Tichys Einblick
Umstrittenes Bündnis

Neue Islam-Partei tritt zur Parlamentswahl in Österreich an

Die neue "Islamische Partei Österreichs" will im September auf den Wahlzettel zum Nationalrat. Man wolle die religiösen Bedürfnisse und Rechte der Muslime in Österreich fördern. Aber Vorbilder in anderen Ländern machen skeptisch.

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Es war nur eine Frage der Zeit: Auch in Österreich hat sich jetzt am Wochenende ein muslimisches Wahlbündnis gegründet. Die „Islamische Partei Österreichs“ (IPÖ) hat zwar noch keinen Internetauftritt, will aber nach eigenen Angaben im kommenden September bei den Wahlen zum Nationalrat – dem österreichischen Parlament – antreten.

Ziel der Partei sei es, „die religiösen Bedürfnisse und Rechte der Muslime in Österreich zu sichern, fördern und zu wahren“. Vor allem gehe es darum, die Religionsfreiheit im Land zu schützen und „unsere Mitglieder bei der Ausübung ihres Glaubens zu unterstützen“.

Was genau darunter zu verstehen sein könnte, bleibt einstweilen unklar. Vorbilder aus anderen EU-Staaten lassen nicht unbedingt Gutes erahnen: In Belgien – der unbestrittenen Hochburg des europäischen Islamismus – schaffte es die dortige Partei „Islam“ schon 2012 unter anderem in Gemeinderäte der Hauptstadt Brüssel und der Wirtschaftsmetropole Anderlecht.

Bei den Gemeinderatswahlen 2018 trat „Islam“ dann zunehmend selbstbewusst auf – und forderte unter anderem einen „islamischen Staat“ sowie eine strikte Geschlechtertrennung im öffentlichen Nahverkehr. Das bezeichnete die Partei damals als „nicht extremen Islam“. Nicht wenige Belgier fragten sich damals, wie man sich dann wohl einen extremen Islam vorzustellen habe.

Belgien ist bisher allerdings eine Ausnahme geblieben. Das liegt vor allem daran, dass das islamische Lager noch zersplittert und zerstritten ist. Die – für Außenstehende oft kaum nachvollziehbaren – komplizierten inner-muslimischen Fronstellungen im Nahen Osten bilden sich auch in Europa ab: Da gibt es die klassischen konfessionellen Konflikte (Sunniten gegen Schiiten), ethnische Rivalitäten (Türken gegen Araber) und zusätzlich nationale bzw. nationalistische Eifersüchteleien (Saudi-Arabien gegen Katar).

Daran ist zuletzt auch die „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (DAVA) gescheitert: Die konservative islamische Vereinigung wollte als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Erdoğan in Deutschland Fuß fassen, konnte bei der EU-Wahl aber kein einziges Mandat erringen.

Dazu kommt, dass islamische Wahlbündnisse bisher oft von eher schillernden Figuren bevölkert wurden. Das gilt jetzt auch für die IPÖ. Erster Parteivorsitzender ist der ehemalige Hochseekapitän Gustav Jobstmann – ein 69 Jahre alter lupenreiner Bio-Österreicher. Allein das erzeugt unwillkürlich ein Stirnrunzeln.

Die ersten Querelen hat die neue Partei auch schon hinter sich. Zwei Vorstandsmitglieder haben sich kurz nach der Eintragung ins Parteiregister gleich wieder verabschiedet: Ein bekannter Fußballer mit türkischen Wurzeln und dessen Schwester erklärten, sie hätten von der ganzen Sache gar nichts gewusst, und man habe ihre Namen missbraucht.

Parteichef Jobstmann beschwichtigt: „Sie hatten Repressalien zu befürchten.“ Das ist zumindest nicht völlig abwegig: Denn Österreichs Türkische Kulturgemeinde nennt die IPÖ einen „Schlag ins Gesicht“ und warnt eindringlich vor der neuen Partei. Deren Gründung widerspreche den Interessen von Österreichs Muslimen.

Interne muslimische Querelen sind das Eine – aber die grundsätzliche Ausgangslage ist etwas ganz anderes. Und da kann kein Zweifel daran bestehen, dass es für eine islamische Partei in Österreich ein enormes Wählerpotenzial gibt. Das gilt vor allem in Wien. In den Schulen von Österreichs Hauptstadt werden 108.369 Kinder unterrichtet. Mehr als 39 Prozent von ihnen sind Muslime – nur noch knapp 19 Prozent sind katholisch.

An Wiens Schulen gibt es also mehr als doppelt so viele Muslime wie Katholiken.

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