Der Globus ruckt und eiert, und Casablanca liegt nicht mehr in Afrika, sondern in Deutschland. Was bedeutet das für unsere Kultur? Casablanca hat uns eingeholt.
In den nächsten Tagen wird meine Nichte ihr zweites Kind auf die Welt bringen. Hoffentlich geht alles gut. Die Schwangerschaft verlief leider nicht ganz unkompliziert und meine immer schon agile, nachdenkliche, aber auch fröhliche Nichte, die gerne und lange arbeitet und gerne und oft auch die Weltgeschichte bereist, wurde zur strikten Bettruhe verdonnert. Zu dem verordneten Stillstand die immerwährende Sorge, ob auch alles gut geht, ob der kleine neue Erdenbürger auch gesund sein wird. Sich bei Sorgen nicht bewegen zu können, ist eine doppelte Belastung.
Das Kind kommt nicht irgendwo zur Welt. Es wird in Casablanca, in Marokko, das Licht dieser Welt erblicken.
Wer diese Seite schon länger besucht, wer meine leider in den letzten Monaten etwas rarer gewordenen Beiträge gelesen hat, weiß, dass das Gros meiner Familie sich aus muslimischen Mitbürgern zusammensetzt. Nun gut. Nordafrika schreibe ich da oft. Nordafrika ist groß. Darum kann man heute – gerade auch auf Hinsicht der Ereignisse der letzten Wochen auch mal präziser werden: Meine Familie besteht zu einem Großteil aus marokkanischen Staatsbürgern. Meine älteste Schwester ist in Marokko aufgewachsen. Eine wirkliche Familientragödie führte dazu, dass wir uns erst kennenlernten, als sie mit etwa 20 Jahren kurz vor der Geburt meiner Nichte stand – so dass wir uns zum ersten Mal leibhaftig gegenüber standen, als ich gerade in die Schule kam. Das war auch meine erste Reise nach Marokko, wo die Luft voller Gewürze war und ein Mann im Turm rief. Nach Oujda, in eine Stadt, die etwa 10 km von der algerischen Grenze entfernt liegt.
Wir fahren nach Marokko
Seither habe ich Marokko einige Male besucht, Land und Menschen kennengelernt, Sitten und Gebräuche beobachtet, mitgetanzt, mitgefeiert, mitgelacht, mitgewundert. Mich bei der ersten feierlich begangenen Schächtung eines Schafes zur Geburt meiner Nichte völlig heiser geschrien und zwei Tage lang traumatisiert ins Kissen geschluchzt, während Nadia, die liebe und wunderschöne kleine Schwester meines Schwagers die Welt nicht mehr verstanden hat. „Aber es ist doch eine Feier! Warum weint sie?“ Weil ich das Stück Fleisch auf dem Teller bis dato nur aus dem Supermarkt kannte, aber niemals gesehen habe, wo genau es denn herausgeschnitten wurde.
Meine Nichte hat die ersten zehn Jahre ihres Lebens in Marokko verlebt – ebenso wie der Wirbelwind von anderer Nichte, die sich gegen Studium und Ehe entschied und nach jahrelangen harten Kämpfen mit ihrem Vater nach dem Abitur Reißaus nahm, um geschminkt und mit kurzen Kleidern ihr eigenes Leben frei von Verboten in Paris zu bestreiten. Obwohl mein Schwager die Erziehung meiner Nichten und meines Neffen völlig westlich ausgerichtet, sie zu Ballett- und Reitstunden gefahren hat, sie nicht verheiraten wollte, sondern meine vorwitzige, quirlige jüngere Nichte sogar einmal davon abhalten wollte, war er auf der anderen Seite leider auch ein Despot, der mit zu viel Druck und Enge die Kinder fast zerbrochen hat. Ich bewundere stets den Mut und die Kraft meiner jüngeren Nichte, ihr altes Leben so rigoros hinter sich gelassen zu haben, um in Paris selbstbestimmt ihr neues Leben zu leben – und zu lieben, wen und wann immer sie das möchte.
