Einspruch gegen Soli eingelegt – was Steuerzahler jetzt wissen sollten

Ein Bündnis aus Vereinen und Politikern will die Sondersteuer mit einem Musterverfahren kippen: Der Zuschlag sei seit Jahresbeginn 2020 verfassungswidrig.

Christian Ohne/imago Images

Am heutigen Mittwoch warf der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Hubertus Pellengahr einen Umschlag mit einem Einspruch gegen die fortgesetzte Erhebung des Solidarzuschlags beim Finanzamt Körperschaften IV in Berlin-Mitte ein.

Den Muster-Widerspruch hatten die INSM und der Steuerzahlerbund schon im Januar angekündigt. Nach ihrer Ansicht kassiert der Staat seit dem Jahresbeginn 2020 den Solidaritätszuschlag verfassungswidrig. „Zusammen mit zahlreichen Verfassungsrechtsexperten sind wir davon überzeugt, dass der Bundesfinanzminister seit Anfang des Jahres den Soli zu Unrecht kassiert. Wir haben deshalb die nötigen rechtlichen Schritte gegen die weitere Erhebung eingeleitet“, so Pellengahr.

Der INSM-Geschäftsführer rechnet mit einer Ablehnung des Einspruchs durch das Finanzamt. Das würde seiner Organisation die Möglichkeit geben, dagegen vor dem Finanzgericht zu klagen und das Verfahren bis zum Bundesverfassungsgericht zu führen. In ihrer Argumentation stützen sich INSM, Steuerzahlerbund, Wirtschaftsrat der CDU und FDP-Bundestagsfraktion, die zusammen eine Allianz gegen den Soli bilden, auf ein Gutachten des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Der Verfassungsjurist kommt dort zu dem Schluss:

„Da der Solidarpakt II Ende 2019 ausläuft, kann die finanzpolitische und finanzverfassungsrechtliche Sonderlage einer besonderen Aufbauhilfe zugunsten der Neuen Länder als beendet erachtet werden. Insofern tritt mit dem Ende des Solidarpaktes II eine ‚finanzverfassungsrechtliche Normallage’ ein, die es fraglich erscheinen lässt, allein unter Hinweis auf den ursprünglichen Erhebungszweck oder unter Hinweis auf einen neuen beziehungsweise mehrere neue Erhebungszwecke nach wie vor einen wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes zu konstatieren.“

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Den Steuerzahlern empfiehlt die INSM, ebenfalls vorsorglich Einspruch gegen den Einzug beziehungsweise die Festsetzung des Solidarzuschlags beim Finanzamt einzulegen. „Wer Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Solidarzuschlags seit 1. Januar hat, sollte Einspruch erheben“, so Florian von Hennet, Sprecher der INSM. Steuerzahler können dann den Ausgang des Musterverfahrens abwarten.

Auf politische Einsicht der Regierung setzen die Kritiker der Soli-Weiterzahlung nicht mehr. Die Koalition unter Angela Merkel will den Steuerzuschlag erst ab 2021 reduzieren, für Gutverdiener aber auch darüber hinaus weiter beibehalten. Erst vor wenigen Tagen machte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken per Twitter noch einmal deutlich, dass sie Steuersenkungen ausschließt.

In der Geschichte des Solidarzuschlags gab es schon öfters das Versprechen, ihn abzuschaffen. Doch dann blieb er – und wurde nur leicht reduziert. Zuerst führte die Bundesregierung die Steuer auf die Steuer – damals 7,5 Prozent – kurzfristig von 1991 bis Juni 1992 ein. Zur Begründung damals diente der höhere Finanzbedarf durch den Aufbau Ost – obwohl Helmut Kohl bei der Bundestagswahl 1990 versichert hatte, wegen der Wiedervereinigung müssten keine Steuern erhöht werden. Außerdem sollte der Aufschlag die einmaligen Kosten für die deutsche Mitfinanzierung des 1. Golfkriegs abdecken.

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Zur Finanzierung des Solidarpakts führte die Regierung Kohl den Soli dann 1995 wieder ein. Damals hieß es in der Gesetzesvorlage ausdrücklich, die Notwendigkeit des Zuschlags solle „mittelfristig“ überprüft werden: „Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlägt deshalb mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen – mittelfristig zu überprüfenden – Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor.“

Anders als der Name suggerierte, flossen die Einnahmen nicht direkt in die ostdeutschen Bundesländer, sondern in den allgemeinen Bundeshaushalt. Im Jahr 1996 versprach Kohl: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Es kam anders. Die einzige Erleichterung für Steuerbürger bestand 1998 in der leichten Absenkung auf 5,5 Prozent. Alle folgenden Bundesregierungen verwiesen auf die Finanzierung des Solidarpakts II, durch den insgesamt 245 Milliarden Euro in den Osten geleitet wurden. Dieser Pakt lief zu Silvester 2019 allerdings aus.

Ursprünglich pochte die CDU darauf, den Steueraufschlag wenigstens bis 2021 komplett abzuschaffen. Das hatte sie selbst auf dem Parteitag beschlossen. Dann knickte sie gegenüber der SPD ein, die forderte, den Soli für Gutverdiener beizubehalten.

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Kommentare ( 5 )

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humerd
4 Jahre her

vielleicht sollten vielmehr Steuerzahler/Innen diesen Einspruch einlegen. Ich werde das mal überlegen und wahrscheinlich auch machen. Eine stille Revolution wäre evtl. müber den Weg: GEZ Lastschrift kündigen und mit Überweisungen „ärgern“, Einspruch gegen Steuerbescheide, Einspruch gegen Soli. Der Kohlepfennig wurde einst vom BVG gekippt: „Am 11. Oktober 1994 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Kohlepfennig verfassungswidrig ist.[1] Es gab damit der RWE recht, die die Zahlung des Kohlepfennigs für das Jahr 1985 verweigert hatte. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte, der Kohlepfennig sei nicht zu rechtfertigen, da er eine Allgemeinheit von Stromkunden belaste, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für Steinkohle aus Deutschland habe.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlepfennig Nach… Mehr

Iso
4 Jahre her

Die Steuern in Deutschland mögen zwar verfassungsgemäß sein, sind aber Wucher. Und ob damit die Verfassung noch haltbar ist, die auch nur ein Grundgesetzt ist, steht wohl in den Sternen. Wir sind eher sowas wie ein Protektorat der Alliierten, ohne Friedensvertrag, und mit minderwertigen Stimmrechten, in EU und Euro ausgestattet, die wie ein Versailler Vertrag 2.0 wirken.

Gitti
4 Jahre her

Es müsste ein ziviler Ungehorsam ähnlich GEZ-Verweigerung möglich sein. Hat jemand eine Idee? Einspruch erheben ohne Wirkung – da muss doch mehr möglich sein!

Fabian S.
4 Jahre her

Recht und Wahlversprechen interessieren in Deutschland doch niemanden mehr. Weder Justiz, Politiker, Verwaltung noch die Bürger (ausgenommen einer kleinen Minderheit).

Peter Mueller
4 Jahre her

Was ich von der INSM halte, behalte ich jetzt mal hübsch für mich. Aber:
1. Sind solche Steuereinnahmen NICHT zweckgebunden und
2. Seit wann interessiert das BVerfG, was verfassungswidrig ist? Haben die jetzt eine neue Strategie?