Bei der Meyer-Werft in Papenburg gibt es nach turbulenten Wochen eine Einigung über die Zukunft. Die Werft baut gigantische Kreuzfahrtschiffe und spielt eine entscheidende Rolle im deutschen Schiffsbau. Bei einer der weltweit größten Schiffswerften sollen statt der zunächst geplanten Streichung von 440 Stellen jetzt 340 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das wurde gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Papenburg mitgeteilt.
Der Stellenabbau soll demnach möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Im Gegenzug gibt es eine Mindestbeschäftigung für 3.100 Angestellte bis 2030. Neu ist, dass ein Aufsichtsrat und ein Konzernbetriebsrat eingerichtet werden sollen. Der Sitz des Unternehmens soll wieder von Luxemburg nach Deutschland verlagert werden.
Der nächste Schritt im Kampf um die Meyer-Werft in Papenburg. Die Auftragsbücher sind zwar voll, doch die Werft benötigt dringend knapp 2,8 Milliarden Euro, um bis 2028 bestellte Schiffe fertig zu bauen. Die müssen üblicherweise fast vollständig vorfinanziert werden, 80 Prozent der Summe werden bei Ablieferung bezahlt. Auch die Finanzierung wäre unter normalen Umständen kein größeres Problem. Ebensowenig wie ein Kredit über 550 Millionen Euro, der im November zurückgezahlt werden muss.
»Das Land Niedersachsen allein wird die Probleme nicht lösen können«, so Niedersachsens grüner Finanzminister Gerald Heere, »aber wir sind bereit, das Unsrige zu tun, um Beschäftigung und Wertschöpfung vor Ort zu erhalten.« Das sagt ausgerechnet ein grüner Minister, der kein Problem damit hat, Milliarden für sogenannten Klimaschutz und noch mehr Windräder und Photovoltaik-Anlagen zu verpulvern. Die Grünen kämpften und klagten früher erbittert aus angeblichen Umweltgründen gegen die Meyer-Werft und hätten sie am liebsten dicht gemacht. Dies hat die Werft viel Geld gekostet; sie hat als eine der wenigen deutschen Werften der Werftkrise getrotzt.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte bereits vor Wochen gefordert, dass sich die Werft angeblich »neu aufstellen« müsse. Ihm und dem rot-grünen Spektrum in Niedersachsen ist vor allem ein Dorn im Auge, dass Seniorchef Bernard Meyer 2015 in Luxemburg eine Holding gegründet hat, die über die Geschicke der Werft bestimmt und sich so Aufsichtsrat und Mitbestimmung vom Hals halten konnte.
Lies wollte schon seit langem, dass die Meyer-Holding wieder an die Ems zieht und wettert gemeinsam mit Gewerkschaften gegen Meyer. Kein Wunder, dass IG-Metaller lauthals der Forderung nach Aufsichtsrat, Betriebsrat und Mitbestimmung zustimmen. IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich gibt tatsächlich von sich: »Der Meyer-Führung muss bewusst sein, dass es eine staatliche Hilfe nur unter der Bedingung geben kann, dass die Holding zurück nach Papenburg zieht.«
Die Medien holzen ebenfalls kräftig drein. »Der hausgemachte Abstieg«, so die Neue Osnabrücker Zeitung, und legt mit »Die Fehler des Managements« nach. Die zerstörerische Industriepolitik wird nicht untersucht.
Dabei konnte es Lies nicht schnell genug mit dem Abschalten der Energiequelle KKW Grohnde gehen. Als früherer Umweltminister peitschte er das Aus durch, lehnte Laufzeitverlängerungen ab und will noch mehr Windräder in die verschandelte Landschaft stellen lassen. Zusätzlich hat der SPD-Mann mit der Landesregierung in Hannover mit Begeisterung die wichtigste Energiequelle der Meyer-Werft abgewürgt, das KKW Emsland. Das versorgte die Werft zuverlässig mit preiswertem Strom. Jetzt sollen es Windräder richten, die sind teuer und unzuverlässig.
Dabei gilt die Werft in Papenburg als Aushängeschild des deutschen Schiffsbaues. Mit fast unglaublicher Präzision entstehen die größten Kreuzfahrtschiffe erstaunlich weit im Landesinneren. Die Schiffsriesen werden in beeindruckender Präzisionsfahrt durch die Ems, die für das große Schiff ein kleines Rinnsal ist, Richtung Nordsee bugsiert. Dazu wurde die Ems etwas ausgebaggert – gegen den Widerstand von Grünen. Sogenannte Naturschützer bereiten dem Unternehmen seit langem Schwierigkeiten, die bei jedem Aufstauen der Ems die größte Umweltkatastrophe beschwören. Der Fluss muss für die Fahrt aufgestaut werden, damit das Schiff genügend Wasser unter dem Kiel hat.
