Verteidigungsminister Pistorius: Der Lack ist ab

Der Forschungsetat der Bundeswehr soll im Jahr 2023 um 206 Millionen gestutzt werden - ein Minus von fast 40 Prozent. Moderne Waffensysteme muss Deutschland dann im Ausland einkaufen. De-Industrialisierung durch Einsparung lautet das Motto unter Pistorius.

IMAGO / ANP

Am 19. Januar 2023 trat Boris Pistorius (63, SPD) sein neues Amt als Bundesminister der Verteidigung an. Er wurde politisch und medial querbeet freundlich, ja erleichtert empfangen. Was kein Wunder war nach den quälenden 13 Monaten seiner Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD). Pistorius gab sich truppennah, setzte sich auf Panzer, sprach mit den Soldaten, machte auch international „bella figura“. Auf der Beliebtheitsskala erobert Pistorius schnell vorderste Plätze. Die ersten Lorbeerkränze waren geflochten.

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Mittlerweile ist der Lack etwas ab. So schnell vergeht der Ruhm. Oder wie der Lateiner sagt: „sic transit gloria mundi“. Der Vorvorvorvorvorgänger von Pistorius, Karl-Theodor zu Guttenberg (2009 – 2011), hat das leidvoll erlebt. Als „shooting star“ war er gestartet. „Shooting star“, das ist ein deutscher Pseudoanglizismus, mit dem so getan wird, als sei das ein aufsteigender Stern. Aber im Englischen ist es ein verglühender Komet.

Geht es Pistorius jetzt auch so? Mittlerweile ist man in der Truppe bis hinauf in die Generalität ziemlich angefressen. Der Bendlerblock wird unruhig, weil zahlreiche hochkarätige personelle Um- und Neubesetzungen angekündigt, aber zum Teil nicht konkretisiert wurden. Manche Betroffenen erfuhren es teilweise über die Presse.

Am Gründonnerstag, 7. April, schrieb Pistorius aus dem Osterurlaub an alle Soldaten und zivilen Mitarbeiter. Er bestätigte manche Personalie, andere verschwieg er. Wörtlich schrieb Pistorius: „Personelle Veränderungen in Spitzenpositionen werde ich transparent kommunizieren. Das betone ich insbesondere angesichts zahlreicher Spekulationen. Ich bitte hier um Ihr Vertrauen.“ Offenbar merkt Pistorius allmählich, dass hyperaktive Umbesetzungen nach Gutsherrenart noch keine Reform ausmachen. Da sollte Pistorius mal an seinen alten römischen Beinahe-Namensvetter Petronius denken. Dieser schrieb einmal: Wir stellen ständig um, strukturieren permanent neu, es bringt zwar nichts, aber es erweckt die Illusion des Fortschritts.

Auch sonst viel Stagnation oder gar Abbau

Von den 100 Milliarden „Sondervermögen“ für die Bundeswehr konnte derweil zugegebenermaßen noch nicht allzu viel sichtbar werden. Und der personelle Aufwuchs der Bundeswehr von 183.000 bis 2031 auf 203.000 Mann steht in den Sternen, zumal zuletzt immer mehr Soldaten wegen „Ukraine“ den Wehrdienst verweigerten und viele Längerdienende ihre Verpflichtungszeit beendeten oder verkürzten.

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Jetzt wurde obendrein bekannt, dass der Forschungsetat der Bundeswehr vom 530 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 324 Millionen im Jahr 2023 und auf dann nur noch 200 Millionen jährlich ab dem Jahr 2024 gestutzt wurde bzw. gestutzt werden soll. Das ist allein von 2022 auf 2023 ein Minus von fast 40 Prozent.

Wenn man sich anschaut, was China, Russland und die USA in militärische Forschung stecken, kann man nur noch den Kopf schütteln. Denn die Folge wird sein, dass Deutschland in Zukunft über noch weniger eigene moderne Waffensysteme verfügen wird und dann bald alles auf dem internationalen Markt einkaufen muss.

Das ist das eine. Das andere ist, dass solche Einsparungen wieder ein Beitrag zur De-Industrialisierung Deutschlands sind. Denn viele Spezialisten werden auswandern und dorthin gehen, wo man sie mit Handkuss nimmt. Firmen werden hops gehen. Nehmen wir als ein Beispiel das kleine Unternehmen Nordmetall GmbH – ein Spezialist für hochdynamisches Materialverhalten, zum Beispiel Panzerungen. Solche Firmen werden nicht überleben, wenn die Bundeswehr ihnen Aufträge entzieht. Nordmetall-Geschäftsführer Norman Herzog rechnet denn auch bereits mit einer Halbierung seiner Belegschaft.

Betroffen werden aber auch Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Institute sein. Dort erledigt man für bislang rund 70 Millionen wehrtechnische Forschungsaufträge. Die vorgesehenen Kürzungen kommen dort einem Kahlschlag gleich, insbesondere in den Bereichen, in denen Fraunhofer führend mitmischt: Optronik, Bildauswertung, Tarnung, Ballistik, energetische Materialien, neue Werkstoffe, Schutztechnologien, Radar, Elektronik, Quantentechnologien, Sensoren, IT, KI und autonome Systeme. Siehe die April-Nummer 2023 der Zeitschrift „Europäische Sicherheit & Technik / ES&T“ der Deutschen Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP).

