Tichys Einblick
Europawahl

Ampelfrust schlägt bis Brüssel durch

Die EU-Wahl ist eine Pleite für die Ampel und ein Signal der Führungslosigkeit und des Orientierungsverlusts in Deutschland. Deutschland hat sich politisch abgemeldet. So bleibt es in der EU der Zahlmeister ohne Gestaltungskraft.

Bislang kennen wir nur Prognosen. Sie werden auf Basis von Befragungen erstellt, die die Meinungsforschungsinstitute nach dem Verlassen des Wahllokals durchführen. Also: Bitte sagen Sie uns, wie haben Sie gewählt.

Und dann werden diese Zahlen noch gesichtet, wie es so schön heißt. Denn längst sagen die Befragten nicht mehr die Wahrheit. Gerade bei der AfD trauen sich die Wähler nicht mehr, zu ihrem Kreuz zu stehen. Die Schlägertrupps, die zuletzt in Karlsruhe auf AfD-Wahlkämpfer mit Baseballschlägern losgegangen sind, hinterlassen Wirkung.

Dazu kommt: die Unsicherheit über Briefwahlergebnisse. Die wiederum sind in der Regel schon 6 Wochen alt. Dort wählten die Bürger noch ohne Wirkungstreffer der jüngsten Kampagnen, die in die Wahllokale hageln. So viel Vorsicht muss sein, sie ist die Mutter der Wahlprognose. Fasst man dann die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich:

Der Ampelfrust schlägt bis Brüssel durch. Denn das EU-Parlament nehmen Wähler wie Parteien in Deutschland nicht so richtig ernst. Die Wahlen zum EU-Parlament sind Stimmungswahlen für den Bundestag. Auch wenn die Wahlbeteiligung deutlich niedriger ist.

Man schlägt das EU-Parlament, und trifft den Bundestag.

Das Ergebnis für die Grünen ist verheerend. Kein Höhenflug, keine Verbesserung, sondern vermutlich Halbierung. Das Rumgerede von Annalena Baerbock und die gegen die Bürger gerichtete Klimapolitik von Robert Habeck und sein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm – nur hartgesottene Grüngläubige können diese Fakten leugnen. Die Grünen bleiben eine Minderheitspartei.

Natürlich bleiben sie weiterhin Medienlieblinge. Egal ob SPIEGEL oder Süddeutsche, da war pünktlich zur Wahl zu lesen, dass Baerbock ihrem Parteifreund Habeck die Kandidatur zum Bundeskanzler abnehmen will. Der Traum der Journalisten ist der Vater ihrer Falschberichterstattung. Die Grünen sind nicht kanzlerfähig, sie bleiben eine kleine Partei, die nur über die Medien ihren Einfluss auf die Regierung maximiert.

Und übrigens: Respekt für Olaf Scholz und seine Spitzenkandidatin Katarina Barley. Das bislang schlechteste Wahlergebnis noch mal unterboten. Früher sprach man von Kanzler-Bonus – das Amt hat Stimmen für den Amtsinhaber erzeugt. Der Bundeskanzler ist Star jeder Nachrichtensendung, normalerweise. Das zieht bei den Wählern. Früher. Heute ist Scholz der Wählerschreck.

Und die CDU? Bei so viel Frust über die Ampel müsste die CDU zusammen mit der CSU steil ansteigen. Sie gewinnt dazu, aber toll ist das nicht. Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin – die hat nur ein Programm: Ursula von der Leyen. Das reicht halt nicht, sie verdient doch wohl an Pfizer gut genug.

Ein richtiger Kanzlerkandidat hätte den Ampel-Frust auf seine Mühlen geleitet. Friedrich Merz ist lau. Er will ohne echte Oppositionsarbeit sich ins Amt schwindeln, erkennbar mit Hilfe der Grünen. Genau das aber wollen die Wähler nicht. Im Schlafwagen kommt man nicht zur Macht, hieß es früher. Oder: Der Herr badet gerne lau. Mit dem Privatflugzeug kommt man nach Sylt, aber nicht zum Wähler.

Erstaunlich stark die AfD. Kurz vor der Wahl hat sie ihren Spitzenkandidaten aus dem Verkehr gezogen. Dem zweiten Mann Petr Bystron hängte man ein Vergehen an, für das bislang glaubwürdige Beweise fehlen. Geschubst werden, über die eigenen Beine stolpern und gleichzeitig zulegen: Das ist ein erstaunliches Ergebnis.

Lasst alle Hoffnung fahren, liebe CDUCSUSPDGRÜNE. Den harten Kern der AfD-Wähler schweißen die tollen Kampagnen eher zusammen, statt zu verschrecken. Die Brandmauer hält die Flammen nicht auf. Diese springen über die Mauer in das Lager der Altparteien und verzehren Wählerstimmen.

Die AfD marschiert nicht durch, aber sie ist auch nicht kleinzukriegen. Sie bleibt ein Faktor der deutschen Politik.

Und dann ist da noch das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ein respektables Ergebnis für den Einstieg. Allerdings – die Partei hatte auf ein zweistelliges Wahlergebnis gehofft. Sahra Wagenknecht muss sich entscheiden, wie sie wahrgenommen werden will: als eine AfD light für Ängstliche oder als U-Boot der Ampel. Der Wähler will jetzt wissen, woran er mit ihr und ihrem Bündnis wirklich ist.

Und so ist die EU-Wahl: eine Pleite für die Ampel und ein Signal der Führungslosigkeit und des Orientierungsverlusts in Deutschland. Deutschland hat sich politisch abgemeldet, ist politisch gelähmt.
So bleibt es in der EU der Zahlmeister ohne Gestaltungskraft.

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