Tichys Einblick

Der Polizistenmord von Mannheim und die Rolle von Politik und Polizei

Der Angriff auf Michael Stürzenberger und der Mord an dem Polizisten Rouven L. wirft Fragen auf: Hat die Polizei richtig gehandelt? Wo liegt dabei die Verantwortung? Sind die Polizisten angemessen ausgebildet und auch mental auf solche Angriffe größter Brutalität vorbereitet?

Screenprint: via BPE

Menschliche Größe und menschliche Grausamkeit liegen nahe beieinander. Ein fanatisierter Muslim aus Afghanistan greift den Redner Michael Stürzenberger an, verletzt ihn schwer und tötet ihn beinahe. Anschließend ersticht er einen Polizisten. Insgesamt werden sieben Menschen verletzt. Die brutale Nachricht am Abend: Rouven L. ist tot. Zuletzt war er nur noch von Maschinen am Leben gehalten worden. »Er riskierte für unsere Sicherheit sein Leben und möchte als Organspender noch anderen Menschen ein neues Leben schenken. Dabei hat er selbst noch so viel vor und ist ein toller Mensch. Wir sind alle am Boden zerstört.« Die menschliche Größe des Polizisten Rouven L. steht in scharfem Kontrast zur blinden Zerstörungswut des Angreifers.

Ablauf des Geschehens: das Video des Grauens

Mittlerweile werden die Abläufe innerhalb jener dramatischen 40 Sekunden klarer, die sich am vergangenen Freitag auf dem Marktplatz im Herzen Mannheims abgespielt haben. Dabei zeigt sich, wie schwierig eine genaue Einordnung der zunächst unüberschaubaren Geschehnisse ist, die innerhalb sehr kurzer Zeit ablaufen und auch deutlich machen, vor welch brisanter Situation die Polizisten standen. Es wird auch noch eine Weile dauern, bis sämtliche Aufnahmen ausgewertet und Zeugen vernommen wurden. Erst die unterschiedlichen Perspektiven ergeben zusammengesetzt ein Bild der Abläufe.

Möglicherweise haben die Polizisten, die bereits von Anfang an im Hintergrund standen, vom Rande des Marktplatzes aus die Vorgänge zunächst als Rauferei eingeordnet, bis sie beim Näherkommen dann das Messer des Angreifers gesehen haben. Das bedeutet höchste Gefahr, weil es dagegen im Nahbereich kaum eine Verteidigung gibt. Das legte ein erstes Video vor, das das Geschehen zeigte – aber auch zu Fehlinterpretationen in den Medien führte.

Der unfassbare Livestream eines Mordversuchs

Ein weiteres Video ist aufgetaucht, das eine andere Perspektive aufzeigt und das Geschehen um eine weitere haarsträubende Dimension erweitert.

In dem Video des Livestreams ist zu sehen, wie ein offensichtlicher Helfer den Attentäter an dessen Beinen umklammern und am Boden halten, ihn blockieren kann und damit weitere Angriffe verhindert. Ein Mann, der wegen seines Vorgehens vermutlich trainierter Kampfsportler oder Zivilpolizist ist, greift den Messerarm und hält ihn fest und blockiert ihn, sodass keine weitere Aktion möglich ist. Offensichtlich kam es zu einer Verwechslung: Von hinten schlägt ein anderer Mann auf den Blockierer ein. Daraufhin hechtet ein Polizist auf den Schlagenden und wirft ihn nach hinten auf den Boden. In diesem Getümmel kann sich der Attentäter befreien. Er springt auf und holt mit dem Messer zum Stich auf den „Kampfsportler“ aus – der just in diesem Moment stolpert und zu Boden geht, der Messerstoß geht ins Leere. Dieser Mann kam nur durch einen glücklichen Umstand mit dem Leben davon. Mutige Helfer leben gefährlich, riskieren ihr Leben.

Während der Polizist auf dem Mann kniet, stürzt der Attentäter auf den knienden Polizisten zu und sticht ihm genau über dessen Schutzweste in den Hals und den Kopf, trifft das Gehirn, die spätere Todesursache.

Schließlich schießt ein weiterer Polizist den Messerangreifer mit einem Schuss aus seiner Dienstpistole kampf- und bewegungsunfähig.

Rufe wie »werft das Messer weg« sind zu hören. Der am Boden liegende Mann, auf dem zuvor der niedergestochene Polizist kniete, kann sich noch umdrehen und das Messer aus dem Bereich des Attentäters nehmen und wegwerfen.

