Tichys Einblick
Die „Apotheke der Welt“ hat fertig

Novalgin verlässt Deutschland

Die Ampel ein „selbstlernendes System“. Lauterbachs Schlagwort, mit dem er seinen unbrauchbaren „Bundes-Klinik-Atlas“ beschönigen will, ist auf die ganze Ampel anwendbar: Niemals zuvor lernte eine Bundesregierung schneller, Deutschland in sämtlichen Lebensbereichen an und in den Abgrund zu führen. Von Lothar Krimmel

picture alliance/KEYSTONE | GAETAN BALLY

Jetzt hat es auch das bekannte Schmerzmittel Novalgin mit dem Wirkstoff Metamizol erwischt. Der französische Mutterkonzern Sanofi, in dem der einstige deutsche Weltmarktführer Hoechst mehr unter- als aufgegangen ist, ließ über seine Tochter Eurapi mitteilen, dass die Produktion von Novalgin in Frankfurt-Hoechst im Jahr 2025 nach 103 Jahren beendet wird. Die 90 Mitarbeiter, die derzeit noch rund um die Uhr mit der Produktion des Wirkstoffs beschäftigt sind, fürchten um ihre Arbeitsplätze. Damit schließt der letzte Standort für die Metamizol-Produktion außerhalb Chinas, wodurch bald neue Lieferengpässe für ein weiteres wichtiges Arzneimittel anstehen.

Leuchtendes Beispiel vergangener deutscher Innovationskraft

Dieses neue Beispiel deutschen Niedergangs hat mehr als nur symbolischen Wert. Denn der Wirkstoff Metamizol, 1922 von der Farbwerke Hoechst AG als Novalgin eingeführt, steht noch stärker als das Aspirin von Bayer für die Innovationsleistungen deutscher Chemiker und Pharmazeuten.

Seine Entwicklung begann um 1875 mit der Entdeckung des Phenylhydrazins durch den deutschen Chemiker und Nobelpreisträger Emil Fischer. Fischers Schüler Ludwig Knorr hat daraus dann 1883 das Phenazon synthetisiert, das als Antipyrin vermarktet wurde und als Mutter aller modernen fiebersenkenden Schmerzmittel gilt. 1893 entwickelte Friedrich Stolz aus dem Phenazon das Aminopyrin, das 1896 als Pyramidon auf den Markt kam. Daraus wurde wiederum in Frankfurt vom späteren Methadon-Entwickler Max Bockmühl das wasserlösliche Sulfamidopyrin hergestellt, das von 1912 bis 1959 als injizierbares Melubrin vermarktet wurde. Diese Substanz wurde dann schließlich 1920 unter Bockmühls Ägide zu Metamizol weiterentwickelt und 1922 von Hoechst als Novalgin auf den Markt gebracht.

Heute ist das Metamizol immer noch eines der am häufigsten verordneten Schmerz- und Fiebermittel. Trotz der potenziell lebensgefährlichen Nebenwirkung einer Agranulozytose, die im Durchschnitt bis zu einmal pro 1.500 Verordnungen auftreten kann, wird die zuverlässige schmerzbefreiende Wirkung von Ärzten und Patienten gleichermaßen geschätzt. Insbesondere bei höhergradigen Schmerz- und Fieberzuständen, die auf die Basis-Analgetika wie ASS, Paracetamol oder Ibuprofen nicht ansprechen, wird Metamizol oft eingesetzt, wenn noch potentere Schmerzmittel aus dem Betäubungsmittelbereich wie z.B. Morphin vermieden werden sollen.

Fortschritte beim „Wohlstand des Weniger“

Das Produktionsende in Frankfurt kommt nicht überraschend. Ein Gesundheitsminister, der sich mehr um Cannabis-Legalisierung und jährlichen Geschlechtswechsel als um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung kümmert, arbeitet gezielt an den Interessen der Bürger vorbei. Entgegen den Ankündigungen der Ampel werden die Lieferprobleme bei Arzneimitteln also nicht etwa abnehmen, sondern weiter zunehmen. Die künftig zu erwartenden Versorgungsengpässe bei Metamizol/Novalgin passen nahtlos in den von grünen Ideologen enthusiastisch begrüßten „Wohlstand des Weniger“.

