7.000 Zuschauer von 50 Millionen in 90 Ländern applaudierten per Live-Zuschaltung aus der ganzen Welt lautstark mithilfe ihrer Smartphones. Der Applaus wurde über sechs Server via Lautsprecher im Musikverein eingespielt. Ein Modell für den Ersatz von Publikum live überhaupt?
Natürlich hätte es das Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins mit dem Neapolitaner Riccardo Muti als Dirigent auch mit Saalpublikum geben können. »Hausherr und Intendant Stephan Pauly hat dazu eine klare Meinung: „Dank unseres Sicherheitskonzepts hat es während der Öffnung der Konzertsäle im September und Oktober 2020 unter 25.000 Besuchern keinen einzigen Corona-Fall gegeben.“«
Aber wo Vernunft gefragt wäre, regiert der Gießkannen-Lockdown auch bei dem Traditionsereignis, das vom ORF aus über Eurovision in alle Welt ausgestrahlt wird. Was auch schon erklärt, dass es auf die sonst leibhaftigen 2.000 Gäste nicht in erster Linie ankommt – ORF-kommerziell jedenfalls. Der ORF hat die Produktion und Übertragung der Neujahrs- und Sommernachts-Konzerte der Wiener Philharmoniker kürzlich mit dem Orchester vertraglich um fünf Jahre bis 2027 verlängert. Der ORF verdient da völlig legitim richtig viel Geld.
— Lou Lorenz (@lou_lorenz) January 1, 2021
Wie sich das im Programm liest, mutet schon mehr als fremd an: „Aufgrund des fehlenden Publikums werden die Stücke im Block-System sowie ohne Pause gespielt.” Aber dem ORF ist etwas eingefallen. ORF-General Alexander Wrabetz:
„Wir haben eine interaktive Initiative gestartet, als Ausdruck der höchsten Wertschätzung für das Orchester und Dirigent Riccardo Muti sowie als Geste des Miteinanders. Es wird den gebührenden Live-Applaus somit geben.“
Politiker-reife Formulierung, Herr Wrabetz, aber ein ORF-Chef braucht auch alle Eigenschaften des heutigen Berufspolitikers.
Auf www.mynewyearsconcert.com hatten sich seit Anfang Dezember noch viel mehr Leute weltweit registriert als erwartet, um am Ende der beiden Konzerthälften digital zu applaudieren. 7.000 Zuschauer von 50 Millionen in 90 Ländern applaudierten per Live-Zuschaltung aus der ganzen Welt lautstark mithilfe ihrer Smartphones. Der Applaus wurde über sechs Server via Lautsprecher im Musikverein eingespielt.
Wir Zweisiedler (meine bessere Hälfte und ich) haben uns das Neujahrskonzert fast jedes Jahr angehört, lange zusammen mit ihren Eltern, und dabei auf das Neue Jahr angestoßen. Riccardo Muti hatte dieses Mal einige Stücke dabei, die wir noch nicht kannten, aber nach jedem warteten wir unbewusst auf die spontane Antwort des Publkums, die nicht kam. Ich bin sicher, dass es vielen anderen „da draußen an den Bildschirmen” (Politiker-und-Journalisten-Deutsch) genau so erging. Ohne Publikum lebt die Aufführung von der Routine von Berufsmusikern, aber auch ihnen fehlt es zum Ansporn der besonderen Anstrengung. Vor leerem Saal spielen, mutet an, wie Speisen ins leere Restaurant servieren.
Auf die Idee mit dem virtuellen Applaus ist im Unterschied zum ORF das ZDF bei seiner Geistershow vor dem Brandenburger Tor nicht gekommen, für die es vom Berliner Senat ohneweiteres eine Publikums-Genehmigung erhalten hätte. Ein wie auch immer gearteter Vergleich der zwei Veranstaltungen liegt mir fern. Aber waren am Ende beide Sender an „richtigem” Publikum gar nicht interessiert? Weshalb ich in meinem Text über die Mainzer schrieb:
Wo sich die Classe Politique anschickt, den Lockdown genannten Großangriff auf Freiheit und Recht das ganze Jahr 2021 zu verlängern, ist das ZDF-Spektakel vor dem Brandenburger Tor ein unübersehbares Signal auf das, was überall Schule machen kann: Ein öffentliches Leben ohne Bürger, ihnen werden nur noch Abziehbilder vom veranstalteten Leben auf den Bildschirm geliefert.
Von uns am Berg schauen wir Zweisiedler über den eigenen Ort unten auf mehrere Dörfer die gegenüberliegenden Berge entlang. So viel Feuerwerk wie zu diesem Jahreswechsel gab’s rundherum noch nie, so gut wie keine Böller, aber viel sehr schönes Feuerwerk. Wir zwei verstanden es als die Botschaft der Bürger, länger lassen wir uns nicht mehr einsperren.
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Ich bin mir nicht sicher ob, die Mehrheit der Zuschauer bemerkt hat, dass die Veranstaltung für eine ideologische Politik missbraucht wurde. Sowohl Muti als auch die Kommentatorin wünschten eine “ Bessere Gesellschaft“. Als hätten wir zur Zeit eine schlechte!!
