Tichys Einblick
Streit um Haushalt 2025

Das bisschen Haushalt macht sich nicht von allein

Die Ampel hangelt sich von einem Haushaltsstreit zum nächsten. SPD und Grüne wollen mehr für Soziales: trotz 15 Milliarden Mehrausgaben im Jahr 2025. Die FDP will das Bürgergeld beschneiden. Gemeinsam ist den Parteien nur noch die Drohung mit Koalitionsbruch.

picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Die Drohung, die Koalition zu brechen, ist in der Bundesregierung salonfähig geworden. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat SPD-Chef Lars Klingbeil bereits davor gewarnt. Für höhere Steuern und die Abschaffung der Schuldenbremse müsste er eine Mehrheit jenseits der FDP suchen, so Lindner gegenüber der Bild-Zeitung.

Außenministerin Annalena Baerbock antwortete darauf mit einem typischen Baerbock-Paradoxon. Denn es wäre ein „großer Gefallen“ für die „Feinde der Demokratie“, wenn nach Frankreich noch ein europäisches Land in Neuwahlen gehen würde. Nur um dann darauf anzusetzen: „Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren.“ Heißt im Umkehrschluss: Baerbock ist eben doch bereit, die Stabilität der Koalition infrage zu stellen, wenn es nicht nach dem grünen Willen geht.

Auch die SPD schwingt mit der Schere, um das Koalitionsband zu lösen. Weil es in der Haushaltsfrage immer noch keinen Kompromiss gibt, regt die linke SPD-Gruppe Forum Demokratische Linke (DL21) eine Mitgliederbefragung an. Der Bundeshaushalt 2025 müsse eine „sozialdemokratische Handschrift“ tragen. Der Staat müsse „massiv investieren“. Rot-Grün setzt Gelb also unter Druck.

Freilich muss man solche Drohgebärden zu einem gewissen Grad als politisches Theater verorten. Aber dahinter steckt auch eine Frage nach der Hierarchie. Der kleinste Koalitionspartner wird auf den Platz verwiesen, der ihm zusteht. Lindner, der Kassenwart, muss kuschen, wenn es die anderen so wollen. Der Herabwürdigung zum bloßen Erfüllungsgehilfen der sozial-ökologischen Transformation wird Nachdruck verliehen.

Zugleich stellt sich die Frage: Warum sollte die FDP ausgerechnet jetzt abspringen, da sie so viele sinnvollere Situationen hat passieren lassen? Die Haushaltskrise des Winters 2023/2024 wäre der vermutlich letzte Zeitpunkt gewesen, um vielleicht doch noch den Sprung über die 5-Prozent-Hürde zu schaffen. Das Heizungsgesetz haben die Liberalen vor einem Jahr mitgetragen. Auch das war ein besserer Zeitpunkt als jetzt. Vom Atomausstieg ganz zu schweigen.

Und dennoch: in der Sprache der Ampel hat sich etwas geändert. Spätestens mit der Konzipierung der Lex Graichen rumorte es so deutlich wie nie zwischen den „Partnern“. Seitdem spricht man nicht nur von Scheidung, sondern droht auch damit. Ein Jahr vor der Bundestagswahl zeichnet sich das Ende der selbsternannten „Fortschrittskoalition“ ab. Man kann offener darüber reden, was der eine vom anderen hält.

Denn eine Wiederauflage wird es für die bei der EU-Wahl abgestrafte 30-Prozent-Koalition nicht geben. Und damit dieses 30-Prozent-Ergebnis erst in einem Jahr zum Tragen kommt, wird man sich tunlichst zusammenraufen.

Insofern ist die Haushaltskrise 2025 womöglich der vorletzte große Streit, bis es in den Wahlkampf geht. Die FDP kämpft ums Überleben. SPD und Grüne darum, ihre Klientel zu binden, damit sie ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Wer dabei gewinnt, das ist – wie schon in den Krisen zuvor – absehbar. Die linken Parteien werden versuchen, so viele Geschenke wie möglich verteilen, um ihre Wählbarkeit zu garantieren.

Der Tenor der beiden linken Parteien lautet deswegen: mehr Ausgaben für Soziales. Dabei soll es bereits nach jetzigem Stand rund 15 Milliarden Euro mehr für diesen Bereich ab 2025 geben. Lindner und die FDP sehen dagegen das Bürgergeld als eigentlichen Kostenfaktor. „Insbesondere ist die Aufgabe, mehr Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit zu bekommen. Es ist ja den Bürgerinnen und Bürgern nicht erklärbar, dass wir Milliardenausgaben, steigende Milliardenausgaben haben für das Bürgergeld“, sagte der Finanzminister. Einsparungen in der Verteidigung erteilte Lindner dagegen eine Absage.

Um das eigene Ziel dennoch zu erreichen, werfen SPD und Grüne immer neue Ideen in den Raum. Ausgerechnet das Bürgergeld soll erhöht werden. Beide Parteien wehren sich gegen Nullrunden. Baerbock will gar eine Notlage erklären, um die Aussetzung der Schuldenbremse zu legitimieren – denn in der Ukraine herrsche Krieg. Dem widersprechen Lindner – und Verfassungsrechtler. Der Griff in die Trickkiste bleibt bewährte Methode in der Ampel. Wie das ausgeht, konnte man im Dezember 2023 sehen, als Karlsruhe den Haushalt einsackte. Gelernt hat man daraus nur wenig.

Eigentlich sollte das Kabinett den Haushaltsentwurf zum 3. Juli beschließen. Immer mehr Beobachter betrachten den Termin als unwahrscheinlich. Lindner hat heute eine mögliche Verschiebung bestätigt. Man behalte zwar den von Olaf Scholz gesetzten Termin „im Blick“. Es brauche jedoch eine „zukunftsweisende“ Lösung und keine „schnelle“. Um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen, forderte er „Maßnahmen am Arbeitsmarkt, bei der Bürokratie, in der Energiepolitik, bei Infrastruktur und auch im Steuerrecht“.

Heißt: ein Ende der Haushaltsdiskussionen ist nicht in Sicht. Überhaupt bleibt der Eindruck, dass sich die Ampel in ihrer Legislaturperiode von einer Haushaltskrise zur nächsten hangelt. Der Umgang mit Geld ist bei Sozialdemokraten und Grünen ein besonderer. Man fragt sich, wie es weitergehen soll, wenn Deutschlands Steuerquellen nicht mehr so sprudeln. Es bleibt zu befürchten, dass man auf sinkende Steuereinnahmen der Zukunft nur mit höheren Steuern zu antworten weiß. Sozial-ökologische Transformation bedeutet dann: die Kuh schlachten, weil sie keine Milch mehr gibt. Den Rest überlässt man der Nachfolgeregierung.

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