Brief zum „Brandbrief“ des DIHK-Chefs, der mindestens zehn Jahre zu spät kommt

DIHK-Chef Peter Adrian hat in einem offenen Brief der Bundesregierung mangelnde Technologieoffenheit und einen Hang zur Planwirtschaft vorgeworfen. Man fragt sich: Wieso merkt Adrian das erst jetzt? Denn was er jetzt beklagt, ist genau das, was seit Jahren bestellt wurde.

IMAGO / Political-Moments
Peter Adrian, Präsident der DIHK, Berlin, 24. Januar 2023

Lieber Peter Adrian! Gestatten Sie, dass ich lache? Nun werfen Sie als Chef der Industrie- und Handelskammer der Bundesregierung vor, sie sei nicht „technologieoffen“. Sie beklagen, die Politik des Bundeswirtschaftsministers grenze an Planwirtschaft. Sie verlangen „Vertrauen“ und, dass die großen Herausforderungen nicht auf dem Rücken der Wirtschaft ausgetragen werden mögen. Wie schön!

Darf ich Sie einmal etwas fragen? Haben Sie in den vergangenen zwanzig Jahren irgendetwas anderes gelesen als die Bilanzen Ihrer Unternehmen? Haben Sie sich irgendwann einmal die Mühe gemacht, in die Parteiprogramme der Grünen zu schauen? Haben Sie das „Werk“ des großen Transformationsgurus Klaus Schwab gelesen, zu dem auch die Vertreter der Wirtschaft regelmäßig ehrfurchtsvoll pilgern? Haben Sie irgendwann einmal in die Zentralorgane der grünen Ideologen geschaut, die es regelmäßig an jedem Kiosk zu kaufen gibt? Lassen Sie sich gelegentlich von den Indoktrinationssendungen der öffentlich-rechtlichen Medien berieseln?

Offensichtlich nicht. Denn wenn es so wäre, dann müssten Sie jetzt keinen „Brandbrief“ an die Bundesregierung schreiben. Dann wüssten Sie, dass all das, was gegenwärtig vor allem im Haus des Wirtschaftsministers ausgebrütet wird, selbstverständlich nichts anderes ist als der gezielte und konsequent beschrittene Weg in die Planwirtschaft. Und dass es nicht nur an Planwirtschaft grenzt.
Okay, der Minister hat ihnen das vielleicht noch kürzlich als „ökologische Marktwirtschaft“ verkauft. Aber im Ernst: So naiv, nicht zu begreifen, dass bei dieser Wortkreation das Einsprengsel „Markt“ nur ein wenig Baldrian zur Beruhigung Ihrer Nerven ist, können doch selbst die Wirtschaftsbosse nicht sein.

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Selbstverständlich geht es um Planwirtschaft. Die deutsche Industrie und der Mittelstand sollen das tun, was die grüne Politik will. Tun sie es nicht freiwillig, dann werden die Daumenschrauben angelegt. Geht es den Akteuren nicht schnell genug, hagelt es Verbote und Vorschriften.

Sie Herr Adrian, befürchten, dass dabei die Industrie auf der Strecke bleibt? Ich bitte Sie! Es stand doch bereits im 1990er-Wahlprogramm der Grünen, dass deren Politik letztlich auf die Deindustrialisierung der Bundesrepublik hinauslaufen soll. Haben Sie das nicht gelesen oder nicht verstanden? Oder haben Sie es sich nicht vorstellen können?

Es scheint so, wenn selbst international agierende Wirtschaftskapitäne zum Klima-Kotau bei irgendwelchen dahergelaufenen Schulmädchen antreten, um sich dort abkanzeln zu lassen, statt ihr Gehirnschmalz darauf zu verwenden, wie das eigene Unternehmen auch ohne grüne Verbotspolitik und Zukunftspanik umweltfreundlich und gleichzeitig erfolgreich sein kann.

Nein, Herr Adrian, über Ihren Brandbrief kann ich nur lachen. Das, was Sie beklagen, ist nicht der Irrlauf eines aus dem Ruder geratenen Bundesministers. Das, was Sie beklagen, ist genau das, was Sie und zahllose andere seit Jahren bestellt haben. Indem sie die Grünen verharmlost haben, vielleicht darauf hofften, dass mit dem Amt auch die wirtschaftliche Vernunft käme.

Jetzt wundern Sie sich darüber, dass grüne Politik an die Substanz der deutschen Wirtschaft geht? Ganz ehrlich: Das nun wiederum wundert mich! Denn es wäre ja auch nicht so, dass davor nicht seit langer Zeit gewarnt worden wäre. Nur eben nicht in den zwei oder drei Medienausschnitten, die Ihnen ihre Presseabteilung morgendlich in die Mappe legt.

