Antisemitismus durch Multikulturalismus

Sympathien für den Hamas-Terror, den einige deutsche Muslime äußern, haben auch damit zu tun, dass der deutsche Staat und die multikulturell orientierten Eliten Parallelgesellschaften fördern. Von Sabine Beppler-Spahl

IMAGO

Sympathien für den Hamas-Terror, den einige deutsche Muslime äußern, haben auch damit zu tun, dass der deutsche Staat und die multikulturell orientierten Eliten Parallelgesellschaften fördern.

Der schreckliche Angriff auf Israel am 7. Oktober veranlasste den öffentlich-rechtlichen NDR, Interviews in einem der überwiegend muslimischen Viertel Hamburgs zu führen. Die Reporter wollten herausfinden, was die Bewohner über die Gräueltaten der Hamas denken. Die Antworten, die sie erhielten, waren beunruhigend. Von denjenigen, die bereit waren zu antworten, schienen viele begeisterte Hamas-Anhänger zu sein.

„Ich bin Muslim. Die Hamas ist gut. Israel ist schlecht“, antwortete ein junger Mann, während sein Kumpel zustimmend nickte. Eine junge Frau, die ein Kopftuch trug, sagte ohne jeden Anflug von Scham, dass sie sich gefreut habe, von dem brutalen Anschlag zu hören. Der ungläubige Interviewer, der anscheinend von einem Sprachproblem ausging, fragte noch einmal nach, worauf die Frau erklärte, sie habe die Gräueltaten vom Samstag mit ihrer Familie gefeiert. So sehr sich das Reporterteam auch bemühte, sie fanden niemanden, der bereit war, die Anschläge klar zu verurteilen.

Die Sendung war ein Schock und hat für einige Diskussionen gesorgt. Sie setzt auch die Regierung unter Druck. Jahrzehntelang war das moderne Deutschland stolz darauf, mit den Verbrechen der Vergangenheit abzurechnen, und schwor, den Antisemitismus nie wieder zu tolerieren. Doch schockierenderweise teilen einige Teile der deutschen Gesellschaft diese Selbstverpflichtung nicht und feiern nun offen die Ermordung von Juden.

Die Polizei nimmt die Äußerungen in diesen Interviews ernst. Der Staatsschutz im Landeskriminalamt habe ein Verfahren nach Paragraf 140 des Strafgesetzbuchs eingeleitet, hieß es wenige Tage nach Ausstrahlung der Sendung. Der Paragraf sieht Geld- oder sogar Haftstrafen von bis zu drei Jahren für die „Belohnung oder Billigung von Straftaten“ vor.

Die jüdische Gemeinde wird von den Hamburger Interviews leider nicht überrascht worden sein. Im vergangenen Jahr gab es 88 gewalttätige Übergriffe gegen Juden oder vermeintlich jüdische Menschen (2021 waren es 64). Bereits 2019 hatte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Juden gewarnt, sich zu überlegen, wo und wann sie in der Öffentlichkeit eine Kippa tragen, nachdem die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Juden gestiegen war. In Wahrheit können sich Juden in Deutschland schon lange nicht mehr wirklich sicher fühlen.

„Die Reaktion der Regierung beschränkt sich hauptsächlich darauf, antisemitische Ansichten zu zensieren oder zu bestrafen. Aber das wird völlig unwirksam sein.“

Die Reaktion der Regierung beschränkt sich hauptsächlich darauf, antisemitische Ansichten zu zensieren oder zu bestrafen. Aber das wird völlig unwirksam sein. Tatsächlich sind die Meinungen der in Hamburg befragten Personen keine Ausnahme. Man könnte in praktisch jede deutsche Großstadt mit einem größeren, schlecht integrierten muslimischen Bevölkerungsanteil gehen und dort ähnliche Einstellungen gegenüber Juden und Israel finden.

Das ist die Konsequenz eines Versagens der deutschen Gesellschaft und des Staates. Migrantengruppen werden und wurden einfach nicht in die deutsche Mehrheitsgesellschaft integriert. Es ist sogar fast so, als ob sie dazu ermutigt werden, in Parallelgesellschaften zu leben. Das ist ein Trend, der lange zurückgeht. So schrieb z.B. der Politikwissenschaftler Franz Walter (SPD) in einem 2008 erschienen Buch, „Baustelle Deutschland“, dass Parallelgesellschaften positiv seien und ihren Mitgliedern den Wechsel in eine „kulturell radikal anders geprägte Ordnung“ zu erleichtern (S. 42).