Dies sollte wohl ein Hinweis auf die bevorstehende „Grosse Tranformation“ der Gesellschaft im “ Kultur-Marxistischen“ Sinne sein
So ernst, wie Muti in die Kamera schaute und wie er über das Fehlen der Freiheit sprach, wie er Musik zu „Gesunderhaltung“ und Erweiterung des Verstandes erwähnte, habe ich das in ganz andere Richtung verstanden.
Es sind ja nicht nur er und dieses Orchester, dem Engagements entgehen. Alle Bühnen sind unbespielt und bis hinunter zu Kinderorchestern und Chören greift der lange Arm der Politik und verhindert das gemeinsame Erlebnis, wenn durch alle Beteiligten bis hin zum Publikum so etwas Großes wie eine Aufführung immer wieder neu und anders entstehen kann.
Ja, Sie haben sicherlich recht. Ich habe dies wahrscheinlich zu verschwörungstheoretisch betrachtet.
Man muss leider feststellen das die Irren heute Doktorkittel tragen und die Anstalt übernommen haben.
Lieber Herr Goergen, vielen Dank für Ihren fast schon nostalgisch anmutenden Kommentar des diesjährigen Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker! Aber der „Neuen Realität“ kann sich offenbar auch eine Institution wie dieser kulturelle Publikumsmagnet nicht entziehen, heraus kommt dann ein Trauerspiel wie dieses! Uns ist seit über 15 Jahren (seitdem unsere Tochter im Sacher ihre Ausbildung zur Hotel- und Restaurantfachfrau absolvierte) diese wunderschöne Stadt an der Donau ans Herz gewachsen und deshalb gehörte auch dieses Konzert seitdem zum Fernseh-Pflichtprogramm am Neujahrstag, immer begleitet von einem leckeren Festtags-Menü am heimischen Wohnzimmertisch. In Vorausahnung des diesjährigen Ablaufs der Veranstaltung haben wir erst gar nicht… Mehr
Eine Familientradition – am Neujahrstag das Neujahrskonzert aus Wien. Am 01.01.2021 allerdings wurde offenbar, was an diesem Neujahrskonzert so besonders war. Das Fehlen des begeisterten Mitklatschens des Publikums zum Radetzkymarsch zeigte, wie seelenlos eine Musikveranstaltung werden kann, wenn kein Mensch dabei ist, der im Überschwang seiner Begeisterung nicht mehr an sich halten kann. Live ist eben immer anders. Und ohne Menschen, die direkt dabei sind, wirkt alles nur noch fade und beliebig austauschbar. Da kann die belebende Musik bei solch einer Veranstaltung auch nicht mehr viel retten. Ich hätte zumindest beim abschließenden Radetzkymarsch eine Einblendung aus dem Jahreswechsel 2019/2020 vorgenommen.… Mehr
Riccardo Muti zum Nachhören hier ab 2:09:00: https://www.youtube.com/watch?v=apUtLa5bOtQ
Seit Jahrzehnten gehört das Neujahrskonzert der Wiener zu unserem Pflichtprogramm, kein einziges haben wir versäumt, waren immer begeistert. Dieses Jahr haben wir darauf verzichtet, um die Rede von Herrn Muti tut es mir leid, aber die Politk hat uns Weihnachten und Silvester genommen, dann kann man nicht so tun, als wäre alles wie immer. Auch für die Künstler ist es doch unerträglich, vor leeren Rängen zu spielen, von Atmosphäre kann trotz aller Bemühungen doch gar keine Rede sein. „Hoch lebe die Digitalisierung“! Bleibt nur zu hoffen, dass endlich immer mehr Menschen merken, was ihnen an Lebensfreude und Lebenszeit und Freiheit… Mehr
Bei uns am Bodensee hat’s auch ordentlich geböllert.
Da haben wohl viele schon in weiser Voraussicht im Juli August-Feuerwerk in der Schweiz erstanden.
Das Haus wurde von den Erbauern für uns, für echte Menschen gebaut, der leere Saal hat mir die Tränen in die Augen getrieben, wenn das unsere Zukunft sein soll, ist sie für digitale Zombies gemacht, nicht für reale Menschen, ein Trauerspiel.
Als Kind las ich ein altes Buch meines Vaters, da wurde der tote, konservierte Chinesische Kaiser täglich mit der Kutsche durchs Land gefahren, damit das Volk nicht unruhig wurde und die Hintermänner weiterregieren konnten.
Müssen wir hier auch mit sowas rechnen??
Das Fernsehen zeigt ja nur noch Konserven, wer weiß ob die Nachrichten nicht auch schon übers Verfalldatum sind.
Ich traue mich schon gar nicht mehr in die Altstadt mit den geschlossenen kleinen Geschäften. Die toten Augen machen mir Angst.
Keine Böller, kein Publikum? Es geht auch anders, guckst du hier:
https://m.youtube.com/watch?v=7rGT-IIl4-s
Gut, das Publikum saß in einigem Abstand auf den Hotelbalkonen, aber es war da, in echt, nicht nur virtuell. Und für Klassikfans war das wohl nichts. Es soll auch nur ein Beispiel dafür sein, dass es auch anders geht als in unserem traurigen Land. Dazu muss man heute aber anscheinend so einen arabischen Gottesstaat besuchen.