1795 in Papenburg am Hauptkanal gegründet, lebte die Werft lange vom Bau von Fischkuttern und Lotsenbooten, und zählt heute zu den wenigen großen Werften der Welt, die Kreuzfahrtriesen bauen können und damit auch noch Geld verdienen. In Sonntagsreden sonnen sich Politiker gern im Glanz des eindrucksvollen Werftkomplexes.
Gingen in Deutschland während der lange anhaltenden Werftenkrise viele große und traditionsreiche Schiffswerften unter, überlebte die Meyer-Werft in dem äußerst schwierigen Segment des Schiffsbaues in einem Land, in dem alles deutlich teurer als in anderen Ländern ist – von Energie angefangen über Stahlpreise bis hin zu Löhnen und Nebenkosten und natürlich Bürokratie. Sie fand dazu die Ecke im speziellen Segment des Baus von Kreuzfahrtschiffen. Das funktioniert nur mit technologischen Spitzenleistungen; in einem eigenen Technologiezentrum wird moderne Schiffsbautechnik unter anderem mit Laserschweißtechnik weiterentwickelt.
Allerdings setzte dem Unternehmen die von der Politik vom Zaun gebrochene Corona-Krise massiv zu. Der Bau neuer Kreuzfahrtschiffe lag erstmal auf Eis. Zudem haben sich die Preise für Stahl und Energie drastisch erhöht – ebenfalls politisch gewollt. Die energieintensive Werft dürfte auch über dramatisch erhöhte Energiekosten an den Rand gedrängt werden.
Jetzt freuen sich SPD, Grüne und Gewerkschaftsfunktionäre darauf, gutdotierte Posten im neuen Aufsichtsrat unter sich aufteilen zu können. Das Grundproblem, das auch der Meyer-Werft eine kostengünstige Produktion fast unmöglich macht, wollen auch die nicht lösen: exorbitant hohe Kosten vor allem für Energie neben den gestiegenen Stahlpreisen. Im Gegenteil: Sie werden vermutlich weiter darauf drängen, dass die Werft noch »grüner« wird, den CO2-Unfug fortspinnt und damit die Kosten so hoch treibt, dass sie auf dem Markt bei den Reedereien nicht mehr hereinzuholen sind. Dann wird das Land wieder einspringen. Es sind ja jetzt dieselben Figuren – solange der Steuerzahler noch zahlen kann.
Die Auseinandersetzung um die Meyer-Werft scheint das typische Beispiel zu werden, wie eine Politik Unternehmen ruiniert und dann die industriellen Überreste verstaatlichen will. Als Belohnung winken fette Aufsichtsratsposten wie bei Volkswagen. Dort, ein paar Kilometer weiter von Papenburg entfernt in Emden, machen Lies & Co gerade vor, wie Industriepolitik nicht geht. In Emden steht ein VW-Werk, das gerade zu einer reinen E-Auto-Produktionsstätte »transformiert« werden soll. Bis 2030 soll das Werk null Tonnen CO2 ausstoßen. Das wird vermutlich gelingen, weil bis dahin niemand mehr die E-Autos kauft, die dort produziert werden. Schon jetzt wissen sie nicht mehr, wohin mit den vielen E-Autos. Die Halden mit E-Autos aus Emden stehen voll.
Jetzt sehen rotgrüne Nassauer und Gewerkschaftsfunktionäre die günstige Gelegenheit, die wunde Werft vollends zu zertrümmern und sich unter den Nagel zu reißen. Ausgerechnet diejenigen, die außer Steuergelder abkassieren nichts gelernt haben und mit Sicherheit noch in keiner Verhandlung über den Verkauf eines Kreuzfahrtschiffes saßen, wissen plötzlich, wie es besser geht. Einen Ausgleich für steigende Preise von Stahl und Strom habe Meyer nicht vertraglich festgeschrieben – so lautet ein Vorwurf gegen die Firmenleitung. Der kommt ebenfalls von denen, die nicht wissen, ob eine solche Klausel gegenüber dem Kunden und der massiven Konkurrenz überhaupt durchsetzbar ist. Eher ein Wunder, dass Meyer überhaupt gegen den weltweiten Schiffsbau beherrschende Südkoreaner und Chinesen bestehen konnte.
Meyer würde ein sorgfältig kalkulierender Berater vermutlich raten, die Werft in Papenburg dichtzumachen und den Bau nach Asien zu verlagern. Dort sind die Stahlpreise niedrig, es gibt keinen teuren Unfug in Sachen CO2-Abgaben – und vor allem ist dort die Energie billig.