Tichys Einblick
Versprechen, die andere halten müssen

Habeck möchte von der Wirtschaft wieder geliebt werden

Nach der Schelte des Deutschen Börsenchefs verkündet Habeck bei den Familienunternehmen, das Lieferkettengesetz für zwei Jahre auszusetzen. Doch warum stimmt er sich nicht mit Hubertus Heil vorher ab, der dafür zuständig wäre?

Wie die deutsche Regierung die EU-Administration benutzt, um Deutschland zu schaden, zeigt geradezu exemplarisch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Obwohl die europäische Lieferrichtlinie, die Deutschland angeblich in nationales Recht überführen muss, erst in wenigen Tagen in Kraft tritt, existiert das wesentlich schärfere deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bereits seit dem 1. Januar 2023 und benachteiligt nach dem erklärten Willen der Ampelregierung die deutsche Wirtshaft in Europa und auf dem Weltmarkt. Dieses Gesetz treibt neben den zu hohen Energiekosten die Wirtschaft aus dem Land und hält andere davon ab, in Deutschland zu investieren.

Stärker trifft es die kleineren Firmen als die Konzerne, die natürlich den bürokratischen Aufwand, der ein Familienunternehmen erdrosseln kann, leichter wegstecken können. Aber, dass die Ampel Wirtschaftspolitik für die Konzerne und explizit gegen den deutschen Mittelstand macht, ist hinreichend bekannt. Deshalb hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aufgrund seines rapiden Ansehensverlust und dem Wunsch, geliebt zu werden, am Freitag auf dem Tag der Familienunternehmen verkündet: „Wir können das Gesetz jetzt – auch mit Blick auf das, was dann europäisch irgendwann national umgesetzt werden wird in zwei Jahren ungefähr – pausieren.“

Nun weiß jeder, dass Habeck zurecht bei den Familienunternehmen nicht gut gelitten ist, also wollte er mit dieser Ankündigung dort in der Disziplin punkten, auf die er sich im wahrsten Sinne des Wortes blendend versteht: sich lieb Kind zu machen. Außerdem dürfte ihn die Schelte des Chefs der Deutschen Börse im Kreuz stecken, denn der hatte aus Kenntnis der ausländischen Investoren eingeschätzt, dass Deutschland zum Ramschland geworden ist: „Wir sind ökonomisch gesehen auf dem Weg zum Entwicklungsland.“ Und: „Ich hatte inzwischen mein 18. Treffen mit unserem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck hinter mir und ich kann Ihnen sagen, es ist eine schiere Katastrophe.“

Das Prinzip Habeck lautet, wenn sich wieder einmal die Unfähigkeit Habecks als Wirtschaftsminister erweist, er tags darauf mit einer großen Ankündigung alles überglänzen möchte: Am 6. Juni hatte TE über die Rede von Theodor Weimer berichtet, am 7. Juni machte Habeck seine Ankündigung auf dem Tag der Familienunternehmer.

Im Kern geht es beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz darum, dass Unternehmen und Konzerne ihre internationalen Lieferketten überprüfen und dafür Sorge tragen, dass deutsche oder in Deutschland ansässige Unternehmen weltweit nicht mit Handelspartnern zusammenarbeiten, die Menschenrechte oder Umweltstandards verletzen. Das Perufahrradwegefinanzierungsministerium, auch Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit genannt, jubelt wenig überraschend über die systemische Benachteiligung des deutschen Wirtschaftsstandorts: „Das Gesetz schafft keine neuen Menschenrechte oder Umweltstandards, sondern dient dazu, die Einhaltung bestehender, internationaler Vereinbarungen zu gewährleisten, um die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen vor allem im Globalen Süden sowie den Schutz bestimmter Umweltbelange zu verbessern.“ Darum scheint es Svenja Schulze zu gehen: alles aus und von Deutschland für den Globalen Süden, bis von Deutschland nicht mehr viel übrig ist, „Entwicklungsland“, „Ramschland“, wie Weimer sagte.