Casablanca ist in Marokko – oder doch nicht
Wenn in den nächsten Tagen also das Kind meiner Nichte zur Welt kommt, nochmal zur Erinnerung: der Ort ist Casablanca, Marokko, dann frage ich mich – wo doch so viele Männer aus Marokko „geflohen“ und nicht „ausgewandert“ sind, warum meine Nichte und ihr Mann aus Paris entspannt zurück nach Casa gingen. Wohin auch meine Schwester gerade wieder fliegt, um ihrer Tochter bei der Geburt und in den Wochen danach zur Seite zu stehen. Wir haben uns da auch schon mal unterhalten. Dann sagt meine Nichte: „Warum soll ich mich um mich sorgen? Ich sorge mich da eher um euch. Die, die Ungutes im Schilde führen, die sind meistens auf eurer Seite des Mittelmeers. Nicht mehr hier.“ Das muss ich dann immer erstmal etwas sacken lassen. Die in Casablanca wissen, wie man mit bestimmten Problemfällen umgeht; wir wissen es nicht und haben sie am Hals. Marokko stemmt sich nicht ganz ohne Grund hartnäckiger gegen Rückführungen.
Da bin ich froh, dass meine marokkanische Nichte und die WeLT mir meine Sprachlosigkeit in diesen Tagen abnehmen und in wohlüberlegte Worte kleiden (Bilder mit Links zu Artikeln hinterlegt).
Mir lasse de Casablanca am Rhein
Dummerweise hat sich die Geographie neuerdings geändert, als wäre der Globus high. Wie ich unlängst lernen mußte, leben nämlich auch wir Casablanca – und zwar unfreiwillig. Casablanca, so heißt eine Sonderkommission der Düsseldorfer Polizei. Sie beschäftigt sich mit den Folgen der massenweisen Einwanderung von Schlawinern und Schlimmeren aus Marokko und Algerien nach Düsseldorf.
Nun bin ich ja froh, dass etwas geschieht. Alles, was hier beschrieben wurde, ist ja beobachtbare Realität. Seit Jahren. Auf der Straße, in der Straßenbahn, am Hauptbahnhof, in der City, in der Altstadt, beim Rewe. Bislang ist nichts geschehen. Der NRW-Landeshauptstadt ist es wichtiger, bei Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gut dazustehen, und die mag keine Berichte über böse Buben aus Casablanca.
Nach Köln ist das Geheimnis aufgebrochen. Nun darf ermittelt werden, wenigstens etwas. Denn klar ist: Die Polizei im afrikanischen Casablanca geht wesentlich härter und entschiedener mit den Jungs um. Kultur ist ja ein Akt der Gegenseitigkeit. Der Düsseldorfer Jung reißt gern das Maul auf, aber ist längst gezähmt. Wenn die Polizei kommt, kuscht er. Die neuen Bewohner von Deutsch-Casablanca sind anders. Sie bespucken die Polizei, sie schlagen zu. Polizei traut sich nur noch im Rudel her. Sonst wäre es zu gefährlich. Deutsche Männer prügeln sich nicht mehr; jedenfalls deutlich weniger als noch vor ein, zwei oder drei Jahrzehnten. Längst hat die Wissenschaft das formuliert, nennt das WEIRD: „Western, educated, industrialized, rich and democratic“. Wenn man böse sein, will kann man abkürzen: Entmannt.
Schlecht ist das nicht, es ist weniger grob. Andere Forscher wie Steve Pinker führen es auf die Verweiblichung der Gesellschaft zurück und das meint Pinker sehr positiv: Männer neigen zu Gewalttaten; aber neuerdings haben Frauen einen deutlichen Machtzuwachs gewonnen. Das macht die Gesellschaften friedlicher. Machismo ist nun lächerlich statt erfolgversprechend. Auch in den Straßen des Rheinlands. Aber in unsere Dorfidylle brechen jetzt eben die Gesellen aus Casablanca ein, die keine so gelehrten Texte gelesen haben oder auch nur lesen können und wenn, ihrerseits lächerlich fänden. Es ist ein Clash of Civilzations. Meine Nichte in Afrikanisch-Casablanca ist jetzt besser dran. Sie weiß, damit umzugehen – und die Polizei dort auch. Rheinisch-Casblanca ist hilflos. Was überwunden schien, ist jetzt wieder da.
Und das ist es, was traurig macht. Casablanca hat uns eingeholt.
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