So verheerend das TV-Duell für die Democrats auch lief, es gibt keine Konsequenzen. Egal, wie entsetzt alle im direkten Anschluss waren, Biden macht weiter. Er ist für die Democrats fast unmöglich, ihn zu ersetzen, sollte er nicht freiwillig abtreten. Hier zehn Gründe, warum Biden weitermacht.
Erstens. Biden klebt am Stuhl
Der Präsident will nicht aufhören, auch wenn er zugab, dass sein Auftreten schon mal jünger und besser war. Er erklärte seinen Anhängern in Atlanta, direkt nachdem er die TV Bühne verlassen hatte: „Lasst uns weitermachen“. Kampagnensprecherin Lauren Hitt noch klarer am nächsten Tag: „Natürlich hört er nicht auf“. Der größte Zuspruch kommt von seiner Frau. Jill Biden peitscht ihn an, lobt ihn, jubelt ihm zu. Biden selbst glaubt, dass er Trump erneut besiegen kann und fühlt sich dieser Mission verpflichtet. Er lebt in einer Blase aus bedingungslosem Zuspruch, in der ihn Kritik nicht mehr erreicht.
Zweitens. Die Regeln der Democrats
Jeder Bundesstaat hat bereits die Primaries, Präsidentschaftsvorwahlen, abgehalten. Die Regeln der Demokratischen Partei besagen, dass die Delegierten, die Biden dabei gewonnen hat, ihn auf dem bevorstehenden Parteitag wählen müssen, es sei denn, Biden würde freiwillig abtreten. Das Demokratische Nationalkomitee (DNC) könnte vor der Eröffnung des Parteitages am 19. August zusammentreten und die Regeln ändern, aber das ist so lange unwahrscheinlich, wie Biden weitermachen will. Der Versuch, Biden im August zu ersetzen, könnte tatsächlich noch gefährlicher werden, als bei dem lahmen Gaul zu bleiben, den man derzeit reitet.
Drittens. Die Zeit ist knapp
In Ohio muss – sollte nicht noch eine Regeländerung durchkommen – sogar bis zum 7. August fest stehen, wer auf dem Wahlzettel steht. Das sind gerade mal fünf Wochen.
Viertens. Meuterei auf der Bounty
Der einzige Weg, sollte Biden nicht freiwillig das Feld räumen, wäre eine Meuterei. Vizepräsidentin Harris müsste offiziell mit einer Mehrheit des Kabinetts einen Antrag auf Absetzung des Präsidenten stellen. Die Begründung müsste lauten, dass er unfähig sei, sein Amt auszuüben. Das gilt als hochgradig unwahrscheinlich.
Fünftens. Die Schönredner
Während sogar demokratische Zeitschriften deutlich auf den desaströsen Zustand Bidens beim Duell hinweisen, sammeln sich demokratische Politiker um ihn wie Arbeitsbienen um die Königin. Allen voran Kamala Harris und Barack Obama, die beide beteuern, er hätte jetzt zwar 90 Minuten nur mittelmäßig performt, die dreieinhalb Jahre davor aber hervorragende, ja einzigartige Großtaten vollbracht.
Sechstens. Die Vogel-Strauß-Taktik
Bidens Kampagnenteam war das gesamte Wochenende unterwegs, um den teilweise stark erschütterten Spendern zu versichern, dass Biden in der Lage bleibt, Donald Trump zu schlagen. Das Duell wäre ein Ausrutscher gewesen, das sei anderen auch schon passiert. Der Präsident sei generell absolut fit.
Siebtens. Das Geld würde knapp
Ein wichtiger Punkt bei US-Wahlen ist das Geld. All die Spenden, die Biden gesammelt hat, könnten selbst bei einem freiwilligen Rücktritt nicht einfach an den nächsten Kandidaten weiter gegeben werden. Der oder die müsste seine eigene Spendensammlung aufbauen. Es geht hier um Hunderte von Millionen US-Dollar, nicht einfach für einen Neueinsteiger, diese Summen innerhalb kürzester Zeit zu sammeln.
Achtens. Wer sollte Biden ersetzen?
Biden hat es versäumt, einen Nachfolger heranzuziehen. Kamala Harris ist zwar erst 59, aber tatsächlich deutlich unbeliebter als er, und wird kaum gegen Trump punkten können. Michelle Obamas Name wird immer wieder in den Ring geworfen, aber sie weigert sich (noch). Für 2028 wurden bereits Kandidaten in Betracht gezogen. Es kann sein, dass diese – hinter den Kulissen und hinter Bidens Rücken – jetzt kontaktiert werden. Da wären Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer, Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro, der Gouverneur von Kalifornien Gavin Newsom, Marylands Gouverneur Wes Moore, der Bundesverkehrsminister Pete Buttigieg, North Carolinas Gouverneur Roy Cooper und Georgias Senator Raphael G. Warnock. Keiner dieser potentiellen Kandidaten stellt sich bisher gegen Biden, im Gegenteil, sie stärken ihm den Rücken.
Neuntens. Gab es Präzedenzfälle?
Ja. 1968 entschied sich Präsident Lyndon B. Johnson, nicht erneut anzutreten. Wie Biden war LBJ ein Berufspolitiker. Er diente erst als Senator, dann als Vizepräsident und schließlich im Oval Office. Seine Regierung war aufgrund des Vietnamkrieges umstritten und seine Gesundheit angeschlagen. Es war seine Frau, die ihm gut zusprach und sagte, dass er körperlich nicht mehr in der Lage sei, das Amt auszufüllen. Eine Umfrage am Tag nach dem Rücktritt des Präsidenten ergab, dass sich die Meinung von 57 Prozent Missbilligung auf 57 Prozent Zustimmung gedreht hatte. Amerika zog seinen Hut vor der sicherlich schweren Entscheidung.
Zehntens. Wer regiert derzeit eigentlich?
Schwer zu sagen. Biden gilt als sturer Bock, altersstarr könnte man böswillig sagen. Er kann aggressiv sein, hält seine Mannschaft zusammen. Um ihn herum steht eine Wagenburg aus Obama, Clinton, Nancy Pelosi und seiner Familie. Allerdings regiert Geld die Welt und es heißt, die eigentlichen Strippenzieher seien die Mächtigen der Wirtschaft und die Algorithmen der Social Media. Solange diese Gruppe Biden weiter stützt, wird er Kandidat bleiben.