Der Migrationsstreit verdrängt andere Zukunftsprobleme

Das Lebenselixier der AfD bleibt die Migrationsthematik – Die etablierten Parteien reagieren unisono mit „Volksverhetzungs“- und „Faschismus“-Vorwürfen.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Auch im Deutschen Bundestag wurde wieder fleißig die Nazi-Keule geschwungen. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hatte seine Auftaktrede in der traditionellen Generalaussprache zum Haushaltsplan des Kanzleramts nahezu ausschließlich den Folgen der Migrationsthematik und der steigenden kriminellen Auffälligkeit durch Asylbewerber gewidmet. Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz setzte mit einer von vielen Abgeordneten anderer Fraktionen mit „standing ovations“ bedachten Philippika den Kontrapunkt zur AfD-Monothematik: „Es ist Zeit, dass sich die Demokratie gegen diese Leute wehrt!“ Wer die Migranten für alles verantwortlich mache, der benütze ein traditionelles Mittel des Faschismus: „Das hatten wir in diesem Haus schon einmal.“

Der gesamte Rest des Bundestags gegen die AfD: Das polarisiert und bestärkt die Protestwähler im Land in der Gewissheit, dass sie mit ihrer Stimme für die AfD dem Establishment am meisten Ärger bereiten. Im Moment belegen die demoskopischen Befunde, dass die AfD nach wie vor von ihrer Monothematik profitiert und in einer Reihe von Bundesländern die einstige Volkspartei SPD klar hinter sich lässt. Doch auf Dauer lebt keine Partei als Protestpartei. Mit der Wählerzustimmung wächst solchen Parteien eine Verantwortung zu, die zu programmatischer Breite und zur Aneignung von Lösungskompetenz zwingt. Gestaltungskraft erlangen ohnehin nur die politischen Kräfte auf Dauer, die auch regierungswillig wie -fähig sind. Wer sich die mühsamen Häutungsprozesse der Grünen vergegenwärtigt, die mehr als ein Jahrzehnt brauchten, um den Antiparteien-Gestus abzustreifen und weniger radikal als pragmatisch zu agieren, versteht diesen Einwand.

Was mich aber zunehmend ärgert, ist die Eindimensionalität des politischen Diskurses im Land. Das Pro und Contra zu den Folgen der Migration wird in den Medien wie in der Politik nahezu hysterisch geführt. Wer kritische Fragen stellt, wird sofort aus dem Kreis der guten Demokraten in die „Schmuddelpartei” AfD ausgegrenzt oder gar offen als Nazi stigmatisiert. Ob wohl wieder mehr Nüchternheit und Rationalität in die politische Debatte einkehren, wenn die beiden Wahlschlachten in Bayern und Hessen im Oktober geschlagen sind? Eines aber ist jetzt schon sicher: Die ungeliebte AfD wird auch die beiden letzten Landtage in München und Wiesbaden erobern.

Dabei braucht Deutschland endlich wieder eine Beschäftigung mit den Themen, die für den künftigen Wohlstand elementar sind. Im „Kampf gegen Rechts“ setzt die Große Koalition, aber auch die Linke und Grüne Opposition, auf mehr Sozialstaat. Obwohl schon heute niemand weiß, wie die wachsenden Ausgaben für Pensionen und Renten, für Krankenversicherung und Pflege in unserer alternden Gesellschaft getragen werden sollen, packt die Politik ständig neue Ausgabenansprüche obendrauf. Statt Investitionsmittel in Bildung und Infrastruktur zu stecken, bläht die Politik den Sozialstaat weiter auf. Doch der Wohlstand der Zukunft fußt auf wirtschaftlicher Prosperität und nicht auf möglichst hohen Sozialtransfers. Deutschland knöpft seinen Bürgern schon heute weltweit mit am meisten Steuern und Sozialabgaben ab. Trotz vielfach ordentlicher Bruttoeinkommen bleibt damit netto für den Vermögensaufbau für sehr viele immer weniger übrig. Diese fatale politische Weichenstellung gehört in den Fokus der gesellschaftspolitischen Debatte. Denn wer in einer alternden Gesellschaft den Vermögensaufbau systematisch verunmöglicht, erntet Altersarmut und sinkenden Wohlstand auch für die aktive Generation. Deshalb: Die Migrationsthematik ist wichtig, darf aber nicht als Vorwand dienen, existenzielle andere Zukunftsfragen von der politischen Agenda zu verdrängen. Den Rat sollten alle politischen Parteien im Land beherzigen.

