DER SPIEGEL Nr. 32 – Schnell im Kopf…

Der aktuelle Spiegel wildert mit seinem Titel wieder einmal im Focus-Revier. Jörg Blech erklärt in nettem Stil, warum wir alle mehr laufen sollen, möglichst 10 bis 15 Kilometer am Tag, so dass es uns nicht so ergeht wie der faulen Seescheide, die auf den Meeresgrund sinkt und dort ihr Gehirn verdaut. So wie in der guten alten Zeit wird es wohl nicht mehr werden – als der Urmensch die Gazelle bis zum Zusammenbruch hetzte, um sie zu erwürgen und zum heimischen Bratspieß zu schleppen. Kein Wunder, dass angesichts dieser stressigen Anforderung immer mehr Mitbürger das Vegetarier-Dasein bevorzugen. Die aktuelle Berliner Politik kommentieren Nils Minkmaar und Michael Sauga. Der Berliner Spiegel-Büroleiter Sauga, einer der profiliertesten Jung-Neoliberalen, zerschmettert in seinem Kommentar „Die National-Ökonomen“ kurzerhand das neue Gutachten des Sachverständigenrates und entsorgt es wegen seiner Rückwärtsgewandtheit gleich in den Papierkorb.

Keine Fakten bei Augstein

Minkmar denkt im Leitartikel „Den Wählern eine Wahl“ tief über das aktuelle Zeitgeschehen nach und gelangt zu der sicherlich keinen Leser überraschenden Erkenntnis, dass die SPD doch besser einen Kanzlerkandidaten aufstellen soll, damit dem Wähler eine Wahl bleibe.  Das ist aber wirklich neu…

Die im letzten Spiegel gestartete Flüchtlingsserie geht diesmal auf Stationen rund ums Mittelmeer dahin, wo Einwohner und Urlauber direkt mit den Hoffnungen und Dramen der Flüchtlinge in Berührung kommen. Auch Teil II verharrt im Deskriptiven. Eine interessante These zu Angriffen auf Ausländer bringt der bekannteste deutsche Linken-Gutmensch Jakob Augstein. In seiner Kolumne „Im Zweifel links“ erklärt er dem Leser unter der Headline „Terrorismus?“, dass am zunehmenden Widerstand gegen steigende Flüchtlingszahlen der böse Kapitalismus und vor allem die schlimmen Neoliberalen schuld seien, denen angeblich eine Entsolidarisierung der Gesellschaft zuzuschreiben sei. Ach ja, irgendeinen Teufel braucht ein Millionenerbe ja. Eine Diskussion dieser These wäre mal interessanter Lesestoff. Denn eigentlich ist die Hilfsbereitschaft der Deutschen ja sehr ausgeprägt, jedenfalls ausgeprägter als noch bei der großen Flüchtlingswelle Mitte der 90er. Aber was sind schon Fakten gegen eine starke Meinung? Der Historiker Heinrich August Winkler enthüllt in seinem Ende August im C.H. Beck-Verlag erscheinenden Buch „Zerreißproben. Deutschland, Europa und der Westen. Interventionen 1990-2015“ die angeblichen die Mängel von Maastricht und die wahren Hintergründe des EU-Eiertanzes mit Griechenland. Der Spiegel räumt zwei Seiten für einen Essay dazu frei.

Apropos Griechenland: Das Schäuble-Bashing übernimmt diesmal der US-Ökonomen und Varoufakis-Fan John Galbraith. In „Wohlstand nach Drehbuch“ von Alexander Jung erfahren wir, dass die Chinesen jetzt lernen, dass die Marktwirtschaft erstaunlicherweise notorisch unvollkommen ist und zu Instabilität neigt. Leider erfahren wir aber nicht, was die Chinesen mit dieser Erkenntnis anfangen. Stellen sie sich auf ein Wirtschaftsleben mit Auf- und Abschwung ein? Oder behalten weiterhin – wie generell in autoritären Systemen zu beobachten – die Verlierer mit ihren Rufen nach Staatsinterventionismus und Subventionen das Sagen? Der Spiegel bietet in dieser Woche einige interessante Anregungen, die er leider nicht vertieft und analysiert. Gesamturteil: schwach, wenig Substantielles und langweilig.

Resümee: Wer seine Leser langweilt, verliert sie, Note 4.

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