Egal, ob Schwarz mit Rot oder Grün: Eine Regierung des Missvergnügens kommt über uns. Bestenfalls wird aus Deutschland Österreich.
Warum gibt es in Österreich keine Arbeitslosigkeit? Weil jeder Job dreifach besetzt ist – mit einem Schwarzen, einem Roten und einem Dummen, der die Arbeit macht. Das ist Wiener Schmäh, gekeltert aus der lähmenden Nachkriegserfahrung mit großen Koalitionen. Die Deutschen wünschen sich zwar eine große Koalition. Das klingt nach Tatkraft jenseits des Parteiengezänks. Und vielleicht kann eine große Koalition tatsächlich Wichtiges leisten – etwa die Korrektur der Energiewende. Aber dagegen steht, dass der Streit um die bessere Lösung zur Demokratie gehört, auch wenn es manchmal dauert. Und in Deutschland droht dieser Ausnahmefall zum Normalfall zu werden, wie Österreich zeigt: Solche Riesenkoalitionen verärgern die Wähler, die dann die politischen Ränder stärken. Von Wahl zu Wahl schrumpft der Koalitionsanteil an den Wählerstimmen. Aber die Groß-Koalitionäre, auch wenn sie sich derzeit noch zieren, werden sich trotzdem bald aneinanderklammern – das sichert Posten, Dienstwagen und öffentliche Aufmerksamkeit. Inhaltlich überlappen sich Union und SPD ohnehin, aller künstlichen Abgrenzung zum Hohn. Und den Rest besorgt die unvermeidliche innere Logik politischer Misswirtschaft: Dass die Steuern erhöht und der Sozialstaat aufgebläht wird, die Staatsschulden ausufern – verbleibende Konflikte zwischen den Parteien lösen solche Koalitionen ratzfatz auf dem Rücken von uns Steuerzahlern und der künftigen Generation.
Die innere Kolonialisierung des Landes und der Wirtschaft durch Pöstchen hier und da für Parteifreunde, durch die Einbindung von Gewerkschaften, Sozialversicherungsträgern und den vielen staatlichen, halbstaatlichen und korporatistischen Zwitterwesen wird sich beschleunigen – bis eben jeder Posten dreifach besetzt ist. Sie bringen einen dazu, dass man sich in Deutschland so etwas wie eine zivilisierte Tea Party zu wünschen beginnt, die entschieden und kompromisslos für eine strikte Haushaltspolitik, rigorosen Schuldenabbau und Begrenzung des Sozialstaats eintritt.
Die real existierende Opposition jedenfalls wird dem korporatistischen Wuchersozialismus nichts entgegensetzen. Wie auch? Eine Quoten-Queen wie Katrin Göring-Eckardt als Oppositionsführerin ist eher eine Verschärfung des Problems, nicht dessen Lösung. Und in Regierungsämtern mag man sie auch nicht sehen. Das ist eine ebenso unerfreuliche Vorstellung wie die, dass zukünftig Gregor Gysi die zahlenmäßig stärkste Oppositionspartei anführen wird. Er ist zwar ein ebenso unterhaltsamer wie charmanter, aber eben auch diabolischer Clown. Erst jetzt und unter öffentlichem Druck schickt er wenigstens seine Geschäftsführerin in Urlaub – eine frühere Agentin und Spionin der DDR, aufs Engste wohl auch mit den verschwundenen Milliarden und Geldwäscheunternehmen der SED verbunden, wie „Die Welt“ enthüllt hat. Mit diesem Hintergrund und diesen Verbindungen eignet sich Gysi nicht als Oppositionsführer: Die SED-Erben haben sich gut getarnt, aber nicht von der Vergangenheit gelöst.
Das Amt des Oppositionsführers ist in einer Demokratie ebenso wichtig und ehrenvoll wie das des Regierungschefs. Opposition ist nicht „Mist“, wie der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einst abwertend behauptet hat, auch wenn man seine persönliche Vorliebe für schöne Ämter nachvollziehen kann. Denn die Opposition kontrolliert und korrigiert die Regierung; sie steht als institutionelle Alternative zu deren Ablösung jederzeit bereit; sie trägt eine ebenso ehrenvolle wie die Demokratie konstituierende Verantwortung. Diese Sicht geht in Deutschland verloren, weil man sich durch die Tatkraft der Regierung blenden lässt und die Opposition als Köter abwertet, die nur die weiterziehende Karawane der Staatsmänner anbellen.
Eine Regierung des allgemeinen Missvergnügens und eine Leerstelle bei der Opposition: Das ist der Berliner Schmäh der kommenden Legislaturperiode.
(Erschienen auf Wiwo.de am 12.10.2013)
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