Die regierende ANC-Partei hat, nachdem die Auszählung ist fast abgeschlossen ist, 40,2% der Stimmen erhalten, nachdem sie vor fünf Jahren noch auf 57,5 Prozent kam. Die wirtschaftsfreundliche liberale Democratic Alliance (DA) erhält 21,7%, die Partei des früheren Präsidenten Jacob Zuma, uMkhonto weSizwe (MK) bekam 14,8% und die Economic Freedom Fighters des berüchtigten Julius Malema (EFF) 9,4%.
Zum ersten Mal seit 30 Jahren büßt also der bisher allein regierende afrikanische Nationalkongress (ANC) seine parlamentarische Mehrheit ein. Die Wähler erteilten der Partei, die Nelson Mandela zum Ende der Apartheid-Ära an die Macht gebracht hatte, eine historische Abfuhr.
Sie verzeihen dem ANC nicht jahrelanges wirtschaftliches Missmanagement und Korruption. Denn deren Folgen spüren sie jeden Tag: Ein Drittel der Südafrikaner ist arbeitslos. Tägliche Stromabschaltungen behindern das Leben und lähmen die Wirtschaft. In Unternehmen, Kaufhäusern oder Malls und Tankstellen stehen zwar meist Dieselaggregate, die die Stromversorgung bei »load sheddings« übernehmen. Für gewöhnlich zwei Stunden wird der Strom reihum in städtischen Regionen abgeschaltet. Immerhin wird das vorher angekündigt. Allerdings kann der Strom auf dem Land schon einmal bis zu zwei Wochen wegbleiben – eine Katastrophe für die Bewohner.
Über die Hälfte lebt unterhalb der Armutsgrenze. Doch auf der anderen Seite gedeihen wirtschaftlich starke Regionen wie Kapstadt, ziehen viele Arbeitskräfte an. Mit 8,5 Millionen Besuchern aus aller Welt bildet der Tourismus eine wichtige Wirtschaftsgröße. Das Kernkraftwerk Koeberg nördlich von Kapstadt liefert zuverlässig Energie. Am guten Zustand der meisten Straßen könnten sich deutsche Straßenbauämter ein Beispiel nehmen. Die IT-Infrastruktur ist in der Regel gut, Internet nahezu überall in guter Qualität verfügbar.
Doch Arbeitslosigkeit und Kriminalität sind immer noch hoch, um Geld oder Essen bettelnde verarmte Menschen klopfen an die Scheiben der vor Ampeln wartenden Autos.
Das eigentlich wohlhabende Land ist mit ausreichend Rohstoffen gesegnet sowie einer einigermaßen funktionierenden Landwirtschaft und könnte blühend dastehen, würde es nicht durch Korruption und Misswirtschaft gelähmt. Es ist zugleich Einwanderungsland für Menschen aus anderen, ärmeren afrikanischen Ländern. Die übernehmen die Wohnstätten in den Townships, dort, wo Südafrikaner es geschafft haben, aus diesen Elendsvierteln in neu gebaute Wohnungen umzusiedeln. So Zugewanderte erhalten vom südafrikanischen Staat eine Art »Bürgergeld«, eine monatliche Summe, mit der sie schlecht und recht überleben können. Mit zusätzlicher Arbeit reicht das, um in eine bessere Wohnung ziehen zu können.
Jetzt also haben die südafrikanischen Wähler dem ANC einen kräftigen Denkzettel verpasst. Der ANC bleibt nach den bislang veröffentlichten Wahlergebnissen jedoch stärkste Kraft. Die Frage ist, mit wem der ANC eine Koalition bilden kann. In jedem Fall muss er seine Macht teilen, die er bisher uneingeschränkt ausüben konnte. Das wird als positiv angesehen.