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Ganz im Gegenteil. Statt der grünen Deindustrialisierungs- und Verbotspolitik etwas entgegenzusetzen, haben Sie Ihren eigenen Niedergang noch selbst finanziert. Beispielsweise durch Spenden, mit denen die Unternehmen die Grünen beglückt haben in der Hoffnung, dass die, wenn sie dann die Macht übernehmen, es gut meinten mit ihnen. Wie naiv! Oder auch mit Ihren Anzeigenkampagnen, mit denen Sie die gegen Sie und Ihre Interessen gerichtete Propaganda in den früher einmal objektiven Medien finanzieren. Haben Sie überhaupt nicht bemerkt? Nun, ich wiederhole meine Frage: Haben Sie in den vergangenen zwanzig Jahren irgendetwas anderes gelesen als Ihre Bilanzen? Wenn es so wäre, dann hätten Sie doch längst begriffen haben müssen, dass Sie die Totengräber Ihres Erfolgs ernähren. Und glauben Sie allen Ernstes, dass Sie irgendetwas ändern werden dadurch, dass Sie nun einen etwas ärgerlichen Brief an den Bundeskanzler schreiben?

Nein, so etwas schreckt Leute nicht, die eine klare Agenda des gesellschaftlichen Umbaus vorantreiben. Weshalb Sie, lieber Herr Adrian, vielleicht auch verstehen sollten, dass diese von Ihnen beklagten Nicklichkeiten erst der Anfang sind. Was Sie auch hätten wissen können, wenn Sie sich irgendwann einmal ernsthaft mit dieser neomarxistischen Bewegung, die sich als „Grüne“ bezeichnet, beschäftigt hätten.

Insofern: Gestatten Sie, dass ich lache. Darüber, wie naiv Sie sind. Darüber, dass Sie offenbar immer noch glauben, es gäbe ein grünes Interesse an einer erfolgreichen, unabhängigen Industrie. Darüber, dass Sie anscheinend immer noch der Illusion anhängen, dass bei den Grünen das Wohl Deutschlands und der Deutschen die Agenda bestimmen. Und darüber, dass Sie, lieber Peter Adrian, nun diesen Brief geschrieben haben und anscheinend erwarten, damit irgendjemanden zu dem bringen zu können, was Sie für Vernunft halten.

Nein, können Sie nicht. Die Grünen möchten eine deindustrialisierte Welt – und das, was an Industrie dennoch unverzichtbar ist, hat nach der Pfeife grüner Fantasten zu tanzen. Je eher Sie, Herr Adrian, das begreifen, desto besser. Wobei es eigentlich schon zu spät ist. Denn Sie und Ihre Industriekapitäne haben doch fröhlich mitgespielt. Und ich bin ganz sicher: Sie werden es auch weiterhin tun.

Also stecken Sie Ihren Brief wieder ein. Er kommt mindestens zehn Jahre zu spät. Und kratzt zudem nicht einmal an der Oberfläche.

Herzlich
Ihr Tomas Spahn


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Kommentare ( 83 )

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Michael M.
1 Jahr her

??? Herzlichen Dank Herr Spahn, jeder Satz ein Volltreffer. ???
Wo kann/soll ich unterschreiben?

Last edited 1 Jahr her by Michael M.
amendewirdallesgut
1 Jahr her

Die Industrie ist nicht weg , sie ist nur wo anders , Kalkutta auch !

Johann Thiel
1 Jahr her

Das war gut, richtig gut, lieber Herr Spahn. So siehts aus. Aber leider müssten Sie Ihren Brief in abgewandelter Form nicht nur an den Großteil der Deutschen, sondern an alle Europäer schicken.

Ich bin kein Freud „Europäischer Lösungen“. Aber eine gäbe es dann doch, die ich mit aller Leidenschaft herbeisehne: Die Auflösung der EU. Die einzig wirksame Methode, den marxistischen Sumpf in Europa auszutrocknen.

Wer diese Notwendigkeit nicht sieht, ist genauso Naiv wie der gute Herr Adrian.

Kralle Krawinkel
1 Jahr her

heute ist Generalstreik in Frankreich. Rien ne vas plus – jeder bleibt zu Hause und Kraftstoff wird aktuell zur Mangelware. Maccarönchen verweilt auf Afrika-Reise und wird dann herzlichst zu Hause empfangen.
So geht Widerstand. Dafür Grüner Endsieg in D.
Der Brandbrief ist eine Farce, aber was soll´s – die Konzerne wittern Subventionen, wenn sie brav mitmachen. Kommandowirtschaft in den Abgrund.