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Kommentare ( 99 )

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jansobieski
6 Jahre her

Die Bemängelung einer „Einseitigkeit“ der Debatte ist der Ruf nach „kehren wir`s unter den Teppich und gehen zur Tagesordnung über“. Das ist genau die Merkelfalle in die sie laufen Hr. Metzger. Man muss die Kanzlering stellen und festnageln eben „jagen“, wie Hr. Gauland ja angekündigt hatte. Man muss die Flucht aus dem Thema verwehren und nicht loslassen bevor es gelöst ist und von einer Lösung sind wir noch Lichtjahre entfernt.

Schwabenwilli
6 Jahre her

Aus meiner bescheidenen Weltsicht ist natürlich die Migration „die Mutter aller Probleme“. Alexander Gauland sagte mal in einer Bundestags Rede „Meine Damen und Herren, Deutschland ist kein reiches Land, Deutschland ist ein Leistungsfähiges Land“. Und genau diese Leistungsfähigkeit und den Willen dazu wird die Migration mit DIESEN Migranten die seit Jahren in unser Land strömen zerstören und folglich auch alles andere bisher in diesem Land erschaffene, geistig, gesellschaftlich oder materiell. Neuseeland, Australien, USA, Kanada……….. betreiben doch nicht aus Jux und Tollerei seit Jahrzehnten eine Einwanderungspolitik der Auslese von leistungs und anpassungsbereiten Menschen.

bkkopp
6 Jahre her

Auch bei weitgehender Zustimmung bleibt anzumerken, dass weder die Grünen, noch die Linken, und nicht einmal die FDP in den letzten 25 Jahren durch ‚Lösungskompetenz‘ besonders aufgefallen sind. Die AfD ist in ihrer heutigen Ausrichtung bestenfalls 3 Jahre alt. Solange das Establishment alles tut, um möglichst viele Protestwähler auf die Barrikaden zu treiben, solange wird die AfD wachsen. Wenn sie sich in 2-3 Legislaturperioden programmatisch und personell konsolidiert, dann könnte sie immer noch eine Regierungspartei werden.

Sabine W.
6 Jahre her

>’Ob wohl wieder mehr Nüchternheit und Rationalität in die politische Debatte einkehren, wenn die beiden Wahlschlachten in Bayern und Hessen im Oktober geschlagen sind?'< Ich fürchte eher nicht. Das Hass-Gekreische wird eher lauter werden. Und je mehr sich die bislang Polit-Eliten an die Wand gedrängt fühlen, desto lauter wird es. Der Auftritt des SPD-Kahrs im Bundestag ist dabei nur ein Vorgeschmack auf künftige 'Debatten', die man vielleicht öfter noch erleben muss: Geifernde Münder, jenseits von inhaltlicher Kritik, gesteuert aus einer Ideologie, die zumindest die SPD mittlerweile in Umfragen gleichsetzt mit dem (potenziellen) Wahlzuspruch für die AfD. Die SPD hat keine… Mehr

Odyssyan
6 Jahre her

Ich bitte um Erläuterung, in welchen Politikfeldern sich sie Grünen „weniger radikal“ und mehr „pragmatisch“ agieren. Ich sehe das nicht. Im Gegenteil: Die Basis ihrer radikalen Politik ist ihre allen bekannte Logik der Ideen, auch Ideologie genannt. Und Ideologen hören niemals auf, bis die Lehre der reinen unverfälschten Ideen verwirklicht sind. Bevor das erreicht wird brechen allerdings rationaler Staat und freie Gesellschaft durch die inneren Widersprüche des Sozialismus zusammen. Verändert hat sich nur, dass der Neosozialismus von heute grün eingfärbt ist, Ökosozialismus halt. Die Welt ist um den Begriff Melonenrepublik ´bereichertworden, außen grün und innen rot. Das ´Neo des Sozialismus… Mehr

Neo-Realist
6 Jahre her
Antworten an  Odyssyan

Die Melone ist wie folgt aufgebaut:

Außen extrem dünne grüne Tarnung

Innen knalle rot

In der Mitte reichlich braune Kerne; nennen sich Antifa

Übrigens, die äußere grüne Tarnung ist das von Baldur Springmann, dem Öko-Bäuerlein, geklaute Loden-Mäntelchen.

Sonny
6 Jahre her

M.M.n. verkennen Sie die Lage, werter Herr Metzger. Das wichtigste Thema ist tatsächlich die illegale Migration und die Duldung bzw. Forcierung durch die Bundesregierung. Wie Sie ganz richtig anmerkten, wird den Deutschen weltweit mit am höchsten Steuern- und Sozialbeiträge abgeknöpft. Und wofür werden diese enormen Geldmassen tatsächlich verwendet? Etwa für die Dinge, die für unsere elementaren, anderen Probleme so wichtig wären? Die ausführliche Beantwortung dieser beiden Fragen endet wiederum beim „wichtigsten“ Thema. Allein das Geld, welches für illegale Migranten, die daraus entstandene, steigende Kriminalität, Überwachungungen, Vollalimentierung, Verwaltungsarbeit etc. verwendet wird, hätte z.B. allen unseren Rentnern ein würdevolles Dasein ermöglicht. Nicht… Mehr

Braumueller
6 Jahre her
Antworten an  Sonny

. Volle Zustimmung, allerdings ein winziger Einspruch „grenzt an“ würde ich durch ist ersetzen.

Edu
6 Jahre her

Wenn dieses Problemfeld Migration so monocausal wäre, gäbe es andere längst im Focus des Diskurses. Es befördert gerade ein ganzes Bpndel von Problemen an die Oberfläche. Für mich ist Merkels Entscheidung von 2015 wie ein Stein, der die Eisschicht auf einem Faß durchschlägt und die verfilzte Politik der Berkiner Republik offenlegt. Merkel – Vorsitzende einer konservativen Partei, macht „No Border no Nation “ und setzt diese radikal in Deutschland, gravierender in Europa, durch – im Prinzip ist sie eine Extremistin. Es ist der Staatsstreich von oben. Es führt natürlich zur Polarisierung an deren einen Seite die AfD steht – die… Mehr

Schwabenwilli
6 Jahre her
Antworten an  Edu

Danke für die treffende Aussage, genau so sieht es aus.

Sabsezander
6 Jahre her

Die Migrationskrise 2015 war nur das Tüpfelchen auf dem i. Es war ja schon vorher einiges ins Rutschen geraten – und es ist seitdem nicht besser geworden. Pegida gab es schon vor 2015. Es gibt seit Jahren ein sich stetig steigerndes „Motivationsproblem“, wie es Ihr von mir sehr geschätzter Kollege Gerd Held beschreibt („etwas geht zu Ende“). Schüler sind nicht mehr sonderlich motiviert, Disziplinprobleme und Mobbing sind inzwischen zum Massenphänomen an bundesdeutschen Schulen geworden – auch ohne Migranten. Hinzu kommt das Problem der schlecht bezahlten Branchen in Pflege und Betreuung. Ob mehr Geld hier nützt, wage ich zu bezweifeln. Die… Mehr

benali
6 Jahre her

Herr Metzger, Sie waren bekannt als nüchterner Analytiker und Zahlenmensch. In der Union wurden Sie als solcher nicht mehr gebraucht und Sie haben die richtigen Konsequenzen gezogen: Parteiaustritt. Bravo. Aber bei der Analyse der gegenwärtigen Situation liegen Sie mMn deutlich falsch. Der Streit um die Migrationspolitik ist ein asymmetrischer. Der AfD geht es um die illegale Invasion. Für Merkel ist diese nur ein Werkzeug auf dem Weg zu einer immer radikaleren Globalisierung. Die wirklichen Gewinner der Globalisierung sind die Reichen, die es nicht stört, wenn sie auf dem Weg zu totaler Weltherrschaft etwas abgeben an die Allerärmsten. Diese Beute wird… Mehr

Neue Heimat
6 Jahre her

Nein, Herr Metzger, die AfD ist keine „Schmuddelpartei“, auch
nicht in Anführungszeichen, sondern die einzige konservative,
politische Kraft, die mit Positionen der CDU/CSU der 1980/90er
Jahre, dem Merkel-System und der linken Einheitsfront Paroli bietet.
Die Lösung der Migrationsfrage ist für den Bestand der deutschen Nation
von existentieller Bedeutung und ihr unterschwelliges AfD-Bashing scheint
vielmehr ihren „grünen Wurzeln“ geschuldet als dem Appell für eine Realpolitik.