Anne Will Nicht

Anne Will schützt Peter Altmaier, die Stimme seiner Herrin Angela, vor Stefan Aust und Ahmad Mansour. Sie selbst und der wiedergewonnene Sonntags-Sendeplatz sind ihr wohl wichtiger als die journalistische Aufgabe, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen.

Die WELT titelt: Zurück auf dem Talkshow-Olymp“ und BILD weiß schon: „Anne Will ab heute wieder Talk-Königin“. Das allerdings muss die Kölnerin, die in wenigen Wochen 50 wird, erst noch unter Beweis stellen. Zur besten Talkshow-Sendezeit. Günther Jauchs Zwischenspiel ist vorbei und ein paar Jauch-Milliönchen Euro später sitzt Anne Will wieder am Honigtopf. Geduld zahlt sich aus, wer nicht schmollt wird belohnt. Das gilt im Politikgeschäft ebenso wie bei den Protagonisten der Fernsehunterhaltung. Wohl nicht die einzige Parallele in diesen Parallelwelten.

Und damit stehen wir dann auch im Finale der öffentlich-rechtlichen Quasselshows rund um die Ereignisse in Köln. Rund um diese Zäsur einer hochgejubelten Willkommenskultur, die sich nach Köln bei einer Mehrheit der Bevölkerung in eine tiefe Skepsis verwandelt hat. Ein Umschwung, der sogar belegbar scheint: 60% der Deutschen glauben eben nicht mehr, was diese in andere Sphären entrückte Kanzlerin der Flüchtlinge gebetsmühlenartig wiedergekäut hat: Nein, wir schaffen das nicht, glaubt heute eine Mehrheit der Bevölkerung. Diese magische Zweidrittelmehrheit, die im Bundestag ausreicht, die Verfassung zu ändern, ist – zumindest in der Bevölkerung – nur noch eine Armlänge entfernt.

Plauderrunde statt Problemcheck
Das Merkel-Mantra
Die Angelegenheit wird also haarig für Angela Merkel, die noch im Oktober Anne Will gemütlich gegenüber saß und im Kaffekränzchen-Plauderton einen Abgesang auf die Bundesrepublik Deutschland anstimmte, den sie als Jubelchor verkaufen wollte, als ginge es lediglich um die Pensionierung eines verdienten Mitarbeiters, der jetzt nur etwas verfrüht in Alterszeit geht. Damals klatschten die Medien und die Kanzlerin erklärte … na was wohl, man mag es schon nicht mehr wiederholen.

Plasberg, Maischberger und Illner haben in der vergangenen Woche vorgelegt. Plasberg liegt dank einer lauen Beherztheit etwas vorne. Die beiden Kolleginnen haben Anne Will jedenfalls alle Chancen offen gelassen, die Sache noch für sich, für das deutsche Fernsehpublikum zu reißen. Man möchte denken ein einfaches Battle. Aber das dachten wir bei Maischberger und Illner auch schon. Maybrit hatte sogar den Innenminister auf dem Präsentierteller sitzen und ließ ihn unbeschädigt ziehen, anstatt zum verbalen Fangschuss anzusetzen.

Anne Will startet zumindest in der Vorankündigung ulkig, wenn sie fragt: „Wie
lässt sich das Vertrauen in Merkels Flüchtlingspolitik wiederherstellen?“, so, als wäre es nicht viel zielführender, viel dringlicher, der entrückten Frau und ihrer desaströsen Politik einfach das Mandat zu entziehen.

Legende, Klartexter, Pitbull und die Entrückte

Welche Gäste kommen? Stefan Aust. Der scheint bei Springer einen neuen, mehr auf die 60% zielenden Kurs zu fahren. Nun ist der fast 70-jährige eine journalistische Legende, da wird er nicht ohne Not an seinem eigenen Sockel sägen. Aber möglicherweise hat er den Eindruck, Deutschland befände sich in einer Notsituation und wird gegenüber Merkel Notwehr anmelden. Liebt er Deutschland noch? Oder ist das auch schon nicht mehr sein Land?

Noch mit dabei bei Annes I’ll–be-back-Show sind Gesine Schwan, Peter Altmaier und Ahmad Mansour. Allein letzter könnte überraschen. Der Junge ist sprachgewaltig. In einer anderen Welt sicher ein cooler Typ, mit dem man herrlich streiten kann. Aber wie soll das bloß gehen mit der weltentrückten Gesine Schwan, mit Merkels treuem Pitbull Altmaier und einer Legende?

