Tichys Einblick
Geraldine Rauch

Die verlorene Ehre der Technischen Universität Berlin

Die Präsidentin der TU Berlin bleibt im Amt trotz antisemitischer Likes. Der Studentin in Hamburg droht nach Sylt die Exmatrikulation. Zweierlei Recht in Deutschland. Und ein Kuratorium, das der eigenen Universität schadet.

Technische Universität Berlin am 4. Juni 2024

picture alliance/dpa | Mia Bucher

Was Bertolt Brecht den Kongress der Weißwäscher nannte, trägt an der Technischen Universität Berlin den Namen Kuratorium. Nachdem der Akademische Senat mit einer Stimme Mehrheit davon absah, ein Abwahlverfahren für die irrlichternde Präsidentin einzuleiten, tagte nun das Kuratorium. Die Mitglieder des Akademischen Senats hatten am 5. Juni 2024 über die Frage abgestimmt, ob Geraldine Rauch als Präsidentin der TU Berlin im Amt bleiben oder zurücktreten soll? Dreizehn Senatoren sprachen sich für den Rücktritt, zwölf für den Verbleib von Geraldine Rauch im Amt aus. Der Akademische Senat hatte in Erwartung, dass er die Zweidrittelmehrheit für die Abwahl nicht zusammenbekommt, wenigstens an den Anstand von Geraldine Rauch appelliert – wie man sieht, vergeblich – zurückzutreten, so hat ihr das Kuratorium im Gegenteil auch noch den Rücken gestärkt. Damit hat das Kuratorium nicht kuratiert, sondern skandalisiert. Es vertieft damit den Schaden, den die Universität ohnehin schon genommen hat und den das Kuratorium sogar sieht.

Nach Like für Antisemitismus:
TU-Präsidentin bleibt trotz Abstimmung gegen sie im Amt
Unabhängig davon geht die Affäre der Geraldine Rauch so aus, wie inzwischen alle Affären des Politikkombinats hinter der Brandmauer ausgehen. Ist man linksextrem oder grünextrem kann man sich alles erlauben, sogar einen eindeutig antisemitischen Post zu liken, und andere auch, über die man zumindest ernsthaft diskutieren kann, ob sie antisemitisch sind, in der Tendenz dürften sie es sein. In Deutschland herrscht inzwischen zweierlei Recht, erstens das uns noch vertraute kodifizierte Recht, das Recht, das auf der deutschen Gesetzgebung fußt, und zweitens das Gesinnungsstrafrecht, das auf der postmodernem, das heißt rotgrünen Weltanschauung beruht.

Das Kuratorium der Technischen Universität Berlin hat mehrheitlich entschieden, dass trotz des antisemitischen Tweets, zu dem sich die Präsidentin der Technischen Universität durch das Liken bekannte, dem sie zustimmte, „dennoch … ihr die Chance eingeräumt werden“ sollte, „das von ihr angebotene Programm zur Festigung des Vertrauens in die TU Berlin und zur Wahrung der Tradition als weltoffene, tolerante und anti-rassistische Universität erfolgreich umzusetzen.“ Mit diesem Beschluss verharmlost aus meiner Sicht das Kuratorium der Technischen Universität Berlin den Antisemitismus, heißt, diese Universität kann unter dieser Präsidentin nicht mehr als weltoffen, tolerant und anti-rassistisch gelten. Ob man an dieser Universität studieren will, ob Unternehmen weiter mit der Rauch-Universität zusammenarbeiten wollen, liegt im Ermessen eines jeden.

