Marco Buschmann kämpft gegen das Bürokratiemonster – das wächst weiter

Justizminister Marco Buschmann verspricht Bürokratie-Abbau. So sollen Unternehmen Buchungsbelege früher wegwerfen dürfen. Doch unterdessen wuchert das Bürokratiemonster immer weiter – gemästet von der Ampel.

IMAGO / Bildgehege

Ende August trifft sich das Bundeskabinett zur Klausur in Meseberg. Justizminister Marco Buschmann (FDP) wird dort die Eckpunkte für ein „Bürokratieentlastungsgesetz“ vorlegen. Bisher bekannt wurde, dass Unternehmen steuerrechtlich relevante Buchungsbelege künftig nach sieben statt wie bisher nach zehn Jahren wegwerfen dürfen. Angesichts dessen, wie das Bürokratiemonster durch Deutschland tobt, gleicht Buschmann mit seinem Entwurf einem Feuerwehrmann, der den Brand des Hochhauses mit dem Inhalt einer Blumenvase löschen möchte.

Dabei war es ausgerechnet ein Grüner, der jüngst vor der Dramatik der Situation warnte: „Wir werden so nicht mehr regieren können“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Die überbordende Bürokratie mache Deutschland zu langsam. Menschen müssten sich immer mehr mit bürokratischen Auflagen befassen, obwohl sie das nie gewollt und auch nie gelernt hätten.

Nun fehlt es derzeit nicht an Forderungen, die Bürokratie abzubauen. Buschmann spricht von einem „Burn Out“, an dem die Wirtschaft leide. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) singt mit in dem Chor. Ebenso wie die Bundestagsfraktion der Union. Das Problem ist nur: Was passiert, ist genau das Gegenteil von dem, was gefordert und angekündigt wird.

Das beginnt schon bei den Forderern. Gerade mal vier Prozent aller Befragten unterstellten Kretschmann in einer Umfrage der baden-württembergischen Zeitungsverlage Erfolge im Abbau der Bürokratie. Die Union schlägt vor, eine Pause einzulegen mit Gesetzen, die für zusätzliche Bürokratie sorgen. Eine Pause. Und Markus Söder konfrontiert in Bayern seine Bauern mit einem neuen Bürokratiemonster.

Grundsätzlich gilt: Alle neuen Gesetze sind mit einem bedeutenden Zuwachs an Verwaltung verbunden. Egal, ob im Bund oder in den Ländern. Das ist kein Zufall. Das liegt an der Generation „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“. Sie begreift die Politik nicht anhand des realen Arbeitslebens, sondern als eine Abfolge von Verwaltungsakten. Diese Politikergeneration denkt in Verwaltungsakten, nicht in pragmatischem Umgang mit dem Leben. Sie hat nichts anderes kennengelernt.

Die neuen Gesetze bringen in der Folge einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich. Etwa die Gesetze zur Fernwärme und zu Habecks Heizungshammer. Die Städte und Gemeinden müssen nun bis ins Detail dokumentieren, wie welches Haus in welchem Umfeld heizt. Doch das eigentliche Übel, das dem Bürokratiemonster immer neue Nahrung schenkt, ist die Einzelfallgerechtigkeit.

Sie macht Habecks Heizhammer zu einem 27-Gänge-Menü für das Bürokratiemonster. Die Ampel möchte den Unmut über den Zwangstausch der Heizungen durch Geld ersticken. Doch wer wie viel bekommt, soll davon abhängen, wie viel er verdient, wann er den Austausch vornimmt, welchen Heizkörper er austauscht und wie die Heizwärme in seinem Umfeld geregelt ist. Die Antragssteller müssen das alles dokumentieren – die Verwaltung muss es prüfen.

BÜROKRATIE-MONSTER
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Jede zusätzliche Regel bedeutet neue Arbeit und zusätzliche Ablage. Die Bearbeitung jedes Antrags verlängert sich dadurch rasch um zehn bis 30 Minuten. Im Einzelfall kein Problem. Allerdings ein heftiges Problem bei einem Gesetz, das Millionen an Anträgen nach sich ziehen dürfte. Dann beschäftigen zehn Minuten länger dauernde Verfahren schnell mal 1000 Mitarbeiter ein ganzes Jahr mit nichts anderem als nur der Bearbeitung dieser einzelnen Regel. Kretschmann sagt, solch „filigrane“ Gesetze könne sich der Staat nicht mehr erlauben – doch es ist seine Partei, die diese Gesetze fordert, pusht und umsetzt.

