Schon Mitte der Woche eine Wochenschau

Keine Einflussnahme von Staatskanzleien auf den Südwestfunk, bei Twitter zu schnell den Finger am Abzug, Sonderstaatsanwalten gegen Rechts und eine mutige Kollegin.

Das Leben erzählt bekanntlich schon immer die schönsten Geschichten. Heute sendet und druckt es auch die Schönheit der Phantasie und Paradoxien. Diese Woche erlaubt das schon Mitte der Woche eine Wochenschau. Die schönsten Geschichten hier im Zeitraffer:

Regierungsgewalt bestimmt Gesprächspartner

Am Sonntag hat eine Kollegin im niederländischen Fernsehen berichtet, dass der WDR Order ausgegeben habe, regierungsfreundlich zu berichten. Wir haben NICHT darüber berichtet; ich hielt das für übertriebene Wichtigmacherei und WDR-Intendant für einen ebenso glänzenden wie unabhängigen Journalisten. Die Presse ist doch frei, ganz frei, oder?

Dann kam am Montag das Dementi des WDR und die Entschuldigung der Kollegin. Es sei nur dumm gelaufen. Sie habe „totalen Unsinn geredet“. Sie sei niemals „aufgefordert worden, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen.“

Also geglaubt.

Aber dann am Dienstag die Entscheidung des SWR: FDP, Linke und AfD dürfen nicht mitdiskutieren in der TV-Runde der Spitzenkandidaten der Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. SPD und Grüne haben auf dem Ausschluss der Konkurrenz bestanden, nur die CDU war bereit, sich der Debatte zu stellen. 2011 waren die Grünen in RLP nicht im Parlament, durften aber in die Runde. Spitzenkandidat ist Spitzenkandidat. Die FDP darf das heuer nicht. Nur ein Zufall, dass die Entscheidung den dezidierten Wünschen der rot-grünen bzw. grün-roten Landesregierung entspricht? Es ist der Kalauer der Woche, wie in diesem Zusammenhang der Intendant Peter Boudgoust mit „zusammengebissenen Zähnen“ davon spricht, nur die Nicht-Teilnahme habe ein „journalistisches Gesamtkonzept“ ermöglicht. Schweigen als Journalismus? Das sollte uns einen Zuschlag zur GEZ-Gebühr wert sein: Schmerzensgeld für einen Intendanten, dessen Zähne und Rückgrat in Gefahr sind.

Zufälligerweise löst diese Entscheidung aber noch etwas anderes aus: Der Landesregierung entgegenzutreten wird schwieriger für die Kolleginnen und Kollegen. Vorauseilender Gehorsam, Angst um die Rate für das Eigenheim, alle diese Faktoren wirken zusammen. Da braucht man dann gar nicht verlangen, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen. Zu wenige Menschen sind zum Helden geboren. Der MDR übrigens verzichtet gleich ganz auf so ein Gespräch; da wird nur von den Landtagsparteien in Sachsen-Anhalt über die abgelaufene (!) Legislaturperiode diskutiert, um so der dortigen AfD den Zutritt zu verwehren. Hübsch, eine Debatte über die Vergangenheit; ein Land ohne Zukunft?

Aber machen wir uns keine Sorge um die Demokratie; der SWR wird auf diese Weise das gewünschte Wahlergebnis nicht erzeugen helfen, sondern das ungewünschte fördern. Die Gefälligkeitsentscheidung des SWR finden viele Menschen empörend; die Kritiker im Absoluten sehen sich bestätigt: Staatsfunk gehorcht Staatskanzlei. Wer mit der AfD liebäugelte, aber nicht mochte, wird sie jetzt eher wählen als vorher – aus Trotz, oder genauso die FDP. Demokratie ist ja immer auch eine Frage der Haltung. Opposition ist ebenso wichtig wie Regierung. Und so wird die Gefälligkeitsrunde der Ministerpräsidenten mit der ausgewählten Opposition diskutieren und ihre jeweiligen Parteifreunde erreichen und die Zeitungen werden darüber berichten, aber nicht mehr die Bürger interessieren. Denn wer glauben will, dass öffentlich-rechtlich ein abhängiger Staatsfunk ist, dem wurde der Beweis geliefert. Die AfD braucht gar nichts tun. Sie braucht nur zuzuschauen, wie sich manche Medien selbst zerlegen. Was diese dann natürlich den Kritikern vorwerfen. So  beißt sich die Katze in den Schwanz. Selbstverständlich haben die beiden Begebenheiten keinen inneren Zusammenhang, bitte vermuten Sie bloß das nicht.

Schade, dass die klassischen Medien gar nicht begreifen, dass sie nicht von Geld und/oder Rundfunktsteuern allein leben. Sie leben vom Vertrauen der Zuschauer und Leser. Die wenden sich ab mit Grausen. Darin allerdings liegt eine ernste Gefahr für die Gesellschaft, wenn das Vertrauen schwindet, die gemeinsame Informations- und Gesprächsbasis verschwindet. Und der SWR hat so nebenbei auch gleich noch dem WDR in die Knie getreten. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.

Sonderstaatsanwaltschaften für rechte Gewalt

Zwei kleine Meldungen in der Süddeutschen Zeitung vom Montag für den Feinschmecker: „Maas will über Nazis reden“, steht da. Darin ist zu lesen, dass Justizminister Heiko Maas von der SPD Sonderstaaatsanwalten einrichten will, die die rechtsradikale Gefahr bekämpfen, die den „inneren Frieden in unserer Gesellschaft bedroht“. Sonderstaatsanwalten, aha.

Unmittelbar darunter eine Meldung, wonach zwei Dutzend Linksextreme in Oschersleben bei Magdeburg mit Baseballschlägern und Stahlstangen vier Fahrgäste am Bahnhof zusammengeschlagen und teils lebensgefährlich verletzt haben. Das ist bittere Ironie; verfolgt werden Rechte, nicht Kriminelle, wenn sie sich nur links gebärden. Die Justiz verliert ihr höchstes Gut: Die Unparteilichkeit. Hat ein Zufall die beiden (kleinen) Meldungen so zueinander platziert – oder ein Nachrichtenredakteur, der auf seine Weise protestiert?

Die staatlich geförderte Parteijustiz ergänzt sich glänzend mit manchen willfährigen Parteimedien: Die lebensgefährlich Verletzten, so weiß die Süddeutsche an Hand des Polizeiberichts, kamen von einer rechtsradikalen Demonstration. Sonst ist das Blatt wie die Polizei immer darauf erpicht, bei Tätern von „Menschen“ zu sprechen statt von Deutschen, Ausländern, dunkel- oder hellhäutigen. Dafür wird der Pressekodex bemüht. Aber jetzt sind die Opfer ja „Rechte“. Alles also halb so schlimm. Vermutlich werden die „Rechten“ von der neuen Parteistaatsanwaltschaft von Heiko Maas verfolgt. Die Opfer hatten keine Bahnsteigkarte gelöst.

Was Ronzheimer krass findet

BILD-Chefreporter Paul Ronzheimer ist ein fixes Kerlchen. Jetzt fand er einen Text „krass“, den Bettina Röhl geschrieben hat und in dem von den Hoffnungen die Rede war, die Flüchtlinge an Deutschland haben: Geld, Wohnung, Auto, Frauen. (Für volle Ansicht bitte anklicken)

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Bestimmungsgemäß assistierten auf Twitter Follower, hier seien ja wieder die Rechten am Werk. Blöd: Die Passage im Text war von WELT, die wie Ronzheimers BILD im Springer-Verlag erscheint. Überall Rechte. Skandal. Dumm gelaufen. Ich kenne das, und schätze Ronzheimer weiter. Bei Twitter ist der Finger oft zu schnell am Abzug; leider passiert mir das auch immer wieder. Vergeben und vergessen also.  Wir haben übrigens den übernommenen Text dann abgeändert. Er war wirklich im Original furchtbar peinlich. So was kommt nur beim Bubi-Journalismus der WELT vor, deren neuer Chefredakteur Stefan Aust, wie die TAZ berichtet, das Geschäft der AfD verrichtet. Wir wenden uns in Abscheu ab.

Anja Reschke Journalistin des Jahres

Anja Reschke hat Selbstverständliches ausgesprochen, so Hugo Müller-Vogg in einem Kommentar zum Kommentar der tüchtigen Kollegin. Sie hat ja hübsch gebrüllt. „Doch ist Reschke weder die erste noch die einzige Stimme, die sich – aus gutem Grund – mit jenen Rechtsradikalen anlegt, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden, Flüchtlinge anpöbeln und im Internet ihrem Ausländer-Hass freien Lauf lassen. Wer an dieser Front kämpft, ist aber noch lange kein Held. Er weiß vielmehr die große Mehrheit der Deutschen hinter sich. Denn die Neonazis und ihre willigen Nachläufer sind Gott sei Dank nur eine kleine Minderheit.“

Nun wird Anja Reschke als Journalistin des Jahres geeehrt. Wir gratulieren. Viele Kollegen aus den USA und auch aus dem nahen Holland haben sich aber interessiert erkundigt: Weltweit würden Kollegen und Kolleginnen ausgezeichnet, die Verdecktes aufdecken, Investigativ recherchieren, Geheimnisse lüften, den Mächtigen mutig entgegentreten. Anja Reschke hat gesagt, was der Regierungssprecher auch sagt und was die Meinung der Mehrheit widerspiegelt, sie hat Recht, Gesetz und Polizei zu Recht hinter sich. Ein bißchen konforme Meinung reicht eben schon für Journalistenpreise. In Deutschland. Glaube, Liebe und Hoffnung als neue Werte des Journalismus, das lässt hoffen.

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