Tichys Einblick
Propaganda der BpB

Die Woken greifen nach dem Sommermärchen

Die Woken können sich nicht entscheiden, wenn es um Fußball geht. Einerseits wollen sie den beliebtesten Sport für sich vereinnahmen. Zum anderen ist der für sie voll von Nationalismus. Wie jetzt für die „Bundeszentrale für politische Bildung“.

ARCHIV - Tausende Zuschauer verfolgen am 30.06.2006 auf der Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin das WM-Fußballspiel zwischen Deutschland und Argentinien

picture alliance / dpa | Marcel Mettelsiefen

Zum Wesen von Märchen gehört, dass sie weitererzählt werden. Von Mund zu Ohr, von Ohr zu Mund verändern sie sich. Zudem wechseln die Zeiten. Mal herrscht für zwölf Jahre ein tausendjähriges Reich oder für 40 Jahre wird das Arbeiterparadies ausgerufen. Dann wird während der Epoche aus dem Bösen Wolf, ursprünglich als Frauenschänder angelegt, ein Kapitalist oder ein anderes Feindbild.

Dem „Sommermärchen“ geht es auch so. Mit diesem euphorisierenden Begriff wird verdeutlicht, welch gute Zeit die Deutschen während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatten. Mit herrlichem Wetter, einer halbwegs erfolgreichen Mannschaft und einem Fest, dass sie „mit der Welt zu Gast bei Freunden“ gefeiert haben. Die Gäste trugen ihr Blau-Weiß, ihr Gelb-Grün oder ihr Grün-Weiß-Rot. Keiner hätte es verstanden, wenn die Gastgeber da auf ihr Schwarz-Rot-Gold verzichtet hätten. Keiner hat es ihnen verübelt, dass sie es dann nicht taten.

Doch Deutschland hatte zwar 2006 „die Welt zu Gast bei Freunden“ – nur im Inneren war es schon damals gespalten. Gab es bereits die Stimmen, die in jeder deutschen Fahne einen faschistoiden Ausbruch gewittert haben. Nur hat sie damals keiner ernst genommen, weshalb sich die Erzählung vom Sommermärchen überhaupt erst entwickeln konnte. Mittlerweile sind diese Stimmen an der Macht. Und sie nutzen diese nicht nur, um ihre Propaganda der Mehrheit aufzuzwängen, sondern auch, um sich vom Steuerzahler dafür noch fürstlich aushalten zu lassen. So wie die Bundeszentrale für politische Bildung. Einst als neutrale Behörde gegründet ist sie längst zu einem Zentrum für skrupellose grün-rote Propaganda verkommen.

Nach den überraschend positiven Auftritten der Nationalmannschaft in der EM-Vorrunde und im Achtelfinale gegen Dänemark versucht die Bundeszentrale für politische Bildung, wieder die Deutungshoheit über den Fußball zurückzugewinnen. Deswegen veröffentlichten ihre Aktivisten in der Spielpause auf Instagram ein Video, das die Frage aufwirft, ob die Weltmeisterschaft 2006 „ein Sommermärchen für den Nationalismus“ war (https://www.instagram.com/p/C86xS4-oQbT/; inzwischen wurde das Video bei Instagram gelöscht). Von der Bundeszentrale gestellt ist die Antwort auf die Frage nicht allzu überraschend: Jürgen Klinsmann und Bastian Schweinsteiger hätten die Pegida-Demos knapp zehn Jahre später überhaupt erst ermöglicht, heißt die steile These.

Nun ist das „Sommermärchen“ keine Erzählung der Gebrüder Grimm. Es ist die Euphorisierung eines Ereignisses, das konkret stattgefunden hat. Deswegen lohnt sich ein Blick darauf, wie es wirklich gewesen ist. Vor dem Turnier gab es alles andere als Euphorie. Die Deutschen hatten im Frühjahr ein Testspiel gegen Italien 1:4 verloren, was Zweifel an der Leistungsstärke der Mannschaft aufkommen ließ. Und auch sonst herrschte jede Menge „German Angst“.

Die Stimmung drehte sich im zweiten Vorrundenspiel. Die Partie gegen Polen war bis kurz vor Schluss eine äußerst zähe Angelegenheit. Ein klassisches 0:0. Erst spät brachte Teamchef Jürgen Klinsmann den Dortmunder David Odonkor. Dass er den rechten Verteidiger überhaupt in den Kader aufgenommen hatte, gehörte zu den Momenten, die im Vorfeld des Turniers „German Angst“ ausgelöst hatten. In der 90. Minute setzt sich dann dieser Odonkor spektakulär über Rechts durch, legt den Ball in die Mitte, wo ihn Oliver Neuville ins Tor grätschte. 1:0. Die Erzählung vom „Sommermärchen“ begann.

Das waren also die ersten Helden des Sommermärchens: der in der Schweiz geborene Sohn einer Kalabresin und der Sohn eines Ghanaers, dessen Teilnahme am Turnier hoch umstritten war. Oder wie es die Bundeszentrale für politische Bildung heute als objektive Position zu verkaufen sucht: Die Weltmeisterschaft war nur ein „Sommermärchen für den Nationalismus“. Danke, Bundeszentrale für politische Bildung. Setzen, in Fußballgeschichte eine klare Sechs.

Der Fußball war schon immer ein Hort gelebter Integration. Erdal Keser spielte für Borussia Dortmund bereits als Fußballdeutscher, als die Deutschen in den Türken noch „Gastarbeiter“ sahen, die irgendwann wieder in „ihr Land“ zurückkehren würden. Auch hat die Weltgeschichte nie vor dem Fußball halt gemacht. Einer der „Helden von Bern“ hieß 1954 Josef „Jupp“ Posipal. Er war im Krieg als 16-Jähriger halb freiwillig, halb gezwungen, von Rumänien nach Deutschland gekommen. Nach dem Krieg riet ihm seine Mutter von der Heimkehr ab. Das sozialistische Regime behandele Heimkehrer wie Kriegsverbrecher. Seine Mutter hat ihrem Sohn einen guten Rat geschenkt und Deutschland einen knüppelharten Verteidiger, der großen Anteil am ersten deutschen Weltmeistertitel hatte.

Der Fußball stand nie außerhalb der Geschichte. Versuche, ihn zu vereinnehmen, hat es von Links wie von Rechts immer gegeben. Sie waren immer alle Quatsch. Am besten funktioniert der Fußball, wenn er in Ruhe gelassen wird. David Odonkor war 2006 die beste Werbung für Integration – ganz ohne, dass ein ideologischer Überbau darüber gelegt wurde. 2016 wollte eine überwältigende Mehrheit lieber Jerome Boateng als Alexander Gauland zum Nachbarn haben. Das mag sich zwischenzeitlich geändert haben. Aber eben nicht wegen der Hautfarbe Boatengs, sondern wegen individueller Verfehlungen, die sich der Spieler im Privaten mutmaßlich zuschulden kommen ließ.

Ein ideologischer Überbau ist nicht notwendig, wie das Beispiel Odonkor 2006 gezeigt hat. Er schadet der Sache sogar eher, wie das Kasperletheater um die Regenbogen- und One-Love-Binde vorgeführt hat. Sozialdemokraten in kurzen Hosen wie Leon Goretzka und Sozialdemokratinnen in kurzen Ärmeln wie Nancy Faeser taten ihrer Sache keinen guten Dienst, als sie die Weltmeisterschaft 2022 in Katar missbrauchten, um für die Sache der LGBTHC-Gemeinde zu werben. Das Ergebnis war nicht, dass sich eine Mehrheit hinter der bunten Fahne als ihrem Symbol versammeln wollte – sondern darin einen Gessler-Hut sah, den zu grüßen die Mächtigen sie zwangen.

Die Weltmeisterschaft von 2006 war eine der bittersten Niederlage für die Woken. Dass die Deutschen unverkrampft zu sich selbst stehen, ist für die Woken der größtdenkbare Albtraum. Beruht ihre Macht und ihr Weg zu Steuermilliarden doch auf dem schlechten Gewissen, das sie den Deutschen machen. Verbunden mit der Aufforderung, ein Leben in Sack und Asche zu führen. Seit 2006 suchen die Woken nach der Chance zur Revanche. Das Video der Bundeszentrale für politische Bildung ist da nur ein weiterer Freistoß. Großzügig finanziert von der ach so rechtsextremen Mitte.

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