Wobei der Öffentliche Dienst sich im vergangenen Jahr 120.000 neue Stellen gegönnt hat – und trotzdem wegen der eigenen Gesetze nicht hinterherkommt. Die Wirtschaft ächzt unter dem Arbeitskräftemangel. Und muss den bürokratischen Aufhub mitstemmen. Etwa beim Mindestlohn. Kein Arbeitnehmer soll für weniger als 12 Euro schuften, soll seine Familie ernähren können. Das ist lobenswert. In der Absicht. Doch verheerend für ganze Branchen.

Etwa die Zeitungen. Das Austragen war früher ein netter Nebenverdienst für Schüler und Rentner. Niemand hat in Zeitungszusteller einen Lehrberuf gesehen, der Familien ernähren soll. Doch mit dem Mindestlohn wurde das anders. Nun sollen die Austräger ebenfalls 12 Euro die Stunde erhalten. Nur: Kein Zusteller ist fest angestellt. Sie werden nicht nach Stunde, sondern nach zugestellter Zeitung bezahlt.

Daher müssen die Verlage also sicherstellen, dass die Zusteller in einer Stunde für 12 Euro Zeitungen ausgetragen haben. Das müssen sie aufwendig dokumentieren. Das muss ein Bürokrat prüfen. Aus einem Nebenjob wird ein Verwaltungsakt, der ganze Abteilungen lahmlegt. In der Zeit könnten manche Personalabteilungen die Zeitungen gleich selbst austragen.

Aber Vorsicht: Das schafft neuen Verwaltungsaufwand. Denn mit dem Gesetz zur Zeiterfassung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) müssen Arbeitgeber genau belegen, wann ihre Mitarbeiter welchen Arbeitsschritt geschafft haben. Im Land des Arbeitskräftemangels hat sich der Staat zum Ziel gesetzt, dass niemand zu viel arbeitet. Im produktiven Bereich zumindest. In der Verwaltung wuchert die Arbeit durch das Gesetz allerdings aus. Die Unternehmen müssen jede Arbeitsminute dokumentieren und handschriftlich unterschrieben einreichen – der Staat muss es entsprechend prüfen und ablegen. Das Bürokratiemonster jubelt derweil.

Lebenswichtige Branchen stehen derweil vor dem Kollaps. Die Bundesärztekammer schreit nach Bürokratieabbau, sonst drohe ihr der „Praxenkollaps“. Vor diesem Kollaps steht auch die Baubranche in einer Zeit, in der wir jedes Jahr mindestens 400.000 neue Wohnungen bräuchten. Doch stattdessen sind es nicht einmal mehr 300.000, die wir tatsächlich schaffen. Tendenz sinkend. Auch und gerade wegen der Bürokratie.

Das Hauptproblem der Baubranche sind die langen Antragsverfahren. Auf doppelte Weise. Zum einen verzögern und verteuern sie das Bauen generell. Zum anderen machen sie es teilweise unmöglich. Denn ändern sich im Laufe des mehrjährigen Verfahrens die Standards, müssen die Bauherren nachbessern, die nun – in der Regel strengeren – neuen Standards einhalten. Was das Antragsverfahren noch einmal verzögert. Genau dieser Mechanismus hat den Bau des Berliner Flughafens BER zu der internationalen Blamage gemacht, die er ist.

Belege dürfen künftig nach sieben statt nach zehn Jahren weggeworfen werden. Nett. Ein Anfang. Es hätten auch fünf statt sieben Jahren sein dürfen. Aber Marco Buschmann spricht von einem „Burn Out“, den das deutsche Bürokratiemonster der Wirtschaft bringe. Angesichts einer solch dramatischen Lage wäre ein drastischer Schritt ja konsequent und das ist nicht Buschmanns Ding. Der will jetzt mal einen medialen Erfolg mit dem Thema Bürokratieabbau feiern – und dann das Feld weiter bespielen. Wäre ja schade, wenn uns eine Forderung abhanden käme, auf die sich Buschmann, Söder und Kretschmann einigen können.

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Kommentare ( 48 )

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Silverager
1 Jahr her

Marco Buschmann kämpft gegen das Bürokratiemonster.“
Ausgerechnet der !!!
Aber ein netter Scherz für die TE-Leser.

Landdrost
1 Jahr her

Buschmann wird als der Justizminister in die Geschichte eingehen, der die Trennung von juristischem und biologischem Geschlecht vorangetrieben und finalisiert hat. Das juristische Geschlecht ist also jetzt vollkommen beliebig und hat keinerlei Aussagekraft im Rechtsverkehr. Damit hat sich dieser Biedermeier langfristig einen Bärendienst erwiesen. Wetten.

hoho
1 Jahr her
Antworten an  Landdrost

Ganz beliebig ist das nicht. Kommt der Kriegsfall oder schlimmer noch im Fall eine Kampfemanze trifft eine Neue Frau®, dann gibt es in einem extremen Fall echt große Unterschiede – die biologische Männer ohne Veränderungen laufen weg und die Kampfemanzen liegen auf dem Boden, geschlagen durch die Neue Frauen®.
Die Aussage oben kann ev. kleine Menge Sarkasmus enthalten also zensieren nur wenn es sein muss, bitte. Außerdem entspricht das doch der schon existierenden Realität.