Auf dem weiteren Video ist die Erklärung zu finden, warum der schießende Polizist nicht bereits früher abgedrückt hatte und so den Angreifer außer Gefecht gesetzt hat: Er hatte kein freies Schussfeld. Denn der Filmer des neu aufgetauchten Videos steht genau in der Schussrichtung des Polizisten, der letztlich den Attentäter anschoss und außer Gefecht setzte. Der Polizist erkannte dies und konnte also nicht früher schießen, zu leicht hätte er den in gleicher Linie stehenden Filmenden treffen können. Der Polizist springt daher zur Seite, um seine Schußposition zu ändern. In dieser kurzen Zeitspanne hat der Attentäter Zeit, sich auf den knieenden Polizisten Rouven L. zu stürzen und ihm von hinten das Messer in den Nacken zu rammen. Dabei traf er genau jenen Raum zwischen Stichschutzweste und Hals; das Messer glitt laut Bild Information offenbar ins Gehirn des Beamten und fügte dort erhebliche Verletzungen zu, die zu dem Hirntod geführt hätten. Klar ist: Der schießende Polizist hat schnell, überlegt und hoch kompetent gehandelt, das tumultartigen Geschehen überblickt und auch Unbeteiligte im Blick.

Hat die Polizei angemessen gehandelt?

Es ist eine schwierige Debatte, die jetzt beginnt. Hat die Polizei versagt? Das ist schnell formuliert. Für Kritiker aus dem Sicherhheitsbereich, die TE befragt hat, sehen die beteiligten Beamten nicht alle gut aus. Aber die Situation entwickelte sich blitzschnell, es handelt sich um viele Teilnehmer in einem Geschehen, das sich in wenigen Sekunden abspielte. Da sind Fehlentscheidungen unvermeidlich. Zu schnelle Kritik würde jetzt die Verantwortung die Beamten auf der Straße abwälzen – aber gerade das ist unfair. Diese Beamten müssen mit Leben und Gesundheit einstehen und ausbaden, was die Politik seit Jahren zugelassen hat – die ungehinderte Einwanderung von Gewalttätern, das Entstehen von Parallelkulturen, das Zerbrechen einer bis dato stabilen Gesellschaft. Dazu kommt der immense Aufgabenzuwachs für Polizisten, während viel zu wenig in Aus- und Fortbildung investiert wird, um diese neuen Bedrohungslagen ausreichend zu beherrschen.

Auch, dass die Politik nicht unmissverständlich hinter unserer Polizei steht, sie aber gerne verheizt, gehört dazu: Die Einsätze gegen Kritiker der Corona-Maßnahmen haben das Vertrauen vieler Bürger in die Polizei zerstört. Die Polizei ist zudem neuerdings angehalten, Partys und Festzelte zu überwachen, ob da kritische Lieder gespielt oder gar ungewollte Texte gesungen werden. Nicht zu vergessen Führungskräfte, die nach Parteibuch, opportunistischer Rückgratlosigkeit, Quote und anderen fachfremden Kriterien ausgesucht werden. Die Polizei wird politisiert, aber immer häufiger nicht gut qualifiziert. In Mannheim fällt auf: während männliche Polizisten vollen Einsatz zeigen und einer von ihnen möglicherweise sein Leben opfert, ein anderer professionell und überlegend die Waffe zieht und die Situation so zu retten vermag, stehen weibliche Polizistinnen trotz erkennbarer Bedrohung ohne Waffe herum, rufen „Messer wegwerfen“ oder laufen zur Seite. Nur Zufall oder Fehler in Ausbildung und Motivation?

Die politische Verantwortung bleibt

Nichts ändert dies allerdings an dem grundsätzlichen Versagen der politischen Führung, die Grenzen geöffnet hat und bedenkenlos alle ins Land läßt, ohne zu prüfen, um wen es sich dabei handelt und was sie möglicherweise im Schilde führen. Dazu kommt die oft auch dramatisch schlechte Ausbildung von Polizisten, für die noch nicht einmal ausreichend Möglichkeiten einer Schießausbildung bestehen. Es fehlt an Geld und an politischem Willen. Auch den unter Quotengesichtspunkten steigenden Anteil junger Frauen sehen erfahrene Polizisten als kritisch an und sehen sich durch die Videos bestätigt: Es sind die Männer, die in die Konfrontation mit dem Täter gehen – und sich im wahrsten Sinne opfern.

Doch letztlich sind die Polizisten auf der Straße nur das letzte Glied in der Versagenskette. In Mannheim zeigt sich leider: Unter den Polizisten sind mindestens zwei Helden – wobei die Eigensicherung zum Teil Lücken aufweist, auch wegen des erkennbar kopflosen Verhaltens eines Teils der Beamt(innen).

Mittlerweile hätten sich 30 Kollegen krank gemeldet, berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Polizeikreise, weil diese mental angegriffen seien. Dies werfe die Frage auf, ob mit den erhöhten Gefahren die Belastbarkeit bei jungen Beamten überstrapaziert werde, so ein Polizeifachmann gegenüber TE. „Ein Unding“ sei, dass sich 30 Kollegen des fraglichen Einsatzgruppe krankgemeldet hätten. Denn jetzt folgen innerpolizeiliche Ermittlungen, wer wann was getan und wer warum geschossen hat. Im Zweifel werden dabei die Polizisten im Stich gelassen.

19.18: aktualisierte Fassung, nachdem uns die Nachricht vom Tod Rouven L. erreicht hat.

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