Der Bundestag redet das Problem der bezahlten Journalisten klein

Ein SPD-Abgeordneter greift die AfD als „Brandstifter“ an, weil sie die Affäre um die von Bundesministerien bezahlten Journalisten aufgedeckt hat. Ansonsten kümmert den Bundestag der Vertrauensverlust in die Vierte Gewalt herzlich wenig.

IMAGO / Christian Spicker

Wenn die AfD gegen eine Sache ist, dann muss es eine gute Sache sein. So die gängige Bundestagslogik, die sich am Donnerstag wie so häufig durchsetzte. Dabei war das Thema pikant: Denn die AfD hatte ihre eigene Enthüllung zu den von Bundesministerien bezahlten Journalisten als Aktuelle Stunde angesetzt. Martin Renner (AfD) eröffnete mit einer Rede, die die Beauftragungen einen Skandal nannte, der „für den symptomatischen Abriss vieler demokratischer Prinzipien“ stehe. Sein Hauptangriff galt den öffentlich-rechtlichen Medien, die den Vorsatz der Staatsferne nicht einhielten. Die „Meinung der Herrschenden“ werde zur „herrschenden Meinung“ gemacht, so Renner.

Im Internet zirkuliert seit Jahren ein Meme. Es handelt sich um eine Pyramide der Argumentation. An der Spitze steht die Widerlegung des zentralen Punktes, danach folgt die Widerlegung, Gegenargumentation, der Widerspruch und schließlich die Kritik des Sprachstils. Die Politiker der meisten Fraktionen entschieden sich an diesem Tag dazu, auf die Argumentation der zweitniedrigsten Stufe zurückzugreifen: ad hominem.

Journalisten auf Staatslohn
Der BND bezahlte Journalisten – doch die Offenlegung ihrer Gehälter ist „staatswohlgefährdend“
80 Prozent ihrer Redezeit verschwendeten die Abgeordneten dazu aufzuzeigen, warum es sich der AfD nicht zieme, dieses Problem anzusprechen. Die Partei, die mit „Fake News“ arbeite, rufe nun „Haltet den Dieb!“, erklärte Dorothee Bär (CDU/CSU). Erhard Grundl (Grüne) nannte den Vorstoß der AfD „brandgefährlich“, denn er leiste Verschwörungstheorien Vorschub. Nirgendwo lebte es sich für Journalisten so gefährlich wie auf AfD-Demonstrationen. Petra Sitte (Linke) erklärte, dass niemand dem Journalismus in Deutschland so feindselig gegenübertrete wie die AfD.

Zum Wortführer der Regierungsparteien stilisierte sich Helge Lindh (SPD). Die AfD geriere sich als Feuerlöscher, obwohl sie „Brandstifter“ sei. „Sie wittern hier eine Verschwörung, obwohl Sie die Verschwörungstheoretiker sind“, so Lindh. Es sei illegitim, eine Aktuelle Stunde „für einen völlig durchschaubaren Angriff“ anzusetzen, der sich gegen die öffentlich-rechtlichen Medien richte.

Dass eigentliche Thema, nämlich, dass Journalisten in den letzten fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro für Aufträge aus den Bundesministerien erhielten – Bezahlungen durch den BND nicht miteinberechnet – und damit die Frage insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Vertretern aufwirft, wie unabhängig diese wirklich sind, schliffen die Fraktionen nur am Rande.

Sitte fand durchaus auch kritische Worte, bevor sie zum Angriff auf die AfD losging. Thomas Hacker (FDP) bekannte, man müsse sich „dennoch“ mit dem Ergebnis der Anfrage befassen, man lehne jede Form von „Gefälligkeitsjournalismus“ ab: „Wenn Vertrauen in Vertrautheit umschlägt, gerät die Distanz in Gefahr.“ Den Begriff des Staatsjournalismus, wie ihn die AfD in der Aktuellen Stunde formulierte, lehne die FDP jedoch ab.

Die Uhr tickt
Journalisten auf der Staatslohnliste: Der ÖRR schweigt
Die Parteien der ehemaligen Großen Koalition dagegen machten klar, dass es gar keinen Grund zur Kritik gab. Lindh verstieg sich zur Aussage, dass Journalisten nicht nur das Recht hätten, Aufträge aus Ministerien anzunehmen, sondern dass man dieses Recht auch nicht beschneiden dürfe. Bär warf der AfD vor, sie unterstelle der Vierten Gewalt korrupte Strukturen; obwohl man durchaus kritisch fragen muss, ob eine Anfrage nicht für sich selbst spricht, und es dafür eine „Unterstellung“ irgendeiner Partei braucht.

Die Parteien erklärten das Problem des Staatslohns für die Vierte Gewalt also implizit zu einem AfD-Hirngespinst. Dabei kam die Kritik an der Staatslohnliste nicht allein aus dem Lager der AfD. Auch die Presse hat den Fall aufgenommen und kritisiert: von NZZ bis Tagesspiegel.

Bär wirft der AfD eine „Haltet den Dieb!“-Haltung vor. Aber ist es nicht eben diese Haltung, die die Parteien selbst an den Tag legen, wenn sie mit Fingerzeig auf die AfD von einem Problem ablenken, das man an anderer Stelle als solches realisiert hat? In ihrem Ansinnen, den Missstand zu verschweigen, sind die Parteien mittlerweile ganz nah beim öffentlichen Rundfunk, der die Affäre ebenfalls aussitzen will. Womöglich aus gutem Grund. Denn die Ministerien, die die Aufträge erteilen, sind seit Jahrzehnten ebenso parteilich verfärbt wie die Medien, die sie bezahlen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 42 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

42 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
ak95630
1 Jahr her

Es ist die übliche Masche der Regierung: Jeder, der Kritik äußert, soll möglichst per Definition in die braune Ecke definiert und somit disqualifiziert werden.

maps
1 Jahr her

Somit ist alles zur Nicht-Gewaltenteilung in DE gesagt!