Matthias
1 Jahr her

Diesem Buschmann und der ganzen FDP sind doch nur ihre Posten in der Ampel wichtig. Gelogen hat er ja auch schon in der Coronazeit (bzgl. des Endes der Maßnahmen). Es wird eher immer mehr Bürokratie geben statt weniger. Nach dem „Selbstbestimmungsgesetz“ kommt der „Heizungshammer“ usw. Bald gilt in der EU ein neues Zensurgesetz: „Digital Services Act“. Da hat die FDP offenbar auch nichts dagegegen. Für 2024 wird kein russisches Erdgas über die Ukraine mehr nach Europa (und Deutschland) geliefert. Habeck sagte, dass dann gegebenfalls im Winter die deutsche Industrie heruntergefahren werden muss. Hat man von der FDP dazu etwas gehört?… Mehr

Demokrat1
1 Jahr her

Wenn ich mich recht entsinne hat sich Edmund Steuber ebenfalls mit einer Entbürokratisierung versucht, doch leider mit wenig Erfolg.

hoho
1 Jahr her
Antworten an  Demokrat1

ich denke die haben damals mit den Entbürokratisiereungsgesetzen angefangen. Wie immer in dem besten D-Land aller Zeiten, sind die Lösungen oft komplex und teuer und verursachen mehr Probleme als sie lösen sollten.

elly
1 Jahr her

Was kommt denn schon dabei raus, wenn die FDP Mannen und Frauen gegen oder für etwas kämpfen? ? Nichts.
5 statt 7 Jahre Belege aufheben – ist noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bei großen Firmen heißt es eh: Aufbewahrungsfristen 7 (AO) / 10 (HGB) Jahre plus X. Das X steht für die Betriebsprüfung

Dieter
1 Jahr her

Vorschlag zur Güte:
great reset:
ALLE Gesetze die nach 1950 erlassen wurden, werden ersatz- und kommentarlos gestrichen.
Alle Gesetzte die seitdem wegfielen bleiben .. weggefallen.
Und dann wird der ganze Bürokratiekrempel einmal ordentlich bereinigt….
So und jetzt schau ich mal was Franz Kafka in „das Schloß“ so schönes zur deutschen Bürokratie schrieb…

Kontra
1 Jahr her

Hurra, tönt aus aus dem NDR Update um 12. ENDLICH ist den Doppelnamen jede noch so absurde Form gestattet. Weß-Schwarz, Müller-Lüdenscheid, Mozart-Kugel? Kein Problem! Und der Clou – die Kinder dieser Elternteile können zwischen diesem Schwachsinn noch ihre eigene Kreation frei wählen, Darauf hat das Land sehnsüchtig gewartet! Bei der Gelegenheit…. sein Geschlecht könne man auch noch selbst bestimmen – gerade so nach Gefühl und Wellenschlag. Ja, diese Land ist auf einem guten Weg! Wenn da nur nicht die Klimaziele gerissen worden wären….aber sonst? Alles easy peasy im Bums!

Dieter
1 Jahr her

Je Euro Mindestlohnerhöhung müssen bei uns rechnerisch 10% der Belegschaft gehen . Und der Rest natürlich die gleichbleibende Arbeit miterledigen. In Branchen in denen die preise problemlos an den Endkunden weitergegeben werden können ist es erstmal einfacher. Dort zahlt der Mitarbeiter die Rechnung für die eigene Lohnerhöhung dann im Laden mit den gestiegenen Preisen. Die Zahlen ändern sich, eine Wertsteigerung gibt es nicht, also verliert nur das geld seinen inneren Wert. Ist wie bei der 4Tage Woche bei vollem Stundenausgleich. Da verstehen viele auch nicht, das sie dann nur komprimierter das anliegende Pensum schaffen müssen – oder arbeitslos werden. So… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Dieter
Herr Schmidt
1 Jahr her

Die Überschrift sollte man ändern in: Buschmann simuliert erfolglos den Kampf gegen das Bürokratiemonster.

DiasporaDeutscher
1 Jahr her

Aufbewahrungsfrist von 10 auf 7 Jahre verkürzen interessiert nun wirklich keine Sau ?