Die Europawahl hängt vielen Parteien in Deutschland noch bitter nach. Besonders die Ampel-Parteien wurden vom Wähler für ihre Politik bestraft. Auch der Krieg in der Ukraine und der Umgang damit waren ein wichtiges Thema für die Bürger. Besonders gestärkt wurden Parteien, die sich dezidiert gegen Waffenlieferungen aussprechen. Viele Menschen im Land wünschen sich von der Politik andere Antworten als permanente Durchhalteparolen.
Die Sendung liefert allerdings wieder einmal Unterstützer-Phrasen der üblichen Verdächtigen. Fast ausschließlich für Waffenlieferungen plädierende Gäste verzerren die öffentliche Debatte. Gerade ein Blick auf Ostdeutschland zeigt, wie sehr die Bevölkerung kriegsmüde ist. Die Debatte verläuft ermüdend und wenig zielführend. Eine pluralistische Diskussion mit vielen unterschiedlichen Meinungen zum Thema Ukraine kommt nicht auf.
SPD-Debakel trotz Friedenskanzler
Die SPD ist Kummer und Niederlagen gewohnt. Aber das schlechteste Ergebnis bei einer bundesdeutschen Wahl zu kassieren, schmerzt die Genossen sehr. Hatten sie doch großflächig mit ihrem „Friedenskanzler“ Olaf Scholz geworben. Nur beim Wahlvolk wollte diese Inszenierung nicht sonderlich verfangen. Magere 14 Prozent für eine Kanzlerpartei sind desaströs und ein weiteres Zeichen, dass die Genossen in Berlin den Bezug zum Wahlvolk völlig verloren haben. So zieht Lars Klingbeil seine ganz eigenen Schlüsse aus der Wahl. „Die Wähler haben uns nicht genug für eine bessere Rente und bezahlbares Wohnen streiten sehen“, analysiert der SPD-Chef. Am Ende wären die potenziellen SPD-Wähler deshalb zuhause geblieben, meint Klingbeil.
Der russische Krieg gegen die Ukraine ist ein sehr wichtiges Wahlkampfthema gewesen. Die SPD präsentierte sich als die Friedenspartei in Deutschland. Glaubwürdig mit dieser Außendarstellung war die Partei Willy Brandts nicht. Die Politologin Nicole Deitelhoff fasst es so zusammen: „Die Leute sehen die Partei als Partei, die für den Krieg ist.“ Es schadet der Glaubwürdigkeit im Wahlkampf ungemein, wenn der SPD-Verteidigungsminister seine Pläne für eine Wehrpflicht verkündet und permanent von Kriegstüchtigkeit redet. Trotzdem sieht Lars Klingbeil die SPD als richtige Kraft für die Friedenspolitik. „Man darf AfD und BSW nicht die Friedenspolitik überlassen“, findet er.
Eklat im Bundestag
Diese Woche schlugen die medialen Wogen der Empörung hoch. Die AfD und das BSW waren einer Rede von Ukraine-Präsident Selenskyj ferngeblieben. BSW-Chefin Amira Mohamed Ali muss sich dazu bei Illner erklären. „Es war kein Dialog vorgesehen“, bemängelt Mohamed Ali. Ein eher schwaches Argument. In der Regel ist eine Aussprache mit ausländischen Politikern nicht vorgesehen. In Wahrheit wollten das BSW und die AfD ein Zeichen an ihre Wähler senden. „Wir wollten eine Aussage treffen“, meint Mohamed Ali. Die öffentliche Empörung darüber verschaffte der Aktion die gewünschte Publicity. So viel konnten beide Parteien aus anderen Ländern lernen. Schon in Österreich und Frankreich sorgte das Fernbleiben von FPÖ und Rassemblement National für Aufregung.
Bei CDU-Mann Norbert Röttgen ist das Erregungslevel wegen der leeren Sitze noch immer hoch. „Sie gehen gemeinsam mit der AfD aus dem Saal“, kritisiert er Mohamed Ali. Er fügt hinzu: „Sie vergiften das politische Klima.“ Jetzt ist Mohamed Ali aufgeregt. Mit der AfD will sie in keiner Weise in Verbindung stehen. Obwohl beim Thema Ukraine die Ähnlichkeiten unübersehbar sind. Auch die Hochburgen der Parteien sind oftmals dieselben. Im Osten reicht es in Zukunft wahrscheinlich politisch nur noch mit AfD und BSW zu stabilen Mehrheiten. Bis jetzt schließt vor allem das BSW eine Zusammenarbeit mit der AfD noch aus. Allerdings ist mit Blick auf die Ukraine klar, dass das BSW nur mit der AfD gemeinsame Politik machen kann. Möglich, dass es in Zukunft doch zu einer Koalition kommen könnte.
Macron sollte Scholz ein Beispiel sein
Nicht nur in Deutschland wurden einzelne Parteien abgestraft für ihre Politik. Während sich die Ampel und Olaf Scholz weigern, das Misstrauen der Wähler ernst zu nehmen, geht Macron den Schritt einer Neuwahl der Abgeordneten. Zu stark hat Le Pen an Stimmen gewonnen, als dass Macron nicht reagieren hätte müssen. Dass er allerdings gleich neu wählen lässt und nicht zum wiederholten Mal sein Kabinett austauscht, ist durchaus verwunderlich.
Nicht nur die Ukraine-Unterstützung war ein Faktor für Le Pens Sieg bei der Europawahl. „Innenpolitisch steht er unter Druck“, erläutert der ZDF-Korrespondent Thomas Walde. So sei seine Rentenreform extrem unpopulär gewesen, sagt Walde. Man muss als Deutscher neidisch auf die andere Seite des Rheins schauen. Macht die Ampel nicht auch eine extrem unpopuläre Politik? Haben die Parteien nicht auch eine Wahlschlappe erlitten? Leider folgt keine dementsprechende Reaktion von Scholz, Habeck und Lindner. In Deutschland klammern sich die Politiker an ihre Macht.
Dabei hat die Bevölkerung der Ampel das Vertrauen längst entzogen. Die Europawahl war ein Misstrauensvotum der obersten Kategorie. Die Sendung befasst sich leider nicht mit einer Neuwahl in Deutschland. Der SPD-Chef wird nicht mit Fragen über die mangelnde Repräsentation des Mehrheitswillens gegrillt. Dabei ist die Haltbarkeit der Koalition längst am Ende. Scholz sollte sich etwas Courage bei Macron borgen und das Misstrauensvotum im deutschen Bundestag stellen. Das Vertrauen in die Politik wird mit dem sturen Festhalten an der Macht nicht größer werden.