Beim EVP-Kongress stimmte die französische Delegation gegen von der Leyen, und die Österreicher enthielten sich bei der Abstimmung über das neue Wahlprogramm. Das wird die Parteispitzen etwas gestört haben, aber die kleine Fronde hatte den Vorteil, zeigen zu können, dass immer noch alles „ganz demokratisch“ zugeht bei jenen europäischen „Konservativen“.
Ein klein bisschen Demokratie ist beim Bukarester Gipfel der Europäischen Volkspartei gegen Ende nun doch aufgekommen: Die französische Delegation stimmte gegen Ursula von der Leyen, die sich, horribile dictu, als Spitzenkandidatin und erneute Anwärterin auf das Mandat der Kommissionspräsidentin bewirbt, und die Österreicher enthielten sich bei der Abstimmung über das neue Wahlprogramm ihrer Stimme.
Das wird die Parteispitzen zwar ein wenig gestört haben, aber immerhin hatte die kleine Fronde den Kollateralvorteil, jedem, der es bezweifelt hätte, zu beweisen, dass schließlich immer noch alles „ganz demokratisch“ zugeht bei jenen europäischen „Konservativen“, deren wichtigstes Ziel es in den letzten Jahren zu sein scheint, eine so linke Politik wie möglich zu machen, ohne doch ihre Stammwähler ganz zu vergraulen. Insgesamt wird also wohl große Erleichterung die Führungsebene der EVP durchzogen haben, denn eigentlich war es schon ein gewisses Risiko, von der Leyen ein zweites Mal in den Ring ziehen zu lassen.
Man erinnert sich daran, dass sie nach den letzten Wahlen in einem Hinterzimmerabkommen zwischen Juncker, Macron und Merkel bei völliger Missachtung der bisherigen Abmachungen über die Bedeutung der „Spitzenkandidaten“ wie ein etwas sperriges Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert worden war, und auch diesmal hatte es Stimmen gegeben, die von einer Spitzenkandidatin der größten europäischen Partei zumindest verlangt hatten, sich auch als Parlamentarierin den Bürgern zu präsentieren und zunächst einmal einen demokratisch legitimen Sitz zu gewinnen – etwas, das bezeichnenderweise nie die Stärke der „mächtigsten Frau der Welt“ (Forbes) war und auch nun tunlichst unterlassen wurde.
Was ist nun geschehen? Gerade in Frankreich ist die Personalie von der Leyen hochproblematisch, und das aus mehreren Gründen, wie die französischen EVP-Abgeordneten aus der Gruppe „Les Républicains“ in einem langen Brandbrief an EVP-Chef Manfred Weber erklärten. Zum einen gilt die CDU-Spitzenpolitikerin und Merkel-Vertraute im Volksmund seit jeher als eine von Berlin ferngelenkte Marionette und Technokratin, die zudem unter dem Deckmantel „konservativer“ Politik aktiv die Linksbegrünung der EVP und der gesamten Europäischen Union betreibe – ein Vorwurf, der gerade angesichts der massiven Bauernproteste gegen die Folgen des unter der Federführung von der Leyens entstandenen „Green Deal“ überaus schwer wiegt.
Dazu kommt noch die freundschaftliche Unterstützung, welche Macron, Hassfigur Nummer Eins der statistisch überwältigenden Mehrheit der Franzosen, von der Leyen seit jeher hat angedeihen lassen, die dementsprechend als eine Art „U-Boot“ der Linksliberalen gilt:
Außerdem sehen sich die französischen „Republikaner“ und Parteifreunde von der Leyens in der Zwickmühle, daheim zwischen den beiden Rechtsparteien Le Pens und Zemmours auf der einen Seite und dem ideologisch irrlichternden Macron auf der anderen Seite zerrieben zu werden: Schon jetzt besteht ein echtes Risiko, bei den Europawahlen weniger als 5 Prozent zu erhalten – ein wahrlich trauriges Ergebnis für die Erben des General de Gaulles, die vor gar nicht so langer Zeit noch absolute Mehrheiten einfahren konnten. Freilich macht dies die Entscheidung der Fraktion, geschlossen gegen von der Leyen zu stimmen, nicht wirklich mutiger: Ganze 7 Stimmen haben die „konservativen“ Franzosen noch innerhalb der EVP (gegen 18 für den „Rassemblement National“ Le Pens).