Dieser neue „grüne Wohlstand“ zwingt schon jetzt immer mehr Rentnerinnen und Rentner, sich mit ebenso frisch wie illegal eingewanderten Bürgergeld-Beziehern um die kostbare Ressource der Pfandflaschen in den Mülleimern zu raufen. Dass Deutschland in sämtlichen Rankings der Wirtschaftsnationen immer weiter abrutscht, ist nicht schwer zu verstehen. Denn die grünen Antipathien haben die gesamte Wirtschaftspolitik durchdrungen: SUV-Produktion geht gar nicht. Metallverarbeitung braucht viel zu viel Strom. Und Chemie stinkt.

Deutsche Pharmaindustrie im Sinkflug

Auch die deutsche Pharmaindustrie steht bei der politischen Linken seit jeher unter Generalverdacht. Um 1910, als das vom Bundespräsidenten so verachtete Kaiserreich innerhalb von nur 10 Jahren gleich vier Medizin-Nobelpreisträger hervorgebracht hatte, galt Deutschland als „Apotheke der Welt“. Noch um 1980, als die Grüne Partei ihr gesellschaftspolitisches Zerstörungswerk begann, war die Frankfurter Hoechst AG das nach Umsatz größte Pharma-Unternehmen der Welt. Nur wenige Plätze dahinter rangierte der Aspirin-Erfinder Bayer.

Heute sind die deutschen Pharma-Hersteller unter ferner liefen zu finden. Einzig die beiden Familienunternehmen Boehringer in Ingelheim und Merck in Darmstadt, der seit 356 Jahren bestehende älteste Pharmahersteller der Welt, repräsentieren noch deutsche Erfolgsgeschichten. Biontech dagegen, den noch relativ kleinen Shooting-Star aus Mainz, könnten demnächst Schadensersatzklagen aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten um seinen Corona-Impfstoff treffen.

Und Bayer, einst Aushängeschild der deutschen Pharmaindustrie, wurde von einem größenwahnsinnigen Manager geschrottet, der die Einverleibung des weltweit geächteten Herbizid-Produzenten Monsanto zum Phantasiepreis von 66 Milliarden Dollar für eine geniale Idee hielt. Sein als Anbiederung an den grünen Zeitgeist gegebenes Versprechen, Bayer bis 2030 „klimaneutral“ zu machen, könnte sogar erfüllt werden, wenn nämlich Bayer bis dahin komplett vom Markt verschwunden ist.
Ganz anders dagegen die Schweiz: Deren beide Baseler Vorzeige-Unternehmen Roche und Novartis spielen – kräftig unterstützt durch eine wirtschaftsfreundliche Regierung – seit Jahrzehnten in der ersten Liga der Pharmahersteller und wurden im Gegensatz zu ihren deutschen Konkurrenten zuletzt immer stärker. Seit die FDP vor bald drei Jahren den Grünen und Linken die Lizenz zur Abwicklung Deutschlands erteilte, setzt sich die Schweiz ohnehin im Hinblick auf die wirtschaftliche Prosperität mit Riesenschritten von Deutschland ab, auch und vor allem dank ihrer boomenden Pharmaindustrie.

Die Wirtschaft arbeitet am eigenen Niedergang mit

Doch die deutsche Industrie trägt ein gehöriges Maß an Mitschuld am scheinbar unaufhaltbaren Abstieg Deutschlands. Statt massiv auf eine Wirtschaftswende zu drängen, gefallen sich ihre Sprecher in anbiederndem Geschwätz von der „Ausländerfeindlichkeit der AfD“ als größtem Standort-Risiko für Deutschland. Doch das geht an den Realitäten komplett vorbei.

Es bleibt zu hoffen, dass vor allem die grünen Hasardeure nach den nächsten Bundestagswahlen keine Gelegenheit mehr bekommen, ihr sorgsam geplantes Zerstörungswerk zu vollenden. Allerdings hat die Ampel bereits jetzt ganze Arbeit geleistet.

Der „grüne Fußabdruck“, den die Trittins, Langs und Habecks im Gesicht der deutschen Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft hinterlassen, wird das Land noch auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückwerfen.


Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 

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