Kurz vor der Europameisterschaft verfügte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Einführung von Kontrollen an allen deutschen Grenzen. Die Politikerin sprach sogar von „Grenzschließung“ – also einem Zustand, von dem die Ampel-Regierung wie vorher die Regierung Merkel immer behaupteten, er sei rechtlich und technisch gar nicht möglich. Allein bis zum 15. Juni vollstreckte die Bundespolizei nach eigenen Angaben durch die wieder eingeführten Kontrollen 173 offene Haftbefehle, verhinderte 900 illegale Einreisen und nahm 34 Schleuser fest. Der AfD-Abgeordnete Matthias Moosdorf fragte angesichts dieser Zahlen die Bundesregierung:
„Beabsichtigt die Bundesregierung mit Blick auf die angekündigten Grenzkontrollen während der Fußballeuropameisterschaft, […] die Grenzkontrollen nach der Fußballeuropameisterschaft unverändert fortzusetzen, so wie es die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag seit langem fordert, und wenn nein, warum nicht?“
Die Antwort des Innenministeriums, die TE vorliegt, lautet zusammengefasst: die Kontrollen gehen noch ein bisschen weiter, hören dann aber auf – und der alte Zustand der Nicht-Kontrolle kehrt zurück.
„Im Rahmen der umfassenden und vielfältigen Sicherheitsvorkehrungen der Polizeien der Länder und des Bundes anlässlich der UEFA EURO 2024 hat die Bundesministerin des Innern und für Heimat mit zeitlichem Vor- und Nachlauf zum Turnier mit Wirkung vom 7. Juni 2024 bis zum 19. Juli 2024 die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen an allen deutschen land-, luft-, und seeseitigen Schengen-Binnengrenzen angeordnet.“
Nach dem 19. Juli soll die Praxis noch fortgesetzt werden. In der Stellungnahme des Faeser-Ministeriums heißt es weiter:
„Unabhängig von den aus Anlass der UEFA EURO 2024 vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen hat die Bundesministerin des Innern und für Heimat aus sicherheits- und migrationspolitischen Erwägungen an den deutschen Landgrenzen zur Republik Polen, zur Tschechischen Republik und zur Schweiz die vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen derzeit bis einschließlich 15. Dezember 2024 angeordnet. An der deutsch-österreichischen Landgrenze wurde die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen bis 11. November 2024 angeordnet.“
Grundlage dafür seien Artikel „25 ff. der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen“, kurz Schengener Grenzkodex. Der erlaubt es Nationalstaaten, bei einer „ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ Kontrollen an Binnengrenzen einzuführen – allerdings nur vorübergehend. So teilt es auch das Innenministerium mit: die vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen“ sei „nur […] ultima ratio und zeitlich begrenzt“.
Danach will die Regierung offenbar wieder zum alten Zustand zurückkehren. Tatsächlich sank die Zahl der neuen Asylanträge in den vergangenen Monaten – offenbar, weil viele Schleuser wissen, dass das Risiko für sie selbst und Migranten derzeit hoch ist, an der Grenze abgefangen zu werden. Angesichts der Umfragen zu den in Ostdeutschland bevorstehenden Landtagswahlen und der Möglichkeit, dass gegen alle Beteuerungen der Regierung 2024 doch schon Bundestagswahlen stattfinden, kommt den Ampelparteien ein reduzierter Einwanderungsdruck entgegen. Faeser findet damit eine Möglichkeit, den Zustand temporär zu verbessern, ohne das Scheitern der bisherigen Migrationspolitik offiziell eingestehen zu müssen. Und – noch wichtiger – ohne einen grundlegenden Kurswechsel.
In den kommenden Wahlkämpfen dürfte es eine Rolle spielen, dass die Regierung mit ihrem Manöver demonstriert: Grenzen lassen sich durchaus kontrollieren. Wie strikt und wie lange: diese Entscheidung liegt bei der Politik.