Die Fronde der Republikaner war daher eher Prinzipsache und dürfte wohl auch vorher mit von der Leyen und EVP-Chef Manfred Weber durchchoreographiert worden sein. Von Anfang an war nämlich solchermaßen klar, dass von der Leyen, die sich noch nicht einmal gegen einen Gegenkandidaten wehren musste, die Nominierung gewinnen würde, dass von den 801 stimmberechtigten Abgeordneten (die Zahl wurde dann von der EVP kurioserweise mehrfach nach unten korrigiert) ohnehin nur 499 zur Abstimmung geschritten sind, während die übrigen lieber am Buffet geblieben sind. Dass von den 499 Mutigen dann 400 für, immerhin 89 gegen von der Leyen stimmten und 10 ungültig wählten, ist insgesamt alles andere als eine Auszeichnung. „82 Prozent Zustimmung“ wird zwar nun stolz durch die Medien getragen, aber bei einer Beteiligung von 62 Prozent lässt sich das Resultat auch so formulieren, dass 50 Prozent der stimmberechtigten gar nicht oder gegen von der Leyen gestimmt haben – ein etwas bedenkliches Ergebnis angesichts eines Wahlzettels, auf dem gut demokratisch nur ein einziger Name vermerkt war.
Und gleich mit einer zweiten Fronde hatte der Parteitag aufzuwarten: Hier waren es die Österreicher der ÖVP, die sich dem neuen Wahlprogramm der EVP verwehrten – kein Wunder, rückt dieses die EVP doch (schon wieder) bis auf ein paar Lippenbekenntnisse einen weiteren Schritt nach links, was angesichts einer wieder erstarkten und im Gegensatz etwa zur AfD schon weitgehend salonfähigen und „entdämonisierten“ FPÖ den österreichischen Konservativen schlecht zu verkaufen ist. So sprach sich die ÖVP in ihrer Begründung gegen die geplante Abschaffung der letzten Veto-Rechte innerhalb der europäischen Institutionen aus und will auch die vollgültige Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in den Schengen-Raum lieber hinauszögern; in der Frage der Atomkraft überholt die ÖVP aber das EVP-Programm von links: Ihr wäre am liebsten eine völlige Schließung aller Zentralen. Doch handelte es sich hierbei wesentlich um Details, welche die ÖVP dann auch nicht zur Ablehnung, sondern nur zur Enthaltung geführt haben: Auch hier sollte vor allem das Gesicht gewahrt und elegant wienerisch sowohl nach rechts als auch nach links die eigene Autonomie bewiesen werden, ohne doch etwas Wesentliches an den Dingen ändern zu wollen.
Insgesamt: Trotz leichter Risse schreitet die EVP weiter auf dem Weg voran, die Taktik der CDU nun auch auf das Parkett des Europäischen Parlaments zu übertragen; und rein wahltaktisch dürfte auch hier – vorerst – die Rechnung ebenso aufgehen wie weiland unter Dauerkanzlerin Merkel: auf der einen Seite die Rechte dämonisieren und somit für jegliche Koalition unbrauchbar machen; auf der anderen Seite die Christdemokratie zunehmend in die Mitte rücken und bei Grünlinks ohne weiteren Reibungsverlust andockbar machen, um somit auf viele Jahre, ja vielleicht Jahrzehnte mehr oder weniger „Große“ Koalitionen zu sichern, die um eine Beteiligung der EVP rechnerisch nicht herum können.
Machterhalt vom Feinsten also – aber gleichzeitig das Todesurteil über das eigene ideologische Alleinstellungsmerkmal. Denn langfristig ist deutlich, dass die Menschen auf der rechten wie der linken Peripherie lieber das Original als die Kopie wählen und somit ein schleichender Glaubwürdigkeitsverlust einsetzt, der die Partei noch lange Jahre verfolgt, wenn er sie nicht vollends in die Bedeutungslosigkeit manövriert. Aber ist gerade das nicht ohnehin schon typisch geworden, nicht nur für die Politik auf europäischer, sondern auch nationaler Ebene, nämlich das langfristige Wohlergehen kurzfristigen Kalküls und Erfolgen zu opfern?
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Für mich ist der Weg der CDU einer der Verweiblichung der Politik und erst sekundär einer der Mitte (was soll das sein?) oder einer der Annäherung an die Grünen: Gut, die Grünen sind sowieso (nach dem abtritt J. Fischers in 2005) fast nichts anderes mehr als total weiblich. Wer heute politisch nicht auf feminin, gefühlig, polit- symbolisch und universalistisch (religiös) macht, hat fast im ganzen „Westen“ schlechte Karten. Die franz. Republikaner dürften deshalb bei 7% sein, weil sie nicht so feministisch auftreten wie der Lieblingsmann der Frauen, Macron. Oder kennt sich das ein Leser in F. besser aus als ich?… Mehr
Was die Medien verschweigen:
dass am EVP-Kongress 801 Delegierte teilgenommen haben. Doch an der Abstimmung über von der Leyens Kandidatur beteiligten sich nur 499. 400 Delegierte unterstützten sie, 89 waren dagegen, 10 enthielten sich.