Das scheint im Rückblick falsch und naiv, wenn wir z.B. auf die Sonnenallee im Berliner Bezirk Neukölln schauen. Die Straße hat, aufgrund der hohen Zahl der dort lebenden Migranten aus dem Nahen Osten den Spitznamen „Arabische Straße“ erhalten. Auch hier herrschte am Samstag nach dem Anschlag der Hamas eine spürbar feierliche Stimmung. Eine Gruppe junger Männer, von denen einer eine palästinensische Flagge trug, wurde dabei fotografiert, wie sie Süßigkeiten an Passanten verteilten. Als Reporter von der Welt in dem Viertel Interviews filmen wollten, wurden sie bedroht und gezwungen, das Filmmaterial zu löschen.

In München rief ein Teilnehmer einer Pro-Palästina Demonstration dazu auf, alle Juden zu töten. Andere forderten die Vernichtung Israels. Auch hier ermittelt die Polizei. Und die Heftigkeit und Inbrunst einer Demonstration in Westdeutschland veranlasste einen Reporter der Tagesschau zu dem Schluss, dass „der lange Arm der Hamas“ bis nach Nordrhein-Westfalen reiche.

Die Gruppe, die hinter vielen dieser Proteste steht, ist die pro-palästinensische Organisation Samidoun. Ihre Symbole sind seit etwa 2020 in Neukölln überall zu sehen. Samidoun hat viel Unterstützung bei frustrierten jungen Muslimen, obwohl sie auch Verbindungen zur deutschen Linken hat. Olaf Scholz hat nun angekündigt, die Organisation verbieten zu wollen.

„Multikulti ist ein elitäres Glaubensbekenntnis, das die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen hervorgehoben hat, anstatt die Gemeinsamkeiten aller Bürger – ob Christen, Juden, Säkulare oder Muslime – zu betonen.“

Natürlich wäre es naiv, wenn die Regierung glaubt, mit Verboten das Problem des Antisemitismus lösen zu können. Wir wissen, dass, wenn eine Organisation verboten wird, sich schnell eine andere bildet. Solange die zugrunde liegende Ideologie und die Überzeugungen dieser Gruppen nicht wirksam bekämpft werden, werden sie weiter gedeihen.

An dem Punkt aber hat der deutsche Staat – und vor allem die multikulturell-gestimmten Eliten – auf ganzer Linie versagt. Wenn über Antisemitismus gesprochen wird, geht es schon viel zu lange nur noch um die extreme Rechte. Eines von vielen Beispielen dafür ist eine offizielle Handreichung für Schulen im grün-regierten Baden-Württemberg. Unter der Überschrift „Welche Formen von Antisemitismus gibt es?“ listet die Broschüre „christlichen Antisemitismus“ und „rassistischen Antisemitismus“ auf, während „muslimischer Antisemitismus“ nicht vorkommt.

Natürlich wird es den Eliten nun nicht leichter fallen, zuzugeben, dass es in bestimmten muslimischen Gemeinschaften in Deutschland Antisemitismus gibt. Nicht zuletzt, weil es ihr Unterstützung für den Multikulturalismus in Frage stellt. Multikulti ist ein elitäres Glaubensbekenntnis, das die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen hervorgehoben hat, anstatt die Gemeinsamkeiten aller Bürger – ob Christen, Juden, Säkulare oder Muslime – zu betonen. Nun befürchten viele, dass eine solche Debatte über die gescheiterte multikulturelle Politik als Zugeständnis an die verhasste rechte AfD (Alternative für Deutschland) gewertet würde.

Tatsächlich wurde jahrelang jede Erwähnung, dass Antisemitismus in einigen muslimischen Gemeinschaften ein Problem ist, als islamfeindlich und als Verstoß gegen den Multikulturalismus abgetan. Diejenigen, die sich für den radikalen Islamismus in Deutschland interessiert und ihn erforscht haben, wie der arabisch-israelische Psychologe Ahmad Mansour, wurden oft als „umstritten“ oder sogar als „Nazis“ bezeichnet. Mansour sagt nun, er sei von den Ereignissen der letzten Wochen keineswegs überrascht.