Meyer
1 Jahr her

Ich möchte diese staatlichen Zuwendungen an Journalisten nicht beschönigen, aber da gibt es natürlich noch Schlimmeres: Gewogene Zeitungen und andere Medien erhalten regelmäßig sehr gut bezahlte Anzeigen von der Regierung. Die Sozialabgaben für Zeitungszusteller wurde vor ein paar Jahren halbiert. Die SPD hat maßgeblichen Einfluß auf viele Zeitungen und damit auch auf deren Inhalte (dies gibt es in keinem anderen westlichen Land). Aber richtig Interessant wird es, wenn man sich den enormen Ausbau des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda  Presse- und Informationsamts der Bundesregierung unter Merkel bzw. Steffen Seibert einmal genauer anguckt. Was hier für vielfältige und dubiose Verbindungen zu… Mehr

Protestwaehler
1 Jahr her

„Dass eigentliche Thema, nämlich, dass Journalisten in den letzten fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro für Aufträge aus den Bundesministerien erhielten – Bezahlungen durch den BND nicht miteinberechnet“ …achso macht man das, man finanziert korrupte Journalisten über den BND damit man die Schmiergeldzahlungen dann als „geheim“ erklären kann und keine Auskunft darüber geben muss hahaha… die halten sich wohl auch für besonders clever.
Da ist es sicher kein Zufall das man der AfD nur weniger Tage später den Zugang zum BND verweigert, wo die doch dort auf Whistleblower gehofft hatte.
Der Machtmissbrauch der polit-medialen Mafia.

Graf Geo
1 Jahr her

Mein ehemaliger Deutschlehrer bläute uns vor über 40 Jahren ein: Wer keine Argumente habe, solle sich von Diskussionen fernhalten. Das, was die Regierungsparteien nebst CDU/CSU an Diskussionskultur an den Tag legen, und zwar seit langem, ist an Schlichtheit kaum zu unterbieten. In Deutsch hätten sie bei meinem Lehrer für diesen Teilbereich (Diskussion-Argumentation) sämtlichst eine saubere 6 bekommen.

bkkopp
1 Jahr her

Könnte es sein, dass € 1.5 Mio. in 5 Jahren tatsächlich ein kleines Problem sind ? Im gleichen Zeitraum gibt die Regierung wahrscheinlich hohe dreistellige Millionenbeträge für Propaganda aller Art aus. Vielleicht wenig direkt, aber viel mehr über NGOs aller Art. Darüberhinaus deckt sie, wie die Landesregierungen und Landtage, die Propagandamaschine ÖRR.

Protestwaehler
1 Jahr her
Antworten an  bkkopp

Die 1,5 Mio. sind ja nur die Summe die freizügig eingestanden wurden… und da es diese Regierung allgemein nicht so sehr mit der Wahrheit hat, kann auch diese Zahl angezweifelt werden. Die Zahlungen, die über „NGO’s“ wie dem BND laufen, sind schließlich „Geheimsache“.

Ernst K.
1 Jahr her

Da haben die getroffenen Hunde aber laut gebellt.
Und die Reaktionen von CDU und FDP? Fehlanzeige, obwohl ihnen die kritisierten Medien nur wenig gewogen sind. Ich bin gespannt, wann diese, sich den Grünen anwanzenden Parteien begreifen, daß sie von den rot-grünen Medien untergebuttert werden.

Biskaborn
1 Jahr her

Die Blockparteien brauchen die Staatsmedien wie die Luft zum Atmen. Insofern verwundert deren Reaktion nicht im Geringsten! Trotzdem gut das die AfD das Thema in dieses Forum gehoben hat. Besonders deutlich wird erneut die Rolle der CDU, nämlich ganz nah am Grün-Roten Parteien- und Medienkartell, nix da mit Opposition! Trotzdem ist die CDU beim Wähler ganz vorn dabei! Man staunt nur noch über soviel Einfalt!

alter Preusse
1 Jahr her

Nach meiner Meinung ist schon die zur Kenntnisnahme der so genannten Leitmedien eine unangemessene Aufwertung derselben.

Michael Palusch
1 Jahr her

Helge Lindh,
wenn ich diesen Namen höre, habe ich wieder das gestellte Foto, er im Poloshirt, mit Sandsack und blütenweißen Sneakern als großer „Helfer“ im Ahrtal, vor Augen.
Helge Lindh, der Mann, dem keine Peinlichkeit zu groß, kein Satz zu dümmlich ist wenn es darum geht, in die Öffentlichkeit zu drängen, ist für mich der Prototyp des moralisch verwahrlosten Politfunktionärs.

Der Winzer
1 Jahr her
Antworten an  Michael Palusch

Das Foto, auf das Sie anspielen, entstand nicht an der Ahr. Lindh ließ sich damals in seiner Heimatstadt an der Wupper ablichten (auch dort gab es Hochwasser, aber ohne die katastrophalen Folgen wie an Erft & Ahr). Der Kollege war nie im wirklichen Katastrophengebiet … .
Tatsächlich an der Ahr als Helfer im Einsatz & abgelichtet war der damalige AfD-Fraktionsvorsitzende in RLP, Uwe Junge.

Last edited 1 Jahr her by Der Winzer