Tichys Einblick
Test vor Nominierung?

Morgen TV-Duell Trump gegen Biden

Der 90 minütige Blockbuster Biden vs Trump wird in den USA mit Spannung erwartet. Werden wir live Zeugen einer Entgleisung Trumps oder eines Senior-Moments Bidens werden? Popcorn steht bereit.

IMAGO - Collage: TE

Am Donnerstag,dem  27. Juni um 21.00 Uhr (Deutschland Freitag 03.00) startet das TV-Duell auf CNN. Die Moderatoren werden Dana Bash und Jake Tapper sein, es wird zwei Werbeunterbrechungen geben. CNN will eine „zivilisierte Diskussion“ daher werden die Mikrofone stummgeschaltet, außer bei direkten Fragen. Darüber hinaus wird es zum ersten Mal seit 1960 kein Studiopublikum geben. Trump soll dadurch die Chance genommen werden, Gäste hereinzubringen, die seinen Gegner einschüchtern oder verwirren könnten. Wir erinnern uns, bei der Debatte mit Hillary Clinton im Jahr 2016 brachte Trump drei Frauen mit die Bill Clinton des sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt hatten. Dieses Mal soll Trump das letzte Wort haben.

Der Rahmen wurde also durchaus zugunsten des amtierenden Präsidenten gesteckt. Nicht nur gibt es kein Livepublikum, auch die Drogentests, die Trump vorab gefordert hatte wurden abgelehnt. Das Stummschalten der Mikrofone allerdings könnte beiden Kandidaten nutzen. 2020 war Trump dem damaligen Herausforderer Biden rund 100 mal ins Wort gefallen bis der „Halt die Klappe“ rief und damit beim amerikanischen Publikum Punkte sammelte.

1960 Kennedy gegen Nixon

Wie wichtig sind diese Präsidentschaftsdebatten eigentlich wirklich? Im September 1960, bei der allerersten Ausgabe, stellte sich der damalige Vizepräsident Richard Nixon (R) dem Herausforderer, Senator John F. Kennedy (D). Vor der Debatte führte Nixon in den Umfragen und man ging davon aus, dass er das Duell haushoch gewinnt, da er Know-how und Erfahrung hatte. Aber innerhalb weniger Minuten nach Beginn der Sendung wurde klar, dass Nixon die Situation und das Medium falsch eingeschätzt hatte.

Einen Maskenbildner hatte er abgelehnt, sah erschöpft und verschwitzt aus. Nixons Mutter rief während der Sendung an und erkundigte sich besorgt nach seinem Wohlbefinden. Der attraktive Kennedy wirkte neben ihm dynamisch. Zudem beantwortete der junge Senator die Fragen ruhig und kenntnisreich. Die Zuschauer waren beeindruckt. Nixon dagegen schaute oft auf die Uhr an der Studiowand und erweckte den Anschein, die Sache einfach nur hinter sich haben zu wollen. Bush sr. machte übrigens einmal den gleichen Fehler, als er während der Debatte 1992 ständig auf seine Armbanduhr schaute.

Was damals niemand wusste: Kennedys ruhige und beherrschte Art war das Ergebnis langer Proben. Er hatte Tage damit verbracht, sich mit Beratern vorzubereiten und Statistiken aus Karteikarten zu lernen. Über Stahlproduktion, sowjetische Wissenschaftler und die Hindernisse, denen sich schwarze Amerikaner auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sahen. Und er führte aus, er wolle sich für eine gerechtere, ehrgeizigere Gesellschaft einsetzen. Das kam an.

Auf der Bühne verschwand Nixons angenommener Vorteil „noch bevor die erste Debatte vorbei war“, schrieb die Historikerin Doris Kearns Goodwin in ihrem Buch „An Unfinished Love Story: A Personal History of the 1960s“. Kennedy setzte sich durch und gewann die Wahl, wenn auch knapp mit weniger als 0,02 Prozent.

TV-Duelle wirkten immer

Die späteren Kandidaten haben aus dieser Geschichte gelernt. Niemand unterschätzt mehr die Wirkung der TV-Duelle. Mitchell McKinney, der für die University of Akron seit Jahrzehnten Wähler vor und nach den Debatten befragt, weiß, dass sie entscheidend sein können.“Es sind immer um die fünf Prozent die sagen: ‚Ich war mir nicht sicher, aber jetzt bin ich es“. Das kann bei einer hauchdünnen Wahl einen Unterschied machen.

Biden wird bereits seit vergangenem Freitag in Camp David von verschiedenen Beratern geschult und auf alle Eventualitäten vorbereitet. Bob Bauer ist Bidens persönlicher Anwalt und war einer der Top-Wahlkampfanwälte der Demokratischen Partei. Heute spielt er Trump während Bidens Vorbereitung. Über die diesjährige Vorbereitung will er nichts verraten, in einem Buch, The Unraveling: Reflections on Politics without Ethics and Democracy in Crisis, beschreibt Bauer aber, wie er vor vier Jahren Biden während der Proben so anzugehen und anzugreifen wusste, wie man es von Trump erwarten würde. „Man macht sich nicht nur beliebt beim Kandidaten“, meint er übertrocken. Biden aber war vorbereitet. Über Trumps Sparringspartner ist nichts bekannt, es heißt, er säße mit Anwälten und Beratern in Mar-a-Lago zusammen, wolle sich seine Spontanität aber nicht nehmen lassen.

Werden sich die beiden Kontrahenten auch unter der Gürtellinie angreifen? Ganz sicher. Biden wird Trump einen verurteilten Verbrecher nennen und nicht zögern, ihm das immer und immer wieder vorzuwerfen. Die ganze Kampagne des Präsidenten ist derzeit auf der Verurteilung Trumps aufgebaut. Trump wiederum wird ihm die Verurteilung seines Sohnes und die Verstrickungen der „Biden Crime Family“ vorwerfen, wie die Republikaner die Familie der Bidens oft nennen.

Duell vor offizieller Kandidaten-Nominierung als Test?

Eine Frage allerdings bleibt, und wird vielleicht erst nach dem TV Duell beantwortet werden: Warum findet das Duell statt, bevor die Kandidaten überhaupt offiziell nominiert wurden? Dieser Fall ist ein Novum in der amerikanischen Geschichte. Die Vorwahlen sind noch nicht komplett abgeschlossen und weder Biden noch Trump wurden beim jeweiligen Parteitag bestätigt. Die erste Debatte findet fast drei Monate früher statt als üblich. Auch das Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten, was regulär etwas später ausgestrahlt worden wäre, findet nicht statt. Trump hat ja noch keinen offiziellen Kandidaten nominiert.

Erklärungen machen die Runde: Die überzeugendste Theorie bisher lautet, dass die Debatte eine Art Testballon ist. Wird Biden es ohne Aussetzer schaffen? Wird er wieder völlig verloren mitten im Satz abbrechen und nicht mehr wissen, wo er ist? Wird das amerikanische Volk ihn für dement und unfähig halten? Aber natürlich auch, ob Trump zu radikal, zu aggressiv vorgeht. Theoretisch gäbe es genug Zeit für jede Partei, im Falle einer katastrophalen Performance einen Ersatz zu finden. Man munkelt, dass Hillary Clinton bereits in den Startlöchern steht, um unter Kamala Harris als Vizepräsidentin anzutreten.

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