„Unsere Politiker wissen nicht, wie sie ein Problem in den Griff bekommen sollen, das sie selbst mit verursacht haben.“

Jetzt scheint es selbst den überzeugten Multikulturalisten zu dämmern, dass große Fehler gemacht wurden. Als Reaktion darauf wird der Ruf nach Verboten und anderen Formen der Sprachregulierung immer lauter. Es gibt Bilder von der Polizei, die Menschen bei pro-palästinensischen Demonstrationen festnimmt (wie am Mittwochnachmittag in Neukölln), und in einigen Städten, darunter München, wurde ein generelles Verbot aller neuen pro-palästinensischen Proteste ausgesprochen.

Der Journalist Malcolm Ohanwe, der einst sogar für seine klare Haltung – auch gegen Israel–, aus der er keinen Hehl machte, gefeiert wurde, verlor seinen Vertrag mit zwei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Er hatte einen pro-palästinensischen Beitrag auf X gepostet. Ohanwe schrieb u.a.: „Wenn den Palästinensern systematisch die Zunge abgeschnitten wird, wie sollen sie sich dann mit Worten verteidigen?“ Die Rapperin Nura wurde von einer Late-Night-TV-Show ausgeladen, nachdem sie auf Instagram vor einem „Free Palestine“-Transparent posiert hatte.

Diese Beispiele von Cancel Culture sind ein Zeichen für die Hilflosigkeit der deutschen Politik. Unsere Politiker wissen nicht, wie sie ein Problem in den Griff bekommen sollen, das sie selbst mit verursacht haben. Es sollte klar sein, dass das Canceln von Menschen oder Protesten nicht hilft, den Antisemitismus zu bekämpfen. Das macht Leute wie Ohanwe und Nura nur zu Märtyrern der Meinungsfreiheit.

Was wir jetzt brauchen, ist die aktive Solidarität der deutschen Bevölkerung. Die große Pro-Israel-Demonstration, die von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde am Tag nach den Hamas-Anschlägen organisiert wurde, war ein guter Anfang. Aber es muss noch viel mehr getan werden. Und Cem Özdemir hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass diese Demos nicht nur von Juden, sondern von nichtjüdischen Deutschen organisiert werden sollten. Es ist an der Zeit, sich klar gegen Antisemitismus zu positionieren, wo immer wir ihn finden.


Dieser Beitrag von Sabine Beppler-Spahl ist zuerst bei Novo und spiked erschienen 

Mehr von Sabine Beppler-Spahl lesen Sie in dem Buch „Raus aus der Mitte! Wie der Parteienkonsens die Demokratie untergräbt“. Beppler-Spahl ist Autorin von “Experimente statt Experten – Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie“.

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Kommentare ( 49 )

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prague
1 Jahr her

Man sagt in D. immer, dass die Ukraine die unsere Demokratie verteidigt, nein tut sie nicht, aber Israel tut es.

Ralf Poehling
1 Jahr her

In einer Welt, in der die Antisemiten die Mehrheit stellen, führen offene Grenzen, uneingeschränkte Demokratie für jeden und Multikulti automatisch dazu, dass die Antisemiten den Diskurs bestimmen. Wie auch in den UN.
Demokratie funktioniert nur mit den eigenen Leuten, die selbst auch demokratisch ticken. Wenn ich einen gigantischen Haufen totalitärer Neandertaler an der Demokratie teilhaben lassen, darf ich mich nicht wundern, wenn die Demokratie vor die Hunde geht.

Scherer
1 Jahr her

Der Islam gehört zu Deutschland, sagte der ehemalige BP WULF und die Elite-Politiker aller Altparteien nickten anerkennend. ID ERIKA hat sie dann alle eingeladen, auch die Islamisten aus den Kriegsgebieten. Die haben dann intensiv ihr Gedankengut bei uns verbreitet und in fast allen Großstädten Paralelgesellschaften aufgebaut. In den letzten Wochen zeigen die uns, was sie von unserem Grundgesetz und unserer Gastfreundschaft halten. Unsere verantwortlichen Politiker in der Regierung reden, diskutieren, streiten aber handeln nicht. So zwingen die etablierten Parteien uns Bürger praktisch die AfD zu wählen. Die verspricht wenigstens, die Problematik der Migration sofort anzugehen und auch zu lösen. Wir… Mehr

Caprivi
1 Jahr her

Ich kann mich gut erinnern, dass der WDR eine gute Dokumentation über islamischen Antisemitismus mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Es wird Zeit, die Rolle des ÖRR bzgl dieses Themas genauer zu bewerten.

