten Energielieferanten), sie würde nicht Millionen für linkslastige NGO´s verpulvern oder für unsinnige „Entwicklungsprojekte“ (wie Radwege in Peru) in aller Welt. Weitere Punkte… Mehr

Proffi
6 Monate her
Antworten an  imapact

Alles negative, was Sie aufgeführt haben, hat einen Hauptnenner, um den Sie einen Bogen machen: Die Tatsache, dass die zusammengelogene Klimahysterie bei 80 Prozent der Deutschen gut ankommt, weil der idiotische Klimaschutz (mein Unwort der letzten 5 Jahre) mit Umweltschutz gleichgesetzt wird.

Haba Orwell
6 Monate her
Antworten an  Proffi

Egal, was womit gleichgesetzt wird, das befreit nicht vom Denken. Ich nutze zwar Plastikbeutel solange die halten, doch würde nicht ganz auf welche verzichten wollen – den Ökoreligion-Verboten nach. Bin ich böse?

Ron
6 Monate her

Sollte Populismus nicht Aufgabe der vom Volk, den Wählern und Steuerzahlern beauftragten Politik sein? Sprich, die Meinungen und Auffassungen des Volkes artikulieren und vertreten?
Ach ja, ich vergaß, die Wähler sind ja zu dumm und müssen abgeholt werden.
Wobei, irgendwie stimmt das auch, wenn ich an die „weiter so“ Fraktion denke.