Im Klartext heißt das: Deutsche Unternehmen oder in Deutschland produzierende Unternehmen müssen nachweisen, dass keiner ihrer Partner in der gesamten Lieferkette gegen Standards im Umweltschutz und gegen Menschenrechte verstößt, „dass sie ihre unternehmerischen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten, d.h. neben der Produktqualität müssen Abnehmer auch menschenrechtliche und umweltbezogene Vorgaben in der Lieferkette beachten (angemessene Löhne, Arbeitsschutz, Zugang zu Trinkwasser usw.)“. Die Umsetzung dieser Kontrollen liegt ganz in der Verantwortung der deutschen Firmen, „z.B. durch eigene Kontrollen vor Ort oder Audits von unabhängigen Dritten“.

Die Dritte WELT braucht keine DEUTSCHE MORAL
Das Lieferkettengesetz schafft nur Verlierer auf allen Seiten
Im Paragraph 4 des Gesetzes heißt es dazu: „(1) Unternehmen müssen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten (§ 3 Absatz 1) einrichten. Das Risikomanagement ist in alle maßgebliche Geschäftsabläufe durch angemessene Maßnahmen zu verankern.“

In den umfangreichen Präventionsmaßnahmen des Paragraphen 6 werden die deutschen Unternehmen verpflichtet, Präventionsmaßnahmen gegenüber einem unmittelbaren Zulieferer zu verankern, insbesondere:
„1. die Berücksichtigung der menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen bei der Auswahl eines unmittelbaren Zulieferers,
2. die vertragliche Zusicherung eines unmittelbaren Zulieferers, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert,
3. die Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen des unmittelbaren Zulieferers nach Nummer 2,
4. die Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen sowie deren risikobasierte Durchführung, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei dem unmittelbaren Zulieferer zu überprüfen.
5. Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen ist einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer rechnen muss, etwa durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes.“

Wenn das deutsche Unternehmen feststellt, dass ein Zulieferer Menschenrechts- oder Umweltstandards verletzt, hat das deutsche Unternehmen dagegen vorzugehen, bis hin zum temporären Aussetzen der Geschäftsbeziehungen oder dem Abbruch selbiger.

An einem Beispiel verdeutlicht: Die EU beschloss das Verbrenner-Aus und will, dass nur noch E-Autos hergestellt werden. Für die Batterien werden Baerbocksche Kobolde, also Kobalt benötigt. Das wichtigste Förderland für Kobalt ist der Kongo, dort wird Kobalt in der Tat unter menschenunwürdigen Bedingungen und auch von Kindern abgebaut. Damit aber auf die tollen E-Autos für den grünen GOELRO-Plan – frei nach Lenin: Die klimaneutrale Gesellschaft ist die Herrschaft der Grünen plus die Elektrifizierung des ganzen Landes – keinerlei Makel fällt, sollen es nun die Produzenten richten, im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes durch ihre wirtschaftliche Macht, die Einführung von Menschenrechts- und Umweltstandards zu erzwingen.

Dumm nur, dass sich die Chinesen stark im Kongo engagieren. Und jetzt muss man nur ausrechnen, was das für die Rohstoff- und Herstellungskosten für europäische und chinesische Batterien, für die Herstellungskosten von chinesischen und europäischen E-Autos bedeutet. Ähnliches gilt für Seltene Erden. Im Jahr 2018 betrug der chinesische Anteil an der Produktion von Seltenen Erden 71 Prozent, eine Produktion, die übrigens extrem umweltschädlich ist. Der chinesische Batterie-Hersteller SVOLT hat gerade erst entschieden, weder in Brandenburg, in Lauchhammer, noch im Saarland zu investieren.

Der Bürokratie die ganze Macht
Mit dem EU-Lieferkettengesetz gegen den Billigkonsum
Gern wird immer auf die geballte Wirtschaftsmacht der Europäer verwiesen, die kraft ihrer Wirtschaftsmacht Menschenrechts- und Umweltstandards in anderen Ländern wie im Kongo erzwingen könnten. Dazu soll ein neues Kommissarswesen entstehen: „Zu empfehlen sind die Ernennung und Schulung von Beauftragten, die als Kontaktperson für Geschäftskunden zum Thema Umwelt und Menschenrechte dienen.“

Erhellend ist die Chronologie:

Am 23. Februar 2022 veröffentliche die EU den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937.

Am 1. Juni 2023 formulierte das EU-Parlament seine Positionen zur Richtlinie.

Am 14. Dezember 2023 kam es zu einer Kompromissfassung zwischen dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament.

