Tichys Einblick
Nach der EU-Wahl

Rücktritt der Ampel, Neuwahlen jetzt – Christian Lindner hat es in der Hand

Die EU-Wahl war für die FDP ein Lebenszeichen. Doch ihr Chef Christian Lindner muss die Zeichen richtig lesen. Will seine Partei überleben, dann muss er jetzt die Ampel aufkündigen und Neuwahlen herbeiführen.

Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesfinanzminister

IMAGO / IPON

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist für ihren Wahlkampf hart kritisiert worden. Hand aufs Herz: Auch von diesem Medium, auch von diesem Autor. Es gab reichlich Gründe, sie zu kritisieren. Doch Strack-Zimmermann hat etwas gezeigt, was laut vielen Untergangs-Episteln nicht mehr möglich war: Die FDP kann über fünf Prozent bei einer bundesweiten Wahl kommen, die FDP kann Wahlen bestehen, wenn sie ihre Stärken zeigt.

Das lag auch an der Spitzenkandidatin. Strack-Zimmermann hat sich getraut, sich zu liberalen Positionen zu bekennen: Zu warnen, dass die Migration besser gesteuert werden muss, zum Beispiel. Oder eine andere als die klimasozialistische „Wirtschaftspolitik“ der Grünen zu fordern. Ja, die FDP bedient das in der Ampel alles nicht. Darüber wurde und wird noch genügend geschrieben. Trotzdem ist es Strack-Zimmermann gelungen, allein mit der Forderung nach diesen Punkten das Ergebnis zu halten. Gerade weil die FDP es faktisch nicht bedient, ist das bemerkenswert. Zeigt es doch, wie groß die Sehnsucht liberaler Wähler nach einer liberalen Wende immer noch ist.

Nur gilt auch eins: Parteichef Christian Lindner kann Strack-Zimmermanns Strategie 2025 nicht einfach kopieren. Der Spitzenkandidatin glaubten die Wähler dieses mal ihre Distanzierung von dem, was ihre Partei in Berlin macht. Strack-Zimmermann ist dort mehr als einmal als Quertreiberin aufgefallen. Sie konnte es sich sogar erlauben, in der Ukraine-Frage gegen die Ampel zu stimmen.

Den Quertreiber wird Christian Lindner 2025 niemand abkaufen. Er ist der Mann, der den ganzen rot-grünen Wahnsinn ermöglicht hat: von der Verlängerung der Pandemie als deutschem Alleingang, über das Ausufern der Einwanderung, die erwähnte grüne „Wirtschaftspolitik“, das Atomaus, die Erhöhung des Bürgergelds um 25 Prozent innerhalb eines Jahres bis hin zu Robert Habecks (Grüne) Heizhammer. Sich nächstes Jahr hinzustellen und so zu tun, als ob er damit nichts zu tun habe, wird Christian Lindner niemand abkaufen. Nicht, dass er es auf X nicht bereits jetzt jeden Tag versuchen würde.

Die EU-Wahl hat gezeigt, dass es fünf Prozent an Wählern gibt, die der FDP eine liberale Wende zutrauen. Dass sie bereit sind, die FDP am Leben zu halten. Das muss Lindner nun als Rückenwind nehmen, die Ampel beenden und wie Emmanuel Macron in Frankreich Neuwahlen herbeiführen. Dann hätte er eine Chance, die FDP von der verheerenden rot-grünen Politik zu lösen, die Deutschland wirtschaftlich in die Deindustrialisierung und gesellschaftlich in einen Polizeistaat von Nancy Faesers Gnaden führt.

Von Kanzler Olaf Scholz wird keinerlei Veränderung ausgehen. Keine Neuwahl. Nicht einmal Korrekturen des Kurses: Er ist der unbeliebteste Regierungschef weltweit? Rosstäuscher-Grinsen. Die Partei hat ihn plakatiert, sodass die Niederlage bei der EU-Wahl seine Niederlage ist? Hat Scholz schon vergessen. Wie es nun weitergeht? Eine flapsige Beleidigung seiner Kritiker – und dann weitermachen mit Reden über Respekt, Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit in der Politik. So geht Olaf Scholz.

Auch von den Grünen wird es keine neuen Impulse geben. Sie werden Mehr vom Bisherigen fordern. Weil sie wissen, dass sie in zwei Jahren vielleicht nichts mehr gestalten können. Genau diesen Weg empfiehlt ihnen Mario Sixtus auf X. Eine Figur tief aus dem Subventionssumpf des deutschen Kulturbetriebs. Eines der letzten Biotope, in denen die Grünen noch eine Mehrheit haben. Mit ihrer Arroganz gegenüber den Bürgern, die ihren Wohlstand finanzieren, seelenverwandt mit den Grünen.

Es ist an Lindner, das alles zu beenden. Wenn er glaubt, er kann so weitermachen und es genüge, vier Wochen vor der Wahl ein paar Versprechen rauszuhauen – kombiniert mit PR-Artikeln aus dem Verlag von Springer-Chef Mathias Döpfner. Dann irrt Lindner. Strack-Zimmermann hat gezeigt, dass es mit einem harten Wahlkampf und Glaubwürdigkeit möglich ist, die FDP am Leben zu halten. Will Lindner diese Glaubwürdigkeit für sich erwerben, muss er die Ampel beenden. Am besten heute.

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