Macht eine Zustimmung für vdL von weniger als 50%.
(Quelle: EU-Kommissar Thierry Breton auf X)
Sehr guter Artikel. Diese EVP ist tiefrot und grün, daran wird sich nichts ändern! Auf jeden Fall aber sind es keine Konservativen. In und mit dieser EU wird sich definitiv nichts ändern, EU Wahlen hin oder her!
Sie bewirbt sich nicht erneut, sondern zum 1. mal! Als Kungel-Leiher ist sie „gestartet“, Sie kann noch nicht aufhören, denn das Zerstörungswerk muß noch ans Ende gebracht werden, wenn sie schonmal damit anfangen durfte. Jean-Claude kann es bezeugen.
Wichtiger war immer, egal was Franzosen sagen oder wählen, was die andere EZB-Soufragette des Geldes zum Wohle der EU-Latinas in Frankfurt so zu Wege bringt, oder auch nicht. Das war das eigentliche Ziele der Charade von Macron. Die Deutschen haben wie immer nichts verstanden!
Sie ist eines der klassischen Werkzeuge zusammen mit anderen führenden Köpfen Europas und dazu zählen die Young global Leaders, die heute in den Instutionen und in der Politik das Sagen haben und dieser Verein gegen die Interessen der eigenen Bürger trifft sich regelmäßig in Davos um dort über ihre Einpeitscher deren Instruktionen entgegen zu nehmen. Das machen sie vermutlich nicht nur zum Spaß, da dürfte auch eine Menge Bares im Spiel sein und das motiviert die meisten, denn darüber kann man auch die Verantwortung für das eigene Land vergessen, wenn es um die vermeintlich große Sache geht und man dabei… Mehr
Ohne engagierte Bürger und diversifizierten Medien funktioniert selbst die direkte Demokratie nicht. Da wir aber nicht sher große Zahl der engagierten Bürgern haben und diversifizierte Medien gibt es auch nicht wirklich ist das Problem nicht lösbar. Glück also dass wir keine direkte Demokratie haben, nicht wahr?
/s
Wer da am Ende bei der Demokratiesimulation gewinnen wird, dürfte einem Großteil der EU-Bürger ziemlich egal sein. Kommission und EU-Fassadenparlament machen sowieso, was sie wollen. Eine wirkliche demokratische Kontrolle der Kommission gibt es nicht. Die Bürokratendiktatur wird auch weiterhin alles tun, um ihre nicht legitimierte Macht dazu zu benutzen, die Bürger und die Unternehmen nach eigenem Gutdünken zu schikanieren, zu entrechten und auszuplündern.
Gelernt ist gelernt. Nicht umsonst hat Soros in den vergangenen Jahren sein EPIM-Netzwerk dort implementiert und als von Niemandem gewählter dort 48 Redebeiträge gehalten. Da ist die Richtung der Marionetten schon vorbestimmt.
wenn man jeetzt noch berücksichtigt welche zukünftige Pensionslasten durch diesen sinnlosen Bürokratiewildwuchs den Bürgern übergesülpt werden ist offensichtlich was diese Politiker für Schäden anrichten. Die Gier dieser politischen Kaste ist unermesslich und kann auf Dauer von den Menschen gar nicht mehr erarbeitet werden. Da können noch so viele Reformen durchgeführt werden.
So undemokratisch sind die europäischen Institutionen eigentlich nicht. Der Wähler entscheidet indirekt über die Kommissare, da diese von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, de facto benannt werden. Im Rat sind die nationalen Regierungen vertreten, das Parlament wird gewählt. Bislang jedoch war das EP ein Selbstbedienungsladen der EVP und Qatarrher, pardon Sozialisten.Hier gilt es mit der ID-Fraktion, insbesondere aber auch mit LePen und Zemmour einen Keil dazwischen zu treiben. Man sollte die CDU hier spüren lassen, dass sie eine Verächterin des demokratischen Systems aufstellt – die die Kontrollaufgabe des EP in Sachen Impfstoffpreiverhandlungen und Impfverträge sabotiert. Das EP hat mit Mehrheit EVPSozen einen… Mehr
Vermutlich ist die „EU“ längst nicht mehr reformierbar, dann kann der Laden mit Machtgelüsten nur noch abgewickelt werden. Deutschland zahlt eh nur drauf.