Am 24. Mai 2024 wurde schließlich die europäische Lieferkettenrichtlinie beschlossen, die 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt, also kurz vor ihrer Gültigkeit steht.

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz trat bereits am 1. Januar 2023 in Kraft und wurde am 1. Dezember 2023 noch einmal verschärft. Es gilt nun nicht nur für Unternehmen ab 3000 Beschäftigten, sondern nun auch für Unternehmen ab 1000 Beschäftigten. Unternehmen ab 1000 Beschäftigten haben einmal im Jahr, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Rechenschaft darüber abzulegen, ob alle Unternehmen in ihrer Lieferkette die geforderten Standards einhalten.

Sollten die deutschen Unternehmen, dem nicht nachkommen oder sollten Lieferanten in ihrer Lieferkette Menschenrechts- und Umweltstandards verletzen, kann der deutschen Firma ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro auferlegt werden. „Bei einer juristischen Person oder Personenvereinigung mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro … eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 Nummer 6 oder 7 Buchstabe a mit einer Geldbuße bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes geahndet werden … Der durchschnittliche Jahresumsatz kann geschätzt werden.“

Dass es der Bundesregierung nicht um die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen geht, die massiv durch die Verteuerung von Produktion und Verwaltung, siehe Berichtspflichten, in Europa und in der Welt massiv benachteiligt werden, gibt sie sogar selbst zu: „Auch ein Jahr nach seinem Inkrafttreten trifft das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf Vorbehalte in der deutschen Wirtschaft.“ Es geht nur darum, die deutsche Wirtschaft zu zwingen, den Vorstellungen der Regierung Folge zu leisten und tiefer in den Wettbewerb in Deutschland einzugreifen, und zwar bereits anderthalb Jahren, bevor die europäische Richtlinie final formuliert, beschlossen wurde und in Kraft tritt.

Insofern klingt Habecks Vorschlag vernünftig. Er fügt geradezu beschwingt von so viel unvermuteter Vernunft hinzu: „Das Europäische muss man dann europaweit, schlank, bürokratiearm machen, aber dann hätte man zwei Jahre quasi eine Pause an der Stelle. Das wäre, glaube ich, ein richtiger Befreiungsschlag.“ Der Konjunktiv ist verräterisch, denn Robert Habeck fügt hinzu, dass er dieses Moratorium „nicht wirklich versprechen“ kann. Niemand wird so schön laut kleinlaut wie Robert Habeck, wenn er sein Versprechen mit vielen Klauseln versieht: „Aber ich glaube, ich kann zusagen, dass es beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch mal eine richtige Schneise geben wird. Wie breit sie ist, da muss ich noch um zwei, drei Wochen Geduld bitten.“

Bürokratie und Schlupflöcher
Scharfe Kritik an Lieferkettengesetz von Wirtschaft und Hilfsorganisationen
Natürlich kann er das nicht versprechen, denn die Federführung liegt nicht bei ihm, sondern beim Arbeits- und Sozialministerium von Hubertus Heil (SPD). Weshalb stimmt sich Habeck nicht mit dem federführenden Kollegen ab, wenn er Versprechungen macht, deren Einhaltung nicht bei ihm liegt? Was der zuständige Minister, was Hubertus Heil davon halten dürfte, hat der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, postwendend der Nachrichtenagentur Reuters auch am Freitag in den Block diktiert: „Will hier ernsthaft ein Spitzenpolitiker der Grünen die Menschenrechte opfern, um sich bei den Familienunternehmern anzubiedern? Ganz deutlich: Wir reden hier über den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und wir reden über die Ausbeutung von Kindern.“

Die Replik hat es in sich, denn Rossmann spricht erstmal nicht vom Bundesminister Habeck, sondern von einem „Spitzenpolitiker der Grünen“, womit er Habecks Äußerung nicht als Statement eines Regierungsmitglieds qualifiziert, sondern als Wahlkampfgeschwätz einordnet. Das Regierungsmitglied Robert Habeck, der Bundesminister wird gleich danach gerüffelt und zurechtgestutzt: „Wiederholt äußert sich der Wirtschaftsminister zu Themen, für die aus gutem Grund andere zuständig sind.“

Da hat das Sprachgenie Robert Habeck anscheinend das Wort Schneise mit dem Wort Irrgarten oder Labyrinth verwechselt. Er kann nichts versprechen, was andere einhalten müssen.

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