Last edited 1 Jahr her by Kralle Krawinkel
Bonzo der Grosse
1 Jahr her

Adrian ist Teil des Systems und damit mitschuldig am Niedergang. Ich habe aus der Wirtschaft noch nie Stimmen gehört, die irgendeine der von der Politik ausgeheckten Wenden als das bezeichnen, was sie sind: Schwachsinn! Es gab nicht einmal einen Hauch von Kritik, sondern stets vorauseilenden Gehorsam. Insbesondere gegenüber der „konservativen“ Frau Merkel herrschte beredtes Schweigen aus der Wirtschaft. Leute wie Josef Käser aka Joe Kaeser oder der unsägliche Herr Diess sägten doch an vorderster Front am industriellen Ast Deutschlands. Jetzt den Kritikus zu mimen, ohne die ganzen Fehlentwicklungen deutlich beim Namen zu nennen – und es ist nicht die Technikfeindlichkeit… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Der liebe Herr Adrian und seine Kollegen haben jahrelang das grüne Krokodil gefüttert, in der Hoffnung, nicht gefressen zu werden. Jetzt sperrt das Krokodil den Rachen auf, um die Herrschaften samt Anhang zu verschlingen und schon geht das große Zittern und Lamentieren los. Beim Allgemeinzustand unseres Gemeinwesens wundert es mich nicht, dass Figuren wie Adrian in höchste Positionen aufsteigen. Wer dermaßen ausdauernd gegen die Interessen derer agiert hat, die er eigentlich vertreten sollte, der muss sich nicht wundern, wenn seine lächerlichen Brandbriefe als das rüberkommen, was sie sind: Dokumente beispielloser Verblödung. Aber vielleicht konnte und durfte er gar nicht anders,… Mehr

amendewirdallesgut
1 Jahr her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Alle haben zugesehen als man das Kind in den Brunnen geworfen hat , ob Bildung Kernkraft Textil Auto Solar und wer weiß ich noch Industrie und jetzt wird gejammert daß es nicht wieder auftaucht , bei uns im Handwerk sieht die Situation bei den Interessenvertretern ähnlich aus alle hoffen daß die DEMOKRATISCHEN Parteien (auch hier werden die undemokratischen natürlich nicht zu Wort kommen gelassen dabei sind sie im Giftbrunnenschwimmen Spitzenklasse) , nicht nur verständnissvoll zuhören sondern endlich mal in den vergifteten Brunnen springen . Aber dafür braucht es erst mal E..r. ; ist ja bald wieder Ostern .

R.Baehr
1 Jahr her

Was soll der Herr Adrian sein? Chef? Eine Tragödie, was hier im Land für Totalversager in den höchsten Stellen und Ämtern sitzen. Dieses Land geht völlig zu Recht den Bach hinunter, wer über Jahrzehnte solche Figuren installiert und gewähren lässt, hat es nicht anders verdient. Man möchte gar nicht glauben wie hier im Land Unfähigkeit honoriert und bezahlt wird. Da verstehe ich die Jugend, für was noch etwas lernen, wenn dann so etwas wie dieser Herr Adrian dabei rumkommt.

Bad Sponzer
1 Jahr her

Danke Herr Spahn! Sie haben mir aus der Seele gesprochen. Kein Blah Blah mehr, sondern Tacheles. Aber ich glaube nicht, dass in diesen Schleimerhirnen noch irgendwas zu retten wäre. Die haben alle zu lange mitgemacht. Wie damals bei den Nazis. Immer das gleiche in diesem obrigkeitshörigen unterwürfigen Deutschland. Guckt nach Indien, wie sie der feministischen Trampolinstringerin aus der BRD eine Abfuhr erteilt haben (Annalena allein zu Haus). Während Lawrow mit dem ganzen Pomp empfangen wurde, steht Annalena allein auf dem Flugfeld rum (ihr Kommentar:Unverschämtheit) Hahahaha! So macht man das mit grünen Spinnern! Dann fängt auch ein grünes Hirn mal an… Mehr

Sun Zhongshan
1 Jahr her

Den Brief an Herrn Adrian könnte Herr Spahn auch an die meisten Vorstandsvorsitzenden deutscher Industrieunternehmen schreiben. Z. B. an die „Herren“ der Stahlindustrie, in welcher ich arbeite. Schöne bunte Schaubilder zeigen den Mitarbeitern und der Politik (schließlich will man noch genügend Subventionen abgreifen), wie die Stahlindustrie schon bald „grünen“ Stahl herstellen wird. Das es bis jetzt weder die nötigen Anlagen gibt, noch genügend günstiges Gas um grauen Wasserstoff herzustellen (so als Übergang geplant) und erst recht nicht ausreichenden „grünen“ Wasserstoff aus Windenergie (Schätzung der Stahlindustrie: 150 TWh, 2022 erzeugt: 123 TWh) spielt alles keine Rolle. Die grünen Fantasien deutscher Vorstandsvorsitzender… Mehr

jensberndt
1 Jahr her

Was soll ich von einem graugesichtigen unwichtigen Männlein wie Herrn Adrian halten? Der ist genau wie sein sein Kollege von der Handwerkskammer eher Teil des Problems als der Lösung. Wer sich einmal mit dem Wahlprocedere zu diesen Gremien befasst hat, der weiß doch ganz genau, dass diese Leute nur Feigenblätter sind, aber keine wirksame Interessensvertretung. Diese Leute kassieren Zwangsbeiträge, unterhalten ihren Bürokratenapparat, verschicken Briefe, die niemanden interessieren und reden konsequent um den Kern der Sache herum. Wenn es dann darauf ankommt, werden die Damen und Herren Gastredner höflich beklatscht, kritische Stimmen werden unterdrückt, Blümchen werden überreicht und bunte Bildchen geknipst.… Mehr