Aber schnell rein ins – hüst-hüst – Vergnügen. Denn Willy Brandts Sohn hat als Tatort-Kommissar gerade eine Leiche eigenhändig ausgegraben. Mal sehen, ob bei Anne Will wider erwarten auch welche zum Vorschein kommen oder wenigstens ein Geständnis abgerungen werden kann. Vielleicht gibt es doch noch eine positive Überraschung. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

„Die Debatte ist schwer geworden mit immer weniger Verständnis für das Merkel-Mantra „Wir schaffen das““, eröffnet Anne Will. Und sie erinnert an die Neujahrsansprache der Kanzlerin, die nur wenige Stunden nach dem Kölner Desaster stattfand, als wäre nichts gewesen. Im Prinzip ein guter Start.

Aust: zwei Drittel der „Flüchtlinge“ sind keine

Stefan Aust nimmt den Ball gerne auf, zunächst mit Blumen für die Kanzlerin, wenn er  feststellt, diejenigen dort auf der Domplatte waren ja nur zu einem Teil Flüchtlinge, die vor kurzem erst gekommen sind. Aber es sind natürlich im weitesten Sinne Zuwanderer. Das kann man Angela Merkel nicht anlasten.“ Dann aber, mit solchen Vorkommnissen werden wir in Zukunft häufiger rechnen müssen. Und er spricht weiter Tacheles, wenn er aufklärt, dass unter den heutigen Flüchtlingen viele einfach Zuwanderer sind. Dass also bei weitem nicht jeder, der ankommt, ein bedauernswerter Kriegsflüchtling ist. Das weiß zwar draußen im Land fast jeder, aber in solchen Talkshows macht es Sinn, die Diskussionsgrundlage vorab herzustellen. Gut gemacht.

„Ob unsere Entscheidungen falsch waren, darüber werden erst künftige Generationen entscheiden“, erklärt Altmaier. Hallo Echo? Ein Widerhall aus Freiburg? Oder nur ein braver Soldat der Kanzlerin, der Mutti an den Lippen hängt? Das war doch exakt der Sprachbefehl, den Angela Merkel in ihrer Festrede im Konzerthaus zu Ehren dieses Walter Euckens vorgegeben hatte! Aber Altmaier macht sich tatsächlich zum Büttel dieser unfassbaren Merkelschen Überhöhung des eigenen Tuns, von dem man heute ja noch gar nicht wüsste, was es großartiges für Deutschland bedeutem wird. Nicht wir sollen über die Politik der Kanzlerin urteilen, das dürften erst unsere Kindeskinder. Dann, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, will man dazwischen rufen. Aber nein, reinste grüne Rhetorik. Wir haben die Welt nur von unseren Kindern geborgt und Angela ist ihre Schutzpatronin gegen alle Widerstände. Die Widergeburt einer deutschen, ach was: einer europäischen Jean D’arc!

Ahmed Mansour greift in den Himmel über Altmaier und zerrt das Problem back in town. Namentlich nach Köln. Er erinnert daran, dass diese Missachtung der Frauen in den Parallelgesellschaften in Deutschland tagtäglich passiert. Nicht nur in den Herkunftsländern. Er macht sich Sorgen, dass sich aus den Reihen der jetzt Ankommenden wiederum neue Parallelgesellschaften entwickeln.

Es gibt nichts, was Altmaier nicht fort und weg redet

Altmaier geht belehrend dazwischen, die Allermeisten seien doch bereit, unsere Werte zu übernehmen, wenn wir bereit sind, sie ihnen vernünftig beizubringen, blablabla – Heisere Hoffungsgesänge, wie man sie schon nicht mehr hören kann. Nicht, dass es möglicherweise sogar passieren könnte, Wunder geschehen, aber ist der Mann der Prophet des Guten? Oder besser: der Guten?! Die Relativierung nimmt ihren Lauf, als er nachlegt, dass man doch wohl keinen Staat bilden könne, in dem jegliche Kriminalität ausgeschlossen ist. Das ginge nur in einer Diktatur.

Gesine Schwan sieht die Lücke und erinnert an die Love Parade, wo das auch alles hätte passieren können. „Für Integration braucht es viel mehr Geld, dann würde das auch klappen.“ Es gäbe in der Union einige, die immer noch glauben, wenn wir es schlecht machen, kämen weniger. „Hier ist eine neue Qualität an Zugehen auf diese Flüchtlinge gefragt. Hier war es ein Versagen der Polizei. Kein Staatsversagen. Da fehlt mir die Fantasie was passiert, wenn hier ganze Viertel unter Flammen sind.“ Das allerdings nimmt man ihr dann unbenommen ab. Nein, die nette alte Dame tanzt lieber weiter um den Kirschbaum der Jugend, selbst dann noch, wenn die Früchte verdorrt sind. Alter schützt tatsächlich vor Torheit nicht.

Das wird dann auch Aust wohl zu kunterbunt. Natürlich hatte er sich vorab was zurecht gelegt, er hat sogar Fotokopien mit Zahlen dabei, damit ihm Altmaier nicht dazwischen gehen kann. „Es kommen nicht nur wohlmeinende Flüchtlinge, nachdem die Kanzlerin gesagt hat, wir nehmen jeden auf. Die Grenze ist in Wirklichkeit offen, ob mit oder ohne Pass kommt jeder rein. Es sind so viele junge Männer reingekommen, wie die Bundeswehr und die NVA auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges unter Waffen hatten. Das muss man sich vorstellen.“ Das ist stark. Und es wirkt nach für den Moment. Stefan Aust ist also tatsächlich hochmunitioniert und es schein so, als sei er auch bereit zu feuern.

Austs Hinweis auf das Problem der großen Zahl verpufft

Gesine Schwan sagt wieder Einwanderungsland. Vergisst wieder, dass es gerade Einwanderungsländer sind, die ihre Einwanderung kontrollieren. Gesine Schwan möchte lieber nicht mit Kanonen schießen. Das wäre doch eine unangemessen Umgangsweise mit dem Problem. Morgenluft für Altmaier nach Austs kleiner Attacke: Als Anne Will fragt, ob es nicht Aufgabe des Staates ist, Verunsicherung zu verhindern, erinnert Altmaier an Gewalt von Rechts gegen Ausländer. „Wir werden auch jetzt Gesetze verschärfen, wenn Defizite erkannt werden. Köln ist ein Alarmzeichen und der Staat ist verpflichtet zu handeln.“

Ahmed Mansour watscht dagegen: die Sexualität in muslimischen Gesellschaften sei tabuisiert. Das sei Ursache für Köln und die andere Kultur führe zu Parallelgesellschaften.
Altmaier schiebt die Probleme auf die Integration der ersten Stunde, da seien Fehler gemacht worden, weil man die Menschen sich selbst überlassen hat. Aber es wäre besser geworden.

Mansour erwidert Altmaier, dass er wohl vergessen hat, dass es in Deutschland heute schon 7.500 Salafisten gibt und noch viele mehr Menschen, die unsere Werte radikal ablehnen. Auch ohne Alkohol gäbe es in vielen muslimischen Familien keinen normalen Umgang zwischen den Geschlechtern.

Atmaier wirft Aust vor, seine Zahlen (die von den Kopien)  würden die Menschen draußen verunsichern, weil er die Doppelanmeldungen mit nennt. Die was? Ach ja. Ach je, es ist so elend. Altmaier erklärt, die Zahlen würden wegen des schlechten Wetters aber zurückgehen. Toll! Die Bundesregierung betreibt nun also Flüchtlingspolitik mit der Wetterkarte? Der Herr über die deutsche, gar über die europäische Grenzsicherung ist also ein Wettergott?

Aust merkt noch mal an, man müsse doch erkennen, wie schwierig es ist Menschen abzuschieben. Dass man auf die Zahlen achten müsse, die vor der Tür stehen. Geldzahlungen an die Türken wirkten auf die türkisch-griechische Grenze, während in Wahrheit die deutschen Grenzen ungeschützt blieben.

