Wie volkswirtschaftlich desaströs Baerbocks Vorstellungen für Deutschland sind, hat sie im Interview mit dem Handelsblatt, in dem es vor allem um Außenhandelspolitik bzw. Außenwirtschaftspolitik geht, zu Protokoll gegeben. Dass Annalena Baerbock in Habecks Bereich wildert und Wirtschaftskompetenz beweisen will, die sie genauso wenig wie ihr Konkurrent um die Kanzlerkandidatur bei den Grünen besitzt, verdeutlicht sie im Interview, an dem Heerscharen von Kommunikationsexperten mitgearbeitet haben dürften.
Das Interview kann man mit gutem Grund als Angriff auf Robert Habeck werten. Am Ende des Gesprächs lässt sie die Frage zu: „Es wirkt derzeit ein bisschen so, als bringe sich Ihr Parteikollege Robert Habeck in Stellung, Kanzlerkandidat der Grünen zu werden. Von Ihnen vernimmt man dagegen wenig Bestrebungen in diese Richtung. Haben Sie das Ziel aufgegeben?“ Im Vergleich dazu reduziert sich selbst ein Zaunpfahl zum Zahnstocher. Und damit es auch der Begriffsstutzigste erfasst, antwortet Baerbock darauf mit Unschuldsmine und Augenaufschlag brav und nur allzu selbstlos: „Sowohl für Robert Habeck als auch für mich gilt: Diese Zeiten sind zu turbulent, als dass wir uns anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl über Personalfragen den Kopf zerbrechen, zumal kurz vor der so wichtigen Europawahl. Und bekanntermaßen ist die Welt mit dem furchtbaren Konflikt in Nahost nicht friedlicher geworden. Daher bin ich als Außenministerin noch mehr in der Welt unterwegs, gebe also auch seltener Interviews als meine Kabinettskollegen.“ Da fällt allen ein Stein vom Herzen, dass Baerbock ihre ganze Pattensensche Courage zusammengenommen hat und auf Fidschi die deutsche Demokratie verteidigt und auf Palau mit Einheimischen kocht.
Das findet man allerdings nur zwischen den Phrasen. Baerbock posaunt im Steinmeier-Stil: „Die EU ist unsere Lebensversicherung für Frieden und Freiheit. Ihr Fundament sind unsere rechtsstaatlichen Prinzipien – Werte und Regeln.“ Zum einen wirft Baerbock Äpfel und Birnen durcheinander, denn Prinzipien sind keine Werte und Regeln, sie können im weitesten Sinne auf der Grundlage von Werten geschaffen werden und zur Grundlage von Regeln im Sinne von Gesetzen werden. Wichtiger aber ist, dass der Satz frei übersetzt heißt, dass Baerbock als Fundament der EU Werte und Regeln, also Ideologie und Bürokratie sieht.
Was ist eigentlich mit Interessen? Und vor allem, in welchem Interesse macht Baerbock Politik? Die Frau aus dem Völkerrecht dreht dem Wirtschaftsminister, der von Hühnern und Schweinen kommt, eine lange Nase im Interview, wenn sie feststellt, dass zur „Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ noch Hausaufgaben zu erledigen seien – die Schulbub Habeck wohl verschludert hat. Zum Beispiel, den Binnenmarkt voll auszuschöpfen. Eine hübsche Metapher in Zeiten von Hochwasser und dem Ansteigen der Inflation, der Verteuerung der Produktion vor allem in Deutschland, doch was heißt voll ausschöpfen ökonomisch? Rauszuholen, was noch rauszuholen geht, bevor die Lichter ausgehen?
Baerbock spricht über fehlendes Risikokapital „in der Umwelt- und Biotechnologie, aber auch bei Halbleitern und Künstlicher Intelligenz“. Doch Kapital riskiert nur dort, wo das Risiko beherrschbar ist, auch wenn der Staat als erster und zuweilen als einziger Investor auftritt. Selbst wenn Baerbock darauf verweist, dass im selben Zeitraum die USA 30 Milliarden in KI investieren, die EU nur 4 Milliarden Euro einsetzt, verschweigt Annalena Baerbock uns mittelmäßigen Töchtern und Söhnen dieser Erde, erstens von welchem Zeitraum sie spricht, und zweitens erwähnt sie nicht, dass es sich in den USA vor allem um privates Kapital handelt, in Deutschland und in der EU es um Subventionen und Förderungen geht.
Auch wenn Annalena Baerbock den Namen Robert Habeck in der Analyse ihres Interviews nicht gern liest, so muss doch erwähnt werden, dass der Bund bis zum Jahr 2025 Künstliche Intelligenz mit insgesamt 5 Milliarden Euro fördern wird. Beschlossen wurde das Programm schon 2019.
Dass Annalena Baerbock wie Robert Habeck sich Wirtschaft nur dirigistisch, letztlich planwirtschaftlich vorstellen kann, bestätigt sie, wenn sie „an einer europäischen Industriestrategie, innerhalb derer die Player in der EU nicht gegeneinander, sondern miteinander agieren“ arbeiten möchte. Hat schon einmal prima im RGW funktioniert. Möglicherweise würde Habeck soweit gar nicht gehen wollen, denn die europäische Industriepolitik würde dann rein mediterran werden und das Ende des deutschen Wirtschaftsstandortes bedeuten. Wenn Baerbock den Wettbewerb aushebeln will, engagiert sie sich für ein Europa der Zombiefirmen. Damit stärkt sie nicht den Binnenmarkt, sondern sie schöpft ihn aus.
Wettbewerb, also der Motor der Marktwirtschaft, ist für sie etwas rein Negatives: „Industriepolitisch darf Europa nicht im internen Wettbewerb straucheln, sondern muss global gegen die großen Player bestehen können.“ Die Wirtschaftsgeschichte lehrt doch eindeutig, dass Unternehmen, die sich lokal durchsetzen, an Resilienz und vor allem Know-how gewinnen, sich auch international durchsetzen.
Baerbock will Strafzölle gegen die Einfuhr billiger chinesischer E-Autos in die EU erheben. Weiß sie denn nicht, dass am 26. Oktober 2023 der Konzern Stellantis Aktien des chinesischen Elektrofahrzeugherstellers Leapmotor kaufte und im Rahmen des Joint Ventures Stellantis das exklusive Recht zum Verkauf, Export und zur Herstellung von Leapmotor-Produkten außerhalb Chinas eingeräumt wurde? Die Pointe des Abkommens besteht darin, dass das Joint Venture in den Niederlanden registriert ist und Stellantis deshalb die Leapmotor-Produkte auch in Europa bauen kann, wenn die EU die Einfuhrzölle auf chinesische E-Fahrzeuge erhöht, und man dadurch die Zölