Im letzten Jahrzehnt wurde an den Welt-Börsen ein „Mehrwert“ von 50 Billionen Dollar notiert. Dabei wuchs die globale Wirtschaft nur um 20 Billionen.
Spätestens nach der Lehman-Pleite und der durch sie ausgelösten globalen Finanzkrise im Jahr 2008 gelobten Politiker, Wirtschaftsmedien und selbst manche Akteure des Casino-Kapitalismus Besserung. Die Entkoppelung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft müsse ein Ende haben. Der Spekulation auf übermäßige Gewinne durch den massenhaften Verkauf von intransparenten Finanzprodukten sollte dadurch ein Ende gesetzt werden, dass etwaige Verluste von den Spekulanten selbst, nicht von den Steuerzahlern oder durch die Notenbanken übernommen werden. Die Paul Volcker-Formulierung „Too big to fail“ hatte damals kurzzeitig Konjunktur. Damit gemeint war die Warnung des legendären früheren US-Notenbankchefs vor der Existenz von zu großen Banken und Finanzmarktakteuren, die man aus Angst vor systemischen Ansteckungsgefahren nicht in Konkurs fallen lassen könne. Von Zerschlagung und Aufspaltung war die Rede, weil die Angst vor dem eigenen Totalverlust die schärfste Waffe gegen übermäßige Gier in einer marktwirtschaftlichen Ordnung darstelle.
Doch alle Schwüre auf diese guten alten Ordnungsgrundsätze einer funktionierenden Marktwirtschaft wirken ein Jahrzehnt später wie Wunschträume aus einer vergangenen Welt. Selbst in der Realwirtschaft beherrschen heute immer stärker gewaltige Oligopole den Markt, die den Wettbewerb in ihrem Sinn einschränken. Silicon Valley und Chinas IT-Giganten lassen grüßen.
Trotzdem erschreckt die Analyse einer jetzt schon zehn Jahre währenden Bullen-Story an den Weltbörsen. Der US-Aktienindex Standard & Poor’s wuchs seit dem März 2009 um sagenhafte 400 Prozent. Auch der DAX in Deutschland präsentiert sich mit gut 210 Prozent Zugewinn innerhalb eines Jahrzehnts ordentlich. Innerhalb der letzten Dekade hat sich der globale Börsenwert um rund 50 Billionen Dollar vergrößert. Dabei ist die globale Wirtschaftsleistung im gleichen Jahrzehnt nur um gut 20 Billionen Dollar gewachsen.
Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass die Börsen im Konjunkturzyklus nach Tiefständen stärker wachsen als die Realwirtschaft. Analysten von Goldman Sachs haben die US-Konjunktur- und Börsenzyklen seit 1950 unter die Lupe genommen.
Während das amerikanische Bruttoinlandsprodukt im Schnitt im ersten Jahrzehnt nach einer Rezession um beinahe 50 Prozent aufwuchs, ist die aktuelle Konjunkturerholung viel schwächer ausgefallen. Während in den sechzig Jahren zuvor die Börsenkurse nach ihren jeweiligen Tiefständen um durchschnittlich 250 Prozent zulegten, explodierten die Kurse im letzten Jahrzehnt mit mehr als 400 Prozent Zugewinn förmlich. Die nüchterne Bilanz von Goldman Sachs: „In diesem Konjunkturzyklus sehen wir historisch betrachtet einen relativ schwachen Wirtschaftsaufschwung, dafür aber einen überdurchschnittlichen Zuwachs an den Börsen.“
Diese Börsenrallye der letzten Dekade ist teuer erkauft. Die US-Notenbank, die Bank von Japan und die EZB pumpten zusammen rund zehn Billionen Dollar in die Märkte. Sie blähten ihre Bilanzen durch den Kauf von Anleihen auf und senkten die Zinsen auf historische Tiefstände. Staaten, Unternehmen und Verbraucher nutzten das billige Geld und verschuldeten sich weiter kräftig. Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 sind deren Verbindlichkeiten von 118 Billionen Dollar auf aktuell 178 Billionen Dollar gestiegen. In diesem gewaltigen Schuldenaufwuchs von 60 Billionen Dollar verstecken sich die Risiken und Nebenwirkungen der aktuellen Börsenrallye. Ein Dollar Wirtschaftsaufschwung kostete umgerechnet drei Dollar Kreditaufnahme. Besonders anschaulich lässt sich das an der Verschuldung der USA im vergangenen Jahr aufzeigen. Um unglaubliche 1,5 Billionen Dollar ist dort 2018 der Schuldenstand gewachsen. Das entspricht etwa sieben Prozent des BIP. Das nominale Wirtschaftswachstum verzeichnete aber nur ein Plus von 5,3 Prozent.
Wächst also die Wirtschaft nur noch kreditfinanziert? Ist die schöne Börsenrallye nur eine gewaltige Blase, die von den Injektionen der expansiven Geldpolitik der Notenbanken lebt? Dieser geschönte Börsenaufschwung wird gewaltig implodieren. Denn irgendwann werden die Schulden die Firmen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Mit sieben Billionen Dollar stehen die US-Konzerne inzwischen in der Kreide. Das ist Negativrekord! Viele Unternehmen haben mit eigenen Anleihen billiges Fremdkapital eingeworben, mit dem sie dann eigene Aktien zurückgekauft haben. Fast 900 Milliarden Dollar sind allein an der Wallstreet im letzten Jahr Aktienrückkäufe registriert worden. Damit haben die Unternehmen künstlich ihre Kurse aufgeblasen, aber ihr operatives Geschäft nicht wirklich verbessert.
Im laufenden wie im nächsten Jahr sind jeweils 700 Milliarden Dollar Firmenanleihen fällig. Wenn sich die Konjunktur weiter eintrübt, werden eine Reihe von Unternehmen Probleme bekommen, zu annehmbaren Konditionen zu prolongieren. Dass selbst Notenbankinjektionen dann nicht mehr unbedingt für Abhilfe sorgen, zeigen die europäischen Marktreaktionen auf Mario Draghis letzte Pressekonferenz in Frankfurt, in der er neue EZB-Finanzspritzen für Banken und eine Nullzinspolitik-Garantie bis ins kommende Jahr versprach. Die Märkte reagierten eher verhalten. Denn eigentlich dämmert immer mehr Akteuren, dass die EZB ihr Pulver weitgehend verschossen hat und Wachstum auf Pump nicht von Dauer sein kann. Dieser Pump-Kapitalismus wird scheitern – in seiner marktwirtschaftlichen wie staatskapitalistischen Ausprägung.
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Na, da müssen wohl einige DAX-Vorstände in Kürze Stroh zu Gold spinnen. Die Quadratur des Kreises gelingt nur sehr selten. Der Druckunterschied zwischen 50 B und 20 B Dollar ist gewaltig. Beim Druckausgleich wird es einen Orkan geben, wo mancher seinen Kopf verlieren wird. Erinnern Sie sich an 1996. Mit Manfred Krug und der T-Aktie wurde der brave deutsche Sparer zum Aktionär, zum Gobal Player. Graue Eminenz im Hintergrund war der smarte Ron Sommer. Für ihn, die EZB, den IWF und die City of London gibt es einen Oberbegriff: es sind Betrüger, es sind die großen Lunpen nach Franz-Josef-Strauss. Aber… Mehr
Ich verstehe das nicht. Die EZB druckt Geld und der DAX steigt. Wo ist da die Kausalität? Also bekommen bestimmte Anleger das Geld von der EZB, um sich dann Aktien zu kaufen? Kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber vielleicht sind es die von Draghi verordneten Nullzinsen. Das könnte den gemeinen Tagesgeldkonten-Inhaber veranlassen, selbiges zu plündern und Aktien zu kaufen. Das würde jedoch bedeuten, dass Nullzinsen und Geldschwemme sich gegenseitig bedingen. Wo soll da der Zusammenhang sein? Jeder Autor zu diesem Thema behauptet, dass „die Liquidität in die Sachwerte dränge“. Komisch, meine Liquidität hat sich in den letzten Jahren… Mehr
Geduld! Haben wir bald! Wenn die Staatsquote 100% beträgt, das Geld komplett an NGOs geht und die Bürger mit den gut gefüllten Sozialkonten (fridays for future, AfD-Wähler verprügeln usw.) ihre Leistungen abholen, dann haben wir Staatskapitalismus. Geben Sie den „demokratischen“ Parteien noch etwas Zeit!
50 Billionen? Peanuts! Oh…, Moment, da steht ein B statt eines M! Was nun? Alles halb so wild! Die Industrieländer verfügen locker über 500.000.000 bescheuerte Steuerzahler, die das gerne stemmen. Auto gepfändet, Haus zwangsversteigert, Arbeitsplatz weg, Staatsquote bei 62,7%??? Gerne! Wofür brauch ich denn ein Leben, da kommen noch ein paar! Später dann, ja genau, was denn dann? Vielleicht erklärt mir dann unser aller Lieblings-Mario mal, was der marktwirtschaftliche Teil von Pump-Kapitalismus ist! Da bin ich nämlich kurz raus!
panik auf der titanic? ich habe mir abgewöhnt, mich zu ängstigen. es passiert sowieso. der ganze laden wird absaufen. bis dahin gilt es, so viel spass, wie möglich zu haben und so gut es eben geht von den misständen zu profitieren. die einbrechende konjunktur hat mir gerade ein günstiges bmw cabrio beschert. fridays for future …
Sehr gut! Endlich mal einer, der das Ganze versteht!
Leben im Jetzt und zugleich Vorsorge treffen für später – ansonsten soviel Spaß haben wie möglich – wir werden eine Weile davon zehren müssen 🙂
Jupp. ich habe mir zusätzlich zu meinem Lieblings-Cabriolet (ein Diesel übrigens) einen günstigen BMW als Winterwagen geleistet. Hätte nicht gedacht, dass ich mal so dekadent werden würde.
Die Geldpolitik ist konsequente Weiterführung des gesellschaftlichen Lebensstils. Die Probleme werden durch niedrige Zinsen, politische Korrektheit und sonstige Dogmen unter den bekannten „Teppich“ gekehrt. Aber die Welt funktioniert nun mal mit dem Ursache-Wirkung-Prinzip und diese Probleme werden irgendwann Wirkung zeigen. Im Moment haben wir eine explosive Mischung in der Gesellschaft, der Wohlstand kann aber in allen Schichten noch durch billiges Geld gehalten werden. Jedem sollte klar sein, dass das nicht dauerhaft ist…
Die genannten Zahlen stelle ich nicht in Frage, vielmehr möchte ich sie nochmals in andere Relationen setzen um den Irrsinn deutlich zu machen: die globalen Schulden aller Sektoren (Staaten, Unternehmen, Privathaushalte) belaufen sich aktuell auf ca. 240 Billionen USD, was knapp 275% des weltweiten BIP (ca. 87,5 Billionen USD in 2018) entspricht. Wer das bereits für eine unvorstellbar hohe Summe hält, der sollte sich jetzt festhalten. Der geschätzte Wert sogenannter Derivate, also jener meist hochkomplexen und -spekulativen Wertpapiere, die größtenteils zwischen Finanzinstituten als „Wettscheine“ gehandelt werden, beläuft sich derzeit auf ca. 1,2 Billiarden USD (also 1,2 Millionen Milliarden, eine 12… Mehr
Die Derivate sind doch größtenteils gegeneinander gehedged. Aus dem Volumen allein auf eine besondere Gefahr zu schließen ist unsinnig.
Es ist zwar richtig, dass die Derivate-Positionen größtenteils gegeneinander gehedged werden. Mein Punkt bezieht sich vielmehr auf die sich aus der Größe bzw. Komplexität des Systems ableitende Anfälligkeit für endogene oder exogene Schocks. Diese (Komplexität und Anfälligkeit) verläuft nicht linear, sondern exponentiell. Hinzu kommt noch, dass die Finanzwelt – ob Zentral- oder Geschäfts-/Investmentbanken – immer noch mit inzwischen nachweislich veralteten und daher ungeeigneten Gleichgewichtsmodellen arbeitet. Die Kombination aus gestiegener Systemanfälligkeit, hochkomplexen (und daher meist auch intransparenten) Finanzprodukten und dem Festhalten fehlerhaften Paradigmen wird früher oder später in die nächste Krise führen… eher früher als später. Falls Sie fragen möchten, womit… Mehr
Das Scheitern 2008 un der Lehman-Crash führten doch genau wegen der Verschuldung privater Haushalte und der damit verbundenen vergabe von faulen Krediten der Banken zu dem Desaster an den Geld- und Kapitalmärkten. Die damals verdeckt in verbrieften Hypotheken versteckten Risiken stecken heute halt nur bei den sogenannten Wähungshütern, die ihr Pulver leichtfertig verpulvert haben, um fragwürdige politische Entscheidungen und Entscheider zu decken. Gewaltige Oligopole gibt es nicht nur von China und den USA ausgehend, sondern reichlich auch in Europa. Die Nahrungsmittelindustrie sowie der Einzelhandel werden nur noch von einigen wenigen Playern bespielt, die sich nicht nur gegenseitig sondern auch untereinander… Mehr
Frage an alle Depotinhaber, unabhängig von den gehaltenen Papieren: Reicht eine Sicherung durch Diversifikation aus oder muss das Depot in die Schweiz verlegt werden? Wie gehen andere mit dem Risiko um?