Aust sagt, was hinter den Kulissen vorbereitet wird, aber Anne will die Vorlage nicht verwandeln

Anne Will läuft jetzt 35 Minuten. Aust scheint was in der Hinterhand zu haben, als er mit fast leiser Stimme befindet, Abschiebung sei praktisch unmöglich. Höhere Beamte, mit denen er in journalistischer Funktion gesprochen hätte, würden sich schon an den Kopf fassen, warum man Zuwanderer an der Grenze nicht abweisen könnte, berichtet Aust. Wollen sie den die Grenzen schließen, fragt Gesine Schwan? Aust verschärft und erzählt, dass er bei diesen höheren Beamten sicher ist, herausgehört zu haben, dass man längst an einem Plan B arbeite, die deutsch-österreichische Grenze soweit zu schließen, dass man Migranten an der Grenze abweisen kann. Die andere Hälfte der Grenze sei schon unter Kontrolle – wenn auch die dänische, polnische und nicht die deutsche.

Jetzt ist die Diskussion heiß. Ganz anders als zuvor bei den beiden Schnarchnasen-Veranstaltungen der Kolleginnen von Anne. Aber Anne Will nimmt den Ball nicht auf!
Will hakt nicht nach: Stimmt es, dass Grenzen geschlossen werden? Stimmt, was Aust  sagt? Stimmt es, dass wieder kontrolliert werden soll? Eine Billigmoderation und das faktische Ende der Chance für diesen Abend. Da kann auch Stefan Aust nichts mehr tun. Wenn sich die Moderatorin wegduckt, als der Ball kommt, dann sind ihm die Hände gebunden.

Und die Sendung bleibt ebenfalls im Gestern hängen wie in so einer schwiemeligen  Endlosschleife.

Aber Altmaier weiß zumindest nun, wo sein Debattengegner sitzt. Die Katze ist aus dem Sack. Sein Ton wird schärfer Richtung Aust. Mit seiner ganzen Körperlichkeit spricht er nun immer häufiger bedrohlich Richtung Aust gebeugt.

Ahmed Mansour erwähnt noch mal das Zustandekommen der Konflikte, die Kriege im Nahen Osten usw. Na ja, der Drops ist längst gelutscht für heute Abend. Wenigstens der Tatort, der ja eigentlich ein Polizeiruf war, aber die Polizei ist ja unterbesetzt, war anständig.

Gesine Schwan sagt schon wieder, wir sind ein Einwanderungsland. Das müssen wir wissen. Wir können uns natürlich auch einen Strick nehmen und alles so belassen. Aber Gesine Schwan vergisst noch mal, dass es gerade Einwanderungsländer sind, die ihre Einwanderung kontrollieren. Aber auch da hakt keiner mehr nach. Am wenigstens Anne Will, die sich schon nach Caren Miosga zu sehnen scheint, weil alles so störungsfrei lief bis hierher.

Hatte der Zuschauer vorhin noch das Gefühl, Aust hätte feste zugebissen bei Altmaier, hat Anne Will der Legende schnell noch das Gebiss gelockert, damit nichts Schlimmeres passiert. Altmaiers Leierkasten Politikerspeech singt die Runde gemütlich zu Ende.
Ganz kurz kommt noch mal Aust: Es sei doch eine zynische Darstellung, Grenzen für Mauern und Zäune zu erklären: Dann hätte man ja vorher auch keine Grenzen gehabt. „Dublin ist noch in Kraft!“, erklärt Altmaier. Da gäbe es ja eine Ausnahme-Regel. Und sollen wir die denn nun alle nach Österreich zurückschicken?

Anne Will überlässt Altmaier der Einfachheit halber das Wort. Rettet er sich und seine Kanzlerin in die Tagesthmen hinein? Aust, nun mach doch noch was Schnelles, möchte man rufen. Nein, zu spät. Da  ist schon Caren Miosga, die gegenüber Anne erklärt, sich zu freuen, dass sie sich jetzt wieder Sonntags mit ihr unterhalten könne, und dann kommt schon der Abspann.

Immerhin, anschließend bei den Tagesthemen geht Caren Miosga mit Sigmar Gabriel so ins Gericht, wie es sich Anne Will bei Altmaier nicht getraut hat. Ist das schon eine Bewerbung? Alle Chancen hätte sie nach dem Auftritt. Mal sehen, wie lange sich Anne dieses Mal am Sonntag festkrallen kann. Aber das entscheiden immerhin ziemlich präzise die Zuschauerzahlen. Und nicht erst die nächsten Generationen, von denen wir unsere Welt ja nur geliehen .. Sie wissen schon: blablabla.

Vor allen drei Damen siegt Frank Plasberg im Neujahrsranking der Big-4-Politshows.

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