Helfen.heilen.80
1 Jahr her

Allerdings will ich mir die gewählte Vorgehensweise des „progressiven Sektors“ nicht mehr als Absprungbrett für Verpflichtungen, Erwartungen und Vorwürfe vor die Tür kippen lassen: „…Das ist die Konsequenz eines Versagens der deutschen Gesellschaft und des Staates. Migrantengruppen werden und wurden einfach nicht in die deutsche Mehrheitsgesellschaft integriert…“ Der Terminus „Versagen“ ist fehl am Platze, denn 1994 wurde das Staatsbürgerschaftsrecht von Rot-Grün (!) geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt galt das „Abstammungsprinzip“, es war „deutsch“, wer von „deutschen Eltern“ gezeugt wurde. Im Sinne der Gastarbeiterregelung war es eine selbstverständlich gelebte Vorstellung, dass „Gastarbeiter“ eines Tages wieder in aller Friedlichkeit ihre Heimat aufsuchen… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Helfen.heilen.80
mediainfo
1 Jahr her

„Sympathien für den Hamas-Terror, den einige deutsche Muslime äußern, haben auch damit zu tun, …“ duden.de definiert die Bedeutung von „einige“ wie folgt: „eine unbestimmte kleinere Menge; ein wenig, etwas; nicht allzu viel. Belastbare Zahlen dazu, wie viele Muslime hierzulande mit dem Hamas-Terror sympathisieren, habe ich, wie vermutlich die Autorin ebenfalls, nicht. Da gibt es ja nachvollziehbare Motive, in Umfragen o.ä., nicht die Karten auf den Tisch zu legen. Wenn man das obige Zitat wörtlich nimmt, mag es zutreffen, dahingehend „äußern“ tun sich (bisher) nur eine überschaubare Anzahl von Personen, man kann jedoch vermuten, dass sie erheblichen Rückhalt in der… Mehr

giesemann
1 Jahr her

Verherrlichung von Gewalt ist strafbar, § 131 StGB. Die „jungen Muslime“ sind frustriert? Weil sie nicht alles kriegen, was sie wollen, für lau?

Axel Fachtan
1 Jahr her

Israel gegenüber sind wir historisch verpflichtet, ganz unabhängig davon, was die USA so treiben. Die Abhängigkeit von den USA aber müssen wir dringend beenden. Die USA hat seit 1990 mehr Schaden als Nutzen für Deutschland gestiftet. Die Energielieferungen aus Russland und der Handel mit Russland haben wesentlich zu unserem Wohlstand beigetragen. Russland hat sich nach 1990 ohne Blutvergießen aus Mitteldeutschland und Ostmitteleuropa zurückgezogen. Die USA haben dieses Land defacto einkassiert und Europa zum Schaden Russlands und der anderen Europäer reorganisiert. Das Problem ist, von welcher Atommacht wir uns bevormunden lassen wollen. Von Russland oder von den USA. Bevormundet werden wir… Mehr

UngebetenerGast
1 Jahr her
Antworten an  Axel Fachtan

Ich und meine ganze Generation haben bevormundet von den USA seit etwa 1950 ein ziemlich gutes Leben gehabt. Jenseits der Elbe sah es dagegen eher trübe aus.

Gabriele Kremmel
1 Jahr her

Menschen, die sich über einen brutalen Angriff auf andere Menschen freuen sind mit unserer friedlich-freiheitlichen Gesellschaft nicht kompatibel. Sie werden sich genauso darüber freuen, wenn es uns in unserem eigenen Land trifft. Und dieser Tag wird kommen, denn: Wer sagt Hamas ist gut, Israel ist schlecht sagt auch Islam ist gut, Ungläubige sind schlecht. Weg damit.

Moses
1 Jahr her

Warum steht hier: Sympathien für den Hamas-Terror, den einige deutsche Muslime äußern: einige? Es ist falsch. In der Wirklichkeit haben diese Sympathien EINIGE nicht. Genau so falsch dieses Wort auch hier:“… Antisemitismus in einigen muslimischen Gemeinschaften ein Problem ist.“
„Politiker wissen nicht, wie sie ein Problem in den Griff bekommen sollen“. Nein, das Hauptproblem liegt da, dass es eigentlich nur eine Lösung ist. Alle aktive Antisemiten, hassenden westliche Kultur und Tradition und Kriminelle sollten dieses Land verlassen bzw. abgeschoben werden. Der deutlich kleinere Rest wird dann unvergleichbar ruhiger und mindestens theoretisch integrierbar.