Deutschland im Mai 2024
Ein Land in zunehmendem Ausnahmezustand
Zweierlei Recht ist es in der Tat, wenn hingegen eine Studentin, die ein Lied mitgesungen hat, dessen Inhalt man moralisch und politisch verwerflich finden kann, das jedoch rechtlich nicht zu würdigen ist, in einer Hamburger Hochschule Hausverbot bekommt, nicht an Lehrveranstaltungen und Prüfungen teilnehmen darf, solange man nach einem auch windigen Dreh sucht, ob man diese Studentin aus reinen Gesinnungsmotiven exmatrikulieren darf, und eine Präsidentin, die offenbar an einem antisemitischen Post Gefallen gefunden hat, im Amt bleibt. Denn, so meint das Kuratorium der Technischen Universität Berlin: „Eine kritische Haltung gegenüber dem derzeitigen Vorgehen der israelischen Regierung ist legitim und keinesfalls antisemitisch, unabhängig davon, ob man diese Kritik teilt oder nicht.“ So wird aus einem antisemitischen Post eine legitime Haltung gegen das „Vorgehen der israelischen Regierung“.

Der Vorsitzende des Kuratoriums, ein Soziologe, Nachhaltigkeitswissenschaftler und sogar Sozialpsychologe, namens Ortwin Renn, sieht die Schuld letztlich natürlich nicht bei Geraldine Rauch, sondern bei den Kritikern. Klar, schuld ist immer der Klassenfeind: „Die Versuche, den Fall zu skandalisieren, finde ich sehr problematisch. Das ist keine gute politische Kultur.“

Renn war von 2016 bis Dezember 2022 wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, einem Institut, das „Spitzenforschung zu den Themen wie dem Klimawandel und nachhaltiger Ökonomie“ betreiben soll und laut Wikipedia eng mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zusammenarbeitet, mit anderen Worten, ein Institut, das durchaus eingespart werden könnte. Auch die Entlassung von Rauch aus dem Zukunftsrat des Bundeskanzlers empört Renn: „Als Überreaktion sehe ich auch die Entscheidung des Kanzleramts, Geraldine Rauch, aus dem Zukunftsrat des Bundeskanzlers zu entfernen.“

Sympathie für die Hamas?
Die beiden Tage der Schande an der Humboldt-Universität zu Berlin
Aber nicht genug damit, entrüstet sich das Kuratorium: „Die zum Teil aggressiven Anschuldigungen gegenüber Frau Rauch sind aus Sicht des Kuratoriums ungerechtfertigt, lassen den mangelnden Respekt vor der Person und dem Amt vermissen und sind ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit.“ Erfüllt das Liken des Posts das „Gebot der Verhältnismäßigkeit“? Ist das Liken eines antisemitischen Posts nach Ansicht des Kuratoriums mit dem Respekt vor dem Amt vereinbar?

Das Kuratorium der Technischen Universität Berlin hält und stützt Geraldine Rauch im Amt, obwohl es zu dem Schluss kommt: „Dennoch hat das eklatante Fehlverhalten von Frau Rauch der TU Berlin großen Schaden zugefügt und zu einer verstärkten Polarisierung innerhalb der Universität geführt. Der internationale Ruf der TU Berlin hat erheblich gelitten und die Erfolgsaussichten für den erneuten Antrag zur Berlin University Alliance (Exzellenzinitiative) sind getrübt.“ Dieser Satz allein würde die Abberufung rechtfertigen, was muss man denn noch tun, um vom Amt des Präsidenten entbunden zu werden? Klar, „L’amour toujours“ trällern. Hätte Geraldine Rauch „L’amour toujours“ mit den beiden inkriminierten Zeilen gesungen, wäre sie wohl, bevor sie noch das Lied beendet hätte, entlassen worden.

Rauch, vortrefflich beraten, hat den Antrag eines Disziplinarverfahrens gegen sich gestellt, das lächerlicherweise mit einem Verweis enden dürfte. Bei der Studentin in Hamburg droht die Exmatrikulation, ein Semester Studienzeit verliert sie gerade. Zweierlei Recht in Deutschland. Und ein Kuratorium, das der eigenen Universität schadet. Die Technische Universität Berlin hat ihre Ehre verloren.

Anzeige
Die mobile Version verlassen