Die Konflikte um die massenhafte und sich beschleunigende Zuwanderung spitzen sich zu. Selbst die Parteien der GroKo streiten sich vor Ort. Wir dokumentieren die Auseinanderdersetzung zwischen dem Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises Albers (SPD) mit dem Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch (CDU). Das kann ja heiter werden.
Sehr geehrter Herr Landrat Albers,
über Ihr Interesse an meinen Äußerungen zur Flüchtlings- und Zuwandererkrise, die Sie in Ihrem Schreiben verschiedentlich aufgreifen, freue ich mich.
Nachdem Sie Ihre Ausführungen mit Worten unserer Kanzlerin und des Grundgesetzes eingeleitet haben, erwartete ich konkrete Lösungsansätze. Doch abseits diffuser Appelle bin ich leider nicht fündig geworden.
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Währenddessen haben wir im Bund jedoch die Dinge angepackt und mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz nun wirksame Maßnahmen auf den Weg gebracht. Durch Zugeständnisse an den Koalitionspartner SPD und die Grünen im Bundesrat bleibt das Gesetz zwar in Teilen hinter seinen Möglichkeiten, insgesamt aber gehen wir mit der Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten-Regelung, der Beseitigung von Fehlanreizen und einer entschiedeneren Durchsetzung von Ausreisepflichten gleich mehrere Schritte in die richtige Richtung.
Da die Eindämmung des Flüchtlings- und Zuwandererstromes aber noch weit mehr erfordert, diskutieren wir nun die Einführung von Asylschnellverfahren in Transitzonen, um die große Zahl offensichtlich unbegründeter Anträge, vor allem aus sicheren Herkunftsstaaten, schon an der Grenze abweisen zu können. Ein kurzer Blick in die Asylgeschäftsstatistik des BAMF offenbart die enormen Entlastungspotentiale einer unmittelbareren Differenzierung von Wirtschaftsmigranten und anspruchsberechtigten Flüchtlingen für Bund, Länder und Kommunen. Daran sollte auch Ihnen gelegen sein. Bitte wirken Sie auf Ihre Bundestagsfraktion ein, dass sie ihren Widerstand hiergegen aufgibt. Solange jeden Tag eine Kleinstadt – 10.000 Menschen – in unser Land strömt, werden wir der Aufgaben nicht Herr.
Gleich nach der Belegung unserer Übergangslager im Kreis habe ich mir vor Ort bei allen drei Einrichtungen ein eigenes Bild von der Lage gemacht. Den vielen ehrenamtlichen Helfern kann gar nicht genug gedankt werden, ebenso den hauptamtlichen Kräften, die in dieser Ausnahmesituation Außergewöhnliches leisten. Die Bürgermeister Kunkel, Scheliga und Zehner zeigen einen vorbildlichen Einsatz und hohe Präsenz vor Ort. Die Einsatzkräfte von ASB, Rotem Kreuz, Maltesern, THW, Bundeswehr und Freiwilliger Feuerwehr betreuen die Ankömmlinge professionell und mit viel Empathie. Das Gleiche gilt für die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, die sich gemeinsam mit freiwilligen Helfern um die Unterbringung zugewiesener Menschen in ihrer jeweiligen Heimatkommune kümmern.
Besorgt hat mich allerdings bei dem Besuch der Notunterkünfte, dass bis zu drei Viertel der Flüchtlinge und Zuwanderer binnen 48 Stunden mit unbekanntem Ziel weitergezogen sind, ohne registriert worden zu sein. Diese Menschen sind jetzt unter uns, ohne dass wir wüssten, wer sie sind, wohin sie wollen und was sie vorhaben.
Verantwortungsvolle Politik muss die Bekämpfung der Fluchtursachen angehen. Dazu gehören auch Konzepte für den Wiederaufbau der Herkunftsländer nach Vernichtung des Islamischen Staates und Beseitigung weiterer Fluchtgründe. Der Außenminister ist deshalb an diesem Wochenende zu Gesprächen im Iran und in Saudi-Arabien. Zugleich versucht die Bundeskanzlerin durch Ihren Besuch in der Türkei, diese zur Durchführung wirksamer Grenzkontrollen zu bewegen und europäische Hilfe beim Betrieb der Flüchtlingslager anzubieten. Die Türkei erhält schon lange jährlich 700 Millionen Euro Vorbeitrittshilfe von der Europäischen Union. Selbst wenn nun weitergehende Forderungen im Raum stehen, ist es günstiger, den Menschen in der Nähe ihrer Heimatländer Obhut zu gewähren.
Vor allem aber schulden wir den unzähligen Haupt- und Ehrenamtlichen Helfern mehr als nur warme Worte. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die Politik nun handelt und dem ungezügelten Zustrom von Flüchtlingen und Zuwanderern Einhalt gebietet. Die Polizei ist in den Grenzgebieten nicht mehr Herr der Lage, ihre Hilferufe sind seit Wochen unmissverständlich. In der gerade zurückliegenden Sitzungswoche hatten wir in unserer Fraktion eindrucksvolle Berichte von Landräten und Oberbürgermeistern aller Parteien aus dem ganzen Land, die uns nachdrücklich vor einer Überbeanspruchung der Katastrophenschutzkräfte und der Integrationsfähigkeit unseres Landes warnten. Vor diesem Hintergrund ist es zynisch, die große Hilfsbereitschaft auch noch zum Anlass zu nehmen, eine ehrliche Diskussion über die Begrenztheit unserer Aufnahmekapazitäten zu tabuisieren.
Es „zündeln“ diejenigen, die sich in autoritärem und intransparentem Stil über die Köpfe der Bürger hinwegzusetzen versuchen. Ihre Floskel, die Sorgen und Nöte der Bürger ernstnehmen zu wollen, bleibt ein Lippenbekenntnis. Stattdessen versuchen Sie, eine offene Willkommenskultur amtlich zu verordnen. Anstatt die Ängste der Menschen anzuerkennen, erklären Sie sie für unbegründet. Kritik an der gegenwärtigen Asylpolitik wird mit fragmentarischem Verweis auf das Grundgesetz latente Verfassungsfeindlichkeit unterstellt. Wer den Bürgern auf diese Weise einen Maulkorb verpassen will, darf sich über „zunehmende Verunsicherung“ nicht wundern. Dieser Paternalismus entspricht nicht meinem Verständnis von Volksvertretung. Grundlage meines politischen Denkens und Handelns ist der mündige Bürger, der sich durch die unmittelbaren Eindrücke vor seiner Haustür ein eigenständiges Bild von der Lage zu machen im Stande ist und vom mit „Volksvertretung“ mandatierten Abgeordneten verantwortliches Handeln zum Wohle unseres Volkes erwarten darf.
Wir haben in Deutschland und Europa klare Regeln für den Grenzverkehr. Dazu gehören die Dublin-Verordnung, das Schengen-Abkommen, die Prümer Beschlüsse und der Grundgesetzartikel 16a. Würden wir uns klar zu diesem Rechtskanon bekennen, hätten wir die Situation deutlich besser im Griff. Den Ruf nach Rückbesinnung auf geltendes Recht als „dumpfe Parolen“ zu etikettieren, offenbart eine bedenkliche Haltung zum Rechtsstaat.
Ihre Ausführungen spiegeln nicht zuletzt einen pragmatischen Fatalismus wider, der angesichts der schieren Menschenmassen ohnmächtig vor der staatlichen Uraufgabe der Grenzsicherung kapituliert. Damit senden Sie verheerende Signale an unsere Bevölkerung und die kriminellen Schlepperbanden, denen täglich Menschen zum Opfer fallen. Der Staat muss die Kontrolle über die Wanderungsbewegungen an seinen Landesgrenzen wiedererlangen. Niemand verliert dadurch sein Recht auf Asyl. Alle Menschen auf der „Balkanroute“ haben schon mindestens vier sichere Drittstaaten durchquert, bevor sie zu uns kommen. Nur in einem handlungsfähigen und funktionstüchtigen Staat kann das Asylrecht garantiert werden.
Ich wünschte mir von Ihnen, dass Sie angesichts der Größe der Aufgabe wenigstens dieses eine Mal der Versuchung widerstünden, das drängende Problem parteipolitisch zu instrumentalisieren, indem Sie die Menschen in gute und schlechte einzuordnen versuchen. Wir können in der Tat gemeinsam stolz sein auf die vielen Bürger in unserer Heimat, die ein praktisches Beispiel von Gastfreundschaft gegenüber Fremden – in bester christlich-abendländischer Tradition – in unserem Land abgeben. Lassen Sie uns gemeinsam daran wirken, den zu uns kommenden Menschen Orientierung in den Regeln und Sitten des aufnehmenden Gastlandes zu geben, damit sie sich hier für die Dauer ihres Aufenthaltes möglichst gut einfügen und zurechtfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Willsch
Mitglied des Deutschen Bundestages
Kreisvorsitzender der CDU Rheingau-Taunus
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