„ALLES FÜR ALLE“ – Phrase der Gleichmacherei

Nach Ehe für Alle jetzt Alles für Alle - der raffinierte politische Kampfbegriff entfaltet eine ungeheure Durchschlagskraft. Dabei wird Alles zu Nichts.

Wer liest und hört sie nicht tagtäglich, die Phrase mit den sieben Buchstaben „… FÜR ALLE“? Alles soll es für alle geben: „Bio für alle!“ „Golfen für alle!“ „Kunst für alle!“ „Oper für alle!“ „Grundeinkommen für alle!“ „Yoga für alle!“, „eMobilität für alle!“ „Gutes Essen für alle!“ „Gesundheit für alle!“ Werbe- und Marketing-psychologisch rechnen sich solche Sprüche, auch wenn es sich – volkswirtschaftlich betrachtet – in vielen dieser Fälle um ein knappes Gut handelt. Und eine „Ehe für alle“ inklusive „Adoptionsrecht für alle“ sowie ein „Asyl für alle“ mögen Trophäen oder zumindest Sedativa für besonders Progressive sein – für betroffene und nicht-betroffen Gutmeinende. Alles recht und schön. Alles schön und nichts recht.

Schwierig wird es, wenn „FÜR ALLE“ etwas reklamiert wird, was es nicht für alle geben kann: „Gymnasium für alle!“ „Abitur für alle!“ Denn wenn alle am Gymnasium sind, dann ist keiner mehr am Gymnasium, weil das dann keine Schule mit gymnasialem Anspruch mehr sein kann. Und wenn alle Abitur haben, dann hat keiner mehr Abitur, und dann könnte man das Abiturzeugnis zusammen mit der Geburtsurkunde ja gleich beim Standesamt mit abholen lassen. Der Staat könnte sich dann Hunderttausende an Lehrerstellen sparen; er könnte Eltern und deren womöglich weniger begabten Kindern viel Stress und viel Nachhilfekosten ersparen.

Eine angeblich international renommierte Erziehungswissenschaftlerin schlug kürzlich vor, alle Schulen in Gymnasien umzubenennen, denn dann könne jeder sagen: „Ich gehe aufs Gymnasium“. Getoppt wird das Ganze pseudo-pädagogisch und in maßloser Extrapolation mit dem Buchtitel „Jedes Kind ist hochbegabt“ eines sogenannten Hirnforschers aus Göttingen. Also auch „Hochbegabung für alle!“ und „Exzellenz für alle!“

Populus und Plebs
Von Populisten und der Gerechtigkeit
Egalitarismus, Gleichmacherei also wohin man schaut – gefördert gerade von Geistern, die gerne „diversity“ auf den Fahnen stehen haben und die jede Ungleichheit skandalisieren: Alle Menschen, Strukturen, Werte, Inhalte, ja sogar alle Geschlechter (von denen es ja laut Genderideologie nicht nur zwei, sondern angeblich bis sechzig gibt) sollen gleich, ja gleich gültig (gleichgültig?) sein. Aber wer kennt in Zeiten der Rechtschreibreform noch den Unterschied zwischen „gleich gültig“ und „gleichgültig“? Es scheint zu gelten: Was nicht alle können, darf keiner können; was nicht alle haben, darf keiner haben; was nicht alle sind, darf keiner sein. Schier jakobinisch geht es zu: Schon Robespierre wollte die „heilige“ Gleichheit. Manche Jakobiner machten sich in ihrem Tugendterror und Gleichheitseifer gar daran, Kirchtürme zu schleifen, weil diese ungleich seien.

Gewiss ist das Spannungsverhältnis von Gleichheit und Freiheit nicht aufhebbar. Wer Gleichheit und Freiheit zugleich verspricht, ist ein Scharlatan. Sagt Goethe. Es gibt kein Zugleich. Denn wenn die Menschen gleich sein sollen, dann sind sie nicht frei, und wenn sie frei sein sollen, sind sie nicht gleich. Das Problem dabei ist: Freiheit verlangt nach Anstrengung, Ausdauer und Disziplin, Gleichheit aber bietet ihre Genüsse von selbst dar. Sagt Alexis de Tocqueville bereits 1835.

Gegebene Chancen müssen auch wahrgenommen werden
Die zwei Perspektiven der Chancengerechtigkeit
Man sollte ihn und sein Buch „Die Demokratie in Amerika“ wieder lesen. Tocqueville hält darin fest: Freiheit versickere in Gleichheit, schreibt er im Kapitel „Weshalb die demokratischen Völker die Gleichheit leidenschaftlicher und beharrlicher lieben als die Freiheit“. Tocqueville macht zugleich auf die wohl größte Gefahr der Gleichheit aufmerksam: Der Mensch verliere in ihr die Fähigkeit zum selbständigen Denken, Fühlen und Handeln. Am Ende sei den Menschen die Gleichheit in Knechtschaft lieber als die Ungleichheit in der Freiheit. Tocqueville erahnt damit einen „Termitenstaat“, der geprägt sei von „Verähnlichung“ und „Uniformität“. Gemäß Tocqueville wird der Drang zur Gleichheit sogar noch massiver, je größer die Gleichheit ist, denn dann würden bereits die geringsten Unterschiede kränken.

Merkt euch das mal, ihr Wahlkämpfer der Gerechtigkeitsblockparteien, die ihr gerne Gleichheit für Gerechtigkeit haltet und die ihr meint, gerecht sei, was gleichmacht! Nein, Gleichmacherei bringt nur gefühlte Gerechtigkeit. Friedrich August von Hayek wusste zu gut, auf was der Anspruch totaler irdischer Gerechtigkeit hinausläuft: Für ihn ist solche „Gerechtigkeit“ das Trojanische Pferd des Totalitarismus.

Aber hat nicht Ludwig Erhard 1957 die Parole „Wohlstand für alle“ ausgegeben und ein Buch dazu geschrieben? Ja, das hat er. Gerne wird dabei aber vergessen, dass Erhard Wohlstand nur über eine Wettbewerbsgesellschaft und über millionenfache individuelle Leistung für möglich hielt. Vorteile jedes einzelnen, so Erhard, sollten aus dessen höherer Leistung resultieren. Deshalb müsse das „persönliche Leistungsstreben“ wachgehalten werden.

Also doch nichts mit „Freibier für alle“?

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Kommentare ( 24 )

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Sabine W.
7 Jahre her

Danke für die Info, Veronika.
Dann mach ich mich mal schlau über seine anderen Aktivitäten. 🙂

Jens Frisch
7 Jahre her

Friedrich Nietzsche: „Unsre Gebildeten von heute, unsre »Guten« lügen nicht – das ist wahr; aber es gereicht ihnen nicht zur Ehre! Die eigentliche Lüge, die echte resolute »ehrliche« Lüge (über deren Wert man Plato hören möge) wäre für sie etwas bei weitem zu Strenges, zu Starkes; es würde verlangen, was man von ihnen nicht verlangen darf, daß sie die Augen gegen sich selbst aufmachten, daß sie zwischen »wahr« und »falsch« bei sich selber zu unterscheiden wüßten. Ihnen geziemt allein die unehrliche Lüge; alles, was sich heute als »guter Mensch« fühlt, ist vollkommen unfähig, zu irgendeiner Sache anders zu stehn als… Mehr

Berndi
7 Jahre her

Schade, dass „egalitär“ nun auch ein Schimpfwort ist. Dass diese Kommunisten sich auch alles unter den Nagel reißen müssen.

Luisa
7 Jahre her

Danke Josef Kraus, dass Sie „Wohlstand für alle“ im Ehrhard’schen Sinn dargestellt haben. Ja, mit Freude wurde sich gebildet, weitergebildet, gearbeitet, um sich etwas leisten zu können.
Leisten kommt eben von Leistung am Arbeitsplatz, von Wettbewerbsfähigkeit. Der Kapitalismus in der freien Marktwirtschaft hat zwar auch mit Risikobereitschaft – in Sinne von Investitionen und Arbeitsplätzen – zu tun, jedoch nichts mit Spekulationen, die zum Turbokapitailsmus führen können.
Durch persönliches Leistungsstreben, im sportlichen Wettbewerb mit anderen, nach getaner Arbeit, kann das „Freibier für alle“ erst zur verdienten Entspannung führen.

Lothar Finger
7 Jahre her

…in diesem Land ist es nicht möglich durch Arbeit (auch durch viel Arbeit) reich zu werden!
Muss ich nach 32 Jahren Existenzgründung und Selbständigkeit sagen.

Axel Graalfs
7 Jahre her

Wie soll ein Schüler an sich selbst eine Begabung erkennen, wenn er sich nicht mit seinen Mitschülern vergleichen kann? Nur durch den Vergleich treten die Begabungen zutage. Stattdessen soll er heute ein schlechtes Gewissen haben, wenn er ein sehr gute Arbeit abliefert. Das ist das Ergebnis, wenn Leute mit abgebrochenen (Geistes-)Wissenschaftsstudien heute Bildungspolitik machen. Die späte Rache für die angebliche eigene Benachteiligung in der Schule. Wir erklären einfach alle zu Hochbegabten und schon sind alle zufrieden. Alles sind hochbegabt und niemand illegal. So malt man sich die Welt schön. Es ist eine Absage an das Wettbewerbs- und Leistungsprinzip. Niemand strengt… Mehr

F.Peter
7 Jahre her

Um bei Erhard zu bleiben: Mit Wohlstand für alle war sicherlich nicht gemeint, dass Wohlstand für alle gleich sein sollte! Denn Wohlstand kann für jeden eine andere Ausprägung haben. Was jedoch sicherlich dem Begriff als Grundlage dienen kann, ist, dass man von seiner Hände Arbeit auch leben können sollte! Und das ist in diesem Land nicht mehr gegeben, einem Land, das noch nie soviel Reichtum und Steuereinnahmen angehäuft hat und politisch so schlecht verwaltet wurde! Wenn die Politiker wenigstens Chancengleichheit schaffen wollten, in der jeder nach seinen Begabungen und Fähigkeiten gefordert und gefördert wird, dann sollten sich diese abgehobenen Damen… Mehr

freundliches Gesicht
7 Jahre her

„Dennoch sind monströse Wohlstandsunterschiede, wie sie heute üblich sind und die stetig schärfer werden, schlicht unmoralisch.“ Eine sachliche Argumentation auf die Begrifflichkeit des „Unmoralischen“ fällt nunmal schwer. Gerade die Einteilung dessen, was moralisch oder unmoralisch ist das Problem, gegen das auch der Artikel anschreibt. Wer bestimmt denn, ab wann ein Wohlstandsunterschied unmoralisch ist, oder ab wann ein Wohlstandsunterschied monströs genug ist, uzm unmoralisch zu sein? Genau diese vermeintliche Befugnis, zu bestimmen, ab wann etwas unmoralisch – und damit „unzulässig“ – ist die Saat, aus der Totalitarismus entspringt, der heute in diesem Land in seinen Ursprüngen schon wieder deutlich zu erkennen… Mehr

Walter Knoch
7 Jahre her

Wenn Gerald Hüther, wie unten beklagt, durch den Beitrag von Josef Kraus Unrecht widerfahren sollte, dann hätte Hüther, mit der bitte um Verzeihung, seinem Buch nicht diesen hirnrissigen Titel geben dürfen. Wir sind nicht alle hochbegabt. Nicht einmal auf einem Gebiet. Wir sind zum allergrößten Teil Durchschnitt: etwas über dem Durchschnitt, gemeiner Durchschnitt, etwas unter dem Durchschnitt und manchmal auch, Gott sei es geklagt, sehr weit unter dem Durchschnitt. Dann gibt es hochbegabte- oder muss es heißen hochtalentierte – Langstreckenläufer, vor allem aus Kenia und Äthiopien. Ausgesprochen hochbegabte Sprinter, vor allem aus der Karibik. Ausgesprochen hochbegabte in den Mintfächern, vor… Mehr

Philoktet
7 Jahre her

Zu Ihrem letzten Satz:
Selbstverständlich kann es keine Ergebnisgleichheit geben.

Und Chancengleichheit? Die gibt es doch auch nicht, kann es nicht geben.
Welche Voraussetzungen braucht man in Broders Beispiel?
Die hat weder Herr Broder von Natur aus für Rennfahrer, noch Frau Künast für Model. So ist das eben.