Der 72-jährige Cyril Ramaphosa, der bereits Nelson Mandela bei der Gründung des ANC zur Seite stand, sollte eigentlich nach vielen Korruptionsskandalen aufräumen und das Land wieder auf Spur bringen. Das heißt vor allem, eine funktionierende Stromversorgung wiederherzustellen und zuvor der Korruption Einhalt zu gebieten. Das wiederum heißt, den Profiteuren der Korruption auf die Füße zu treten. Was das bedeutet, musste André de Ruyter bitter erfahren. Der südafrikanische Manager aus der Privatwirtschaft sollte bei dem maroden Energiekonzern Eskom wieder für klare Verhältnisse sorgen. »Ein harter Job«, wie Staatspräsident Ramaphosa einst trocken bemerkte.
Nachdem de Ruyter nur knapp einen Mordanschlag überlebte und seine Familie bedroht wurde, warf er das Handtuch und floh nach Amerika. Seine Bestrebungen, Betrug und Diebstahl in Afrikas größtem Stromkonzern zu bekämpfen, mussten zwangsläufig gegen »geschäftliche Interessen« der mafiösen Profiteure innerhalb des ANC und des Unternehmens prallen. Die würden sich mit Milliardenbeträgen schamlos bereichern und verhindern, dass wieder eine funktionierende Stromversorgung aufgebaut werden könne. So dürfen unter anderem Ersatzteile für Kraftwerke und elektrische Infrastruktur von Eskom nicht auf dem freien Markt eingekauft werden, sondern müssen über Händler beschafft werden, die wiederum Mitgliedern des Managements gehören. Für die fallen dabei satte Provisionen ab. Ebenso bei der Verteilung von Aufträgen für die Infrastruktur.
Zusätzlichen Ansporn bieten übrigens die Milliarden an Gelder, die unter anderem aus Deutschland nach Südafrika fließen, um auch dort eine »Energiewende« zu finanzieren. Seine Erfahrungen fasste de Ruyter in einem Buch »Truth to Power« zusammen. Seine Bilanz ernüchtert: Gegen die grassierende Korruption ist wohl kaum mehr etwas auszurichten.
Die Führungsspitze der DA wird sich am Sonntag treffen, um ihr Wahlergebnis und ihren Ansatz in Bezug auf Koalitionen zu diskutieren, sagte der nationale Sprecher Solly Malatsi in einem Interview am Samstag im Zentrum der Wahlergebnisse in der Nähe von Johannesburg.
»Zu diesem Zeitpunkt hat die Partei noch nicht herausgefunden, wie sie vorgehen soll«, sagte er. »Bis Ende morgen werden wir ein Gefühl für den Ansatz für Koalitionen haben und wissen, mit wem wir mögliche Gespräche aufnehmen können.« Der ANC-Vorsitzende Gwede Mantashe teilte mit, die Partei werde sich bis zur Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse nicht zu Koalitionsgesprächen äußern.
Vor einem Szenario fürchten sich viele bürgerliche Südafrikaner, sowie Wirtschaft und Finanzmärkte, wenn die linksradikale EFF mit auf Regierungsbänken Platz nehmen würde. EFF will Vermögen und Landbesitz umverteilen, Banken und Bergbauunternehmen verstaatlichen. Spitzenkandidat Julius Malema, der ehemalige Vorsitzende der Jugendorganisation des ANC, bekundet Solidarität mit Russland und ruft dazu auf, die weisse Minderheit der Buren zu töten. Malema tritt auch im Parlament in roten Kleidung und Revoluzzerkappe auf und schwingt radikale Reden, die immerhin bei knapp 10 Prozent der enttäuschten Wähler verfingen. Doch beide – MKP und EFF – führen laut das Wort von »Verstaatlichung« im Mund – angefangen von Land bis hin zu Unternehmen und Banken.
Ein Bündnis mit der DA würde wahrscheinlich die Wirtschaftsreformen und Privatisierungsinitiativen beschleunigen, die Präsident Ramaphosa begonnen hatte. Die haben ihr Ziel erreicht, so Parteichef Steenhuisen, den ANC unter 50 Prozent zu bringen und dessen Alleinherrschaft zu brechen. Allerdings gilt DA als Partei der Weißen.