Gute Nacht, Deutschland! Denn es kommt noch hinzu, dass die Universitäten und Fachhochschulen auch keine Forschung mehr betreiben wollen, die auch nur im entferntesten mit Militär zu tun hat. „Zivilklausel“ nennt man das – eine Verpflichtung, die fast alle Bundesländer und fast alle deutschen Hochschulen eingegangen sind. Der Weckruf „Ukraine“ hat wohl noch nicht gereicht.


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Kommentare ( 53 )

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CIVIS
1 Jahr her

Wenn man von jemandem „nichts“ erwartet hat, dann ist „wenig“ schon „viel“.

Aktuell sind wir wieder auf dem Weg ins „nichts“ ! War von einem solchen Mann aber auch nicht anders zu erwarten.

P.S.: Im übrigen kann ich diesen Herrn schon allein aufgrund seiner Innenministerposition in Niedersachsen und seiner unsäglich regiden Corona-Politik dort nicht ausstehen !

Ing. Mickl
1 Jahr her

Kriegsminister haben keine lange überlebenszeit, glücklicherweise…
…richten jedoch in dieser kurzen Periode unermesslichen Schaden an, leider…
weg mit diesem Despoten, sofort

Dieter Rose
1 Jahr her

Komisch, je weiter zurück die unsägliche Zeit liegt, desto rigoroser werden die Moralvorstellungen – dabei ist militärische Verteidigung doch nicht unmoralisch!

Schlaubauer
1 Jahr her

Dabei geht es in der Energiewende doch ständig um Wunderwaffen, die Gas, Kernkraft und Kohle ersetzen.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Zum letzten Satz des Artikels: Volltreffer.
Den Deutschen muss man offenkundig erst ihr eigenes Heim unter dem Hintern wegschießen, bevor sie zur Waffe greifen. Die heiße Herdplatte ist zwar da, sie ist aber zu weit weg, als dass hier jemand wirklich die Hitze spüren würde.
Es muss also hier knallen, nicht in der Ukraine.

Contra Merkl
1 Jahr her

Das nennt sich nicht Shooting Star sondern One Hit Wonder. Sich mal einen Parka und ne Mütze anziehen, durch den Wald mit der Truppe laufen macht halt auch noch keinen guten Verteidigungsminister. Die entscheidende Frage ist doch wurde denn jetzt mal was Zustande gebracht ? Z.B. alle Kasernen angefragt was sie an Munition brauchen und das zu Bestellungen zusammengefasst und bei der Industrie bestellt ? Wenn nicht frage ich mich wer arbeitet da überhaupt in dem ganzen Laden ? Kein Wunder wenn da keiner mehr hin will. Wer will in so einem dysfunktionalem Betrieb arbeiten und gefrustet jeden Tag heimkommen… Mehr

Oliver Koenig
1 Jahr her

50 Milliarden Euro pro Jahr (!) sind immer noch nicht genug? Obendrauf der 100 Milliarden-Wumms reicht noch nicht?
Es gibt wehrhafte Länder mit funktionierendem Militär, die mit sehr viel weniger Geld auskommen.

Ralf M.
1 Jahr her

Dass Deutschland (oder was davon noch übrig ist)stark geschwächt werden sollte, ist leider politisches Programm. Ich hoffe nur, dass Teile der BW im Notfall auf der Seite des Volkes steht.

Schlaubauer
1 Jahr her
Antworten an  Ralf M.

Die BW ist Teil der NATO und untersteht dem US-Präsidenten.

Tizian
1 Jahr her

Man kriegt den Spagat zwischen Pazifismus, feministischer Außenpolitik und milit. „Supermacht“ eben nicht hin. Zumal man neben dem Kaputtsparen der BW auch noch gleich milit. Tradition, Nationalstolz und Patriotismus ausgerottet hat, im sorgsamen Streben nach dem 2.WK den Deutschen den gefürchteten Furor Teutonicus ein für allemal auszutreiben.

rainer erich
1 Jahr her

Und wieder einmal ein Fall offensichtlich leicht übertriebener Hoffnungen angesichts einer voellig irreal ueberfrachteten Personalie. Mit Herrn P. hat „man“, genauer gesagt die Machthaber in der Ampel, taktisch durchaus klug fuer die Öffentlichkeit eine Person auf eine Position gesetzt, die selbstredend nicht in dem Maße triggert wie die Vorgaengerinnen und ( zunaechst) wenig Ansätze fuer Kritik bietet. Das war das Ziel der Veranstaltung. Ansonsten galt und gilt es, an der grundsätzlichen Entwicklung oder Ausrichtung nichts zu aendern. Es kann dahingestellt bleiben, wer, Rot oder Gruen, hier diese Ausrichtung vorgibt. Dass beide, Rot noch mehr als Gruen, mit allem, was das… Mehr