Sie sprechen von zwei völlig verschiedenen Risiken. Diversifikation hilft (bedingt) gegen das Marktrisiko. Das Depot in der Schweiz (BG, USA) rettet vielleicht vor Enteignung durch den Staat.
Was Diversifikation betrifft: Ein bisschen muss sein, weil man nicht alle Eier in einen Korb legt. Aber ich halte nichts davon, so einen Hype draus zu machen. Fokussiert Qualität kaufen finde ich genauso sicher.
Stimmt, die Frage war falsch gestellt. Was ich meinte: Reicht Diversifiktation aus, oder sollte man ZUSÄTZLICH Schutz vor Enteignung treffen?
Was die Qualität angeht – was ist Qualität, in den heutigen Zeiten?
Ich finde das sehr spannend, Tichy hat doch mit der WiWo auch eine entsprechende Vergangenheit und die Artikel von Krall hatten viel Zuspruch: Sollte man das Thema hier nicht einmal höher ziehen, also die Escape-Strategie für kleine Anleger? Oder ist das eine Illusion?
Puuuh, im Artikel wird aber sprachlich ganz tief in die Antifa-Propagandakiste gegriffen: „Casino-Kapitalismus, Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft, Spekulation, übermässige Gewinne“ etc. Nur mal ein paar Tatsachen: Ohne einen funktionierenden Kapitalmarkt und ein funktionierendes Bankensystem sähe es in ganz Westeuropa aus wie in Pakistan aus, wo Geldverleihen und Zinsen als etwas teuflisch gelten. Die Finanzkrise von 2007/2008 beruhte auf einem handfesten gemeinschaftlichen Betrug ausgewählter Investmentbanken, Hedgefonds und Rating-Agenturen und nicht auf irgendeinem Verschwörungsquatsch oder Gier einer gesamten Branche. Leidtragende waren zunächst ja selbst Banken mit gutgläubigen Mitarbeitern (Glaube an das Rating) und funktionsuntüchtigen Risikosystemen (Unterschätzung von Refinanzierungsrisiken). Und die… Mehr
@IJ
Ihr Ansatz ist richtig….das wirkliche Problem hat jedoch erst die Politik geschaffen…in dem Sie mit ihrer Gesetzgebung in den Markt eingegriffen hat und per Steuerfinanzierung/Sparerfinazierung die maroden/spekulativen Banken am Leben hält…die Politik also Insolvenzverschleppung betreibt. Insolvenzen gehören aber zu einen funktionierenden Markt…ohne Insolvenzen ist der Markt kein Markt mehr sondern ein staatliches Spielzeug. Die Politik der EZB betreibt seit Jahren schon Insolvenzverschleppung beim Euro…Targed Salden sind ein politisches Instrument zur Insolvenzverschleppung…das EEG ist ein politisches Instrument zur Zerstörung des Energiemarkt Sektor….CO2 Verbotsgesetzte sind politische Instrumente zur Zerstörung der gesamten EU-Deutschen Volkswirtschaft usw.
@Marc Hofmann. Vollkommen d’accord. Das Verhalten insb. der deutschen Politik erinnert stark an einen Fallschirmspringer, dessen Schirm sich nicht öffnet, der aber selbstbeschwichtigend denkt: „Bis zu 1 cm über dem Erdboden habe ich doch kein Problem!“
IJ, primär haben Sie das gleiche gesagt wie Herr Metzger, wobei die Leistung darin bestand, kein Wording der Linksliberalen zu verwenden.