Vorspiel im Bundestag zur erneuten Selbstentmachtung

Ob Merkel-GroKo oder Scholz-Ampel: Der beginnende Winter erinnert allzu sehr an den vorherigen. Auch die Ministerpräsidenten-Konferenz als oberste Instanz ist wieder da. Das legislative Paket von Rot-Grün-Gelb gibt den Ländern am Ende freie Hand bei der Pandemiepolitik.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Man glaubt sich in den letzten Winter zurückversetzt. Nach dem letzten Lockdown-Winter wollte man einiges gelernt haben: Einen Lockdown sollte es nicht mehr geben, hieß es. Die Inzidenz sollte nicht mehr der Maßstab sein, hieß es. Und die Corona-Ministerpräsidentenkonferenz sollte eigentlich auch schon ein Relikt vergangener Zeiten sein. Totgeglaubte leben länger! Dieser universelle Satz gilt derzeit auch für die Coronapolitik von Bund und Ländern in Deutschland.

Nun treten am morgigen Donnerstag die Regierungschefs von Bund und Ländern wieder zum Corona-Gipfel zusammen. Nach Wochen, in denen die Ampel ihren großen Gesetzesentwurf anteaserte, ist das überraschend: Die Kungelrunde sollte es doch eigentlich gar nicht mehr geben, tönte zumindest das gelbe Ampellicht FDP noch vor der Wahl. Ihr Wunschkanzler sieht das anders: Olaf Scholz will mit Noch-Kanzlerin Merkel und den Landesvertretern konferieren. Dabei sollte doch, so erklärte zum Beispiel FDP-Spitzenparlamentarier Marco Buschmann vor wenigen Wochen noch großspurig, die Corona-Macht dank Ampel-Entwurf „zurück“ in die Hände des Bundestages gelegt werden – als ob sie dort jemals wirklich gewesen wäre. Keine epidemische Lage und Exekutivorgien mehr, stattdessen direkte Parlamentsbeschlüsse mit Debatten und allem, was dazu gehört.

Die Exekutivorgien finden jetzt trotzdem statt, und die Ampel macht mit. Die SPD-Ministerpräsidenten sollen noch skeptisch gewesen sein, doch fallen sie jetzt hinter soon-to-be-Bundeskanzler Scholz ins Glied. Die Union will die Ministerpräsidentenkonferenz ohnehin, um Söder und den anderen Unionsministerpräsidenten eine Corona-Bühne bieten zu können. Laut Bild wollen diese morgen vor allem durchsetzen, dass die Maßnahmen in erster Linie Ungeimpfte betreffen, „um den Eindruck zu vermeiden, dass der Impfstoff nicht helfe“.

Der große Ampel-Entwurf wird trotzdem am gleichen Tag mit viel Tätäretä im Bundestag beschlossen. Das ganze Theater wirkt politisch arg schizophren – wer entscheidet jetzt eigentlich, was Sache ist? 

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Die Antwort? Die Ministerpräsidenten. Und daran ändert auch der Ampel-Entwurf herzlich wenig. Denn das legislative Paket von Rot-Grün-Gelb legt zwar einen zögerlichen Rahmen für Maßnahmen fest, gibt den Ländern am Ende aber doch freie Hand bei der Pandemiepolitik. Lockdowns – für Ungeimpfte – sollen die Länder frei verhängen können, auch einen für alle teasert so mancher Regierungschef schonmal an. Die Länder haben wieder die Gestaltungsmacht – und bringen schon eilige Regelverschärfungen auf den Weg. In Baden-Württemberg haben ab diesem Mittwoch nur noch Geimpfte und Genesene (2G) Zugang zu Museen, Restaurants und vielen Veranstaltungen. In Hamburg dürfen Ungeimpfte ab Samstag unter anderem nicht mehr in Bars, Restaurants und Clubs. Thüringen beschloss eine 2G-Pflicht für weite Teile des öffentlichen Lebens, in Nordrhein-Westfalen soll sie flächendeckend für Erwachsene im Freizeitbereich kommen. Sachsen und Schleswig-Holstein haben bereits neue Kontaktbeschränkungen beschlossen. Der gemeinsame Rahmen für das alles wird dann am Donnerstagnachmittag gefunden werden – kurz nachdem die Entscheidungsfindung angeblich zurück in die Hände des Parlaments gelegt worden war. Das Vorspiel im Reichstagsgebäude wäre aber nichts weiter als eine erneute Selbstentmachtung – quasi eine epidemische Lage ohne das Etikett „epidemische Lage“. Same Shit, different Label.

Doch nicht einmal dazu könnte es am Ende kommen. Denn am Mittwoch kündigten die unionsgeführten Bundesländer sogar die Blockade des Ampelgesetzes an: Söder und Co wollen das Auslaufen der epidemischen Lage verhindern. Dies wäre angesichts der aktuellen Situation nämlich „unverantwortlich“, warnt Wüst in dem Schreiben. Deshalb sei der Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung aus Sicht der Unionsländer im Bundesrat „nicht zustimmungsfähig“. Sollten die Länder mit ihrer Blockadehaltung ernst machen, dürfte der Ampel nichts anderes übrig bleiben, als sich dem Druck der Union zu beugen und weiterhin mit der „epidemischen Notlage“ zu arbeiten. Das Ergebnis wäre am Ende nicht wirklich anders.

Wie auch immer: Am Ende kehrt Altbekanntes zurück, um uns zu plagen. Ein Lockdown-Winter, der in undemokratischen Kungelrunden verhandelt, verhängt und verlängert wird. Vorerst nur für die Ungeimpften – aber vielleicht dürfen bald auch die „2G-Menschen“ den „Wellenbrecher-Lockdown“ aus 2020 wieder erleben. Ein Positionspapier von Wissenschaftlern um die Merkel-Beraterin Viola Priesemann, auf das sich die Bundesregierung bereits bezieht, legt genau das dar: Mit einem als „Not-Schutzschalter“ betitelten Mega-Lockdown für alle sollen Infektionszahlen im Zweifel stark gedrückt werden. Maßgeblich dafür und wieder voll im Trend: das Instrument der Inzidenz, das man eigentlich schon begraben haben wollte.

In der öffentlichen Debatte wird wieder damit gearbeitet, zum Beispiel, wenn Medien die angebliche Inzidenz bei Geimpften mit der von Ungeimpften vergleichen. Welche Aussagekraft die Inzidenz einer kaum getesteten Bevölkerungsgruppe hat, ist natürlich egal – es geht um Horror-Vergleiche, um zum Impfen anzuregen. Sollten sich Konzepte wie 2GPlus durchsetzen, müssen sich auch Geimpfte und Genesene wieder testen lassen – und werden über den plötzlichen Anstieg der Inzidenz bei ihnen ganz erstaunt sein. Gemeinsam mit den über das letzte Jahr stetig reduzierten Intensivbettenkapazitäten zeigen die Zahlen dann „eindeutig“ in Richtung Lockdown. Ob Merkel-GroKo oder Scholz-Ampel: Am Ende bleibt eben alles so, wie es ist.

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Kommentare ( 63 )

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Stefferl
3 Jahre her

Die Sache ist erschreckend einfach: unsere Politiker haben Blut geleckt. Nie konnte man seiner Machtgier so unverfroren und einfach nachgehen, wie unter Corona-Zeiten. Mir ist nur schleierhaft, wieso sich immer noch viele Menschen über Despoten aufregen, wo doch unsere Politiker genau die gleiche Politik betreiben – natürlich im Namen des Guten.

Bernd Schulze sen.
3 Jahre her

Sachsen Ministerpräsident hat drei Stunden und 10 Minuten mit Topmedizinern und anderen Topexperten sich ausgetauscht. Diese Toilette sind keine Toilette, denn wie kann ein Professor ungeprüft, ohne Schlüssige Beweise der Wirkung und angesichts der Nebenwirkungen ein Gen Medikament Lobpreisen. Für mich ist er kein Topmediziner sondern wie eine Fahne im Wind mit Dollarzeichen in den Augen. Warum wird die Behandlung von Coronapatienten besonders vergütet. Es gibt weitaus gefählicher Virenerkrankungen ohne das die eine besondere Aufmerksamkeit bekamen oder es eine Sondervergütung gegeben hat. Sind Die meisten dieser Toilette wie sie genannt werden, nicht von den Landesregierung finanziell abhängig. Widerspricht man dem… Mehr

Edmund
3 Jahre her

Die Inzidenz bezieht sich üblicherweise auf 7 Tage = 1 Woche!
Bei den offiziell 5 Millionen Genesenen / Gesamtinfektion seit Beginn kommt man auf 6% bzw. eine Gesamtinzidenz von 6.000. Bis jetzt.

Peter Gramm
3 Jahre her

wenn man sich die Debatte im Bundestag ansieht – nur noch peinlich. Erinnert ein bisschen an Theater im Kindergarten. Diejenigen die mit Deutschland nicht viel anfangen können haben sich in hohe Staatsämter gemogelt. Gruselig diese Zeitgenossen. So lange man aber auf der Nehmerseite ist kann man sch diese landesfremde Einstellung leisten. Die Geber finanzieren diese Nehmer mit ihren mehr als befremdlichen Einstellungen.

Maja Schneider
3 Jahre her

Es ist nur noch alles aberwitzig bis irre!. Die Schlange beim Psychotherapeuten wird vermutlich immer länger, weil die Menschen vielfach dieses ganze Politspektakel, und vor allem die Folgen, weder psychisch noch physisch kaum noch aushalten, zumindest die, die sich dessen bewusst sind, was hier veranstaltet wird. Die Anderen sind sicher die Glücklicheren! Ob es ihnen am Ende wirklich besser geht, sei dahin gestellt, über das Thema sprechen lehnen die meisten von ihnen ohnehin ab.

Nigella
3 Jahre her
Antworten an  Maja Schneider

Sprechen wird überbewertet. Ich kommuniziere seit mehr als 1,5 Jahren nur noch mit meinem Hund. Und den Gefallen Suizid tue ich denen schon aus Gehässigkeit nicht.

Edmund
3 Jahre her

„Soviel Rückgrat wie ein Gummibärchen“ – Das trifft es immer wieder am besten. Wobei Günther aus S-H wohl keine Lust mehr zum MPK-Theater hat.
Der Impfstoff verliert sehr schnell die Wirkung. Die entsprechende schwedische Studie (Preprint), veröffentlicht am 25.10. in „The Lancet“, hat jetzt endlich die Aufmerksamkeit der deutschen MSM gefunden.
Zusätzlich gibt es noch eine Studie aus UK.
Hier werden beide Studien diskutiert.

Nigella
3 Jahre her
Antworten an  Edmund

Mir erschien das schon lange logisch. Der Körper wird gezwungen, Virenbestandteile selber zu produzieren und sie dann zu bekämpfen. Daß der Körper diesen Irrsinn so schnell wie möglich loswerden will, ist eine gesunde Reaktion.

schwarzseher
3 Jahre her

Immerhin hatten die Deutschen die Wahl zwischen Olaf Merkel, Annalena Merkel, Armin Merkel und Christian Merkel. Auch ein Marcus Merkel hätte nichts geändert und ein eventueller Friedrich Merkel wird ebenso wenig ändern, da er schon bei seiner Bewerbungsrede dies kategorisch ausgeschlossen hat.

Nigella
3 Jahre her
Antworten an  schwarzseher

Super Beitrag – genauso ist es!

ktgund
3 Jahre her

Für die FDP gibt es bei dem Thema nichts zu gewinnen, daher schiebt man die Verantwortung lieber an die Ministerpräsidenten, um selbst aus der Schusslinie zu sein. Das Problem ist doch, dass niemand Verantwortung übernehmen will, die neue Regierung schon erst recht nicht. Auch die FDP war nie eine Partei der Freiheit, ich erinnere nur daran, dass MASZ Maskenträgerin der ersten Stunde ist und ein Martin Hagen, der selbst lange als U-Boot in der libertären Szene unterwegs war, glaubte, er müsse Statistikern erklären was „exponentielles Wachstum“ ist, obwohl er selbst nicht einmal die Grundrechenarten beherrscht. Würde die neue Bundesregierung das… Mehr

Dorn
3 Jahre her

Ich geh mal nicht davon aus das man am 20.Juli 1991, als der Hauptstadtbeschluss beschlossen wurde, das 30 Jahre später ein Parlament im Reichstag sitzen würde das jenes von 1933-45 zu aller „Ehre“ reicht. Obwohl ganz so sicher kann man da nicht sein, schließlich gab es da schon längst einen Wolfgang Schäuble sowie eine gewisse Dr. Angela Merkel. Es fehlt nur noch dass das Parlament anfängt vor jeder Sitzung zu singen. Stichwort „teuerster Gesangsverein Deutschlands“. Da kann man aber noch frohen Mutes sein.

Last edited 3 Jahre her by Dorn
rainer erich
3 Jahre her

Koennte es sein, dass die Vorzeichen, die man bereits im Maerz 2020 und danach immer deutlicher sehen konnte, tatsaechlich Realitaet wurden, dass “ Corona“ , wie von einigen Politikern auch offen eingestanden, nun den Weg zur Systemumstellung und zur Neudefinition der Grundrechte eröffnet hat? Koennte es sein, um es zu präzisieren, dass die Machthaber mit der bisherigen Form und Verfassung etwas unzufrieden waren, mit der Kontrolle qua Gewaltenteilung und mit der lästigen Einklagung von Grundrechten als permanente Hindernisse der Machtausuebung? Koennte es sein, zumal nach Allem, was man heute weiss, dass es nicht um Corona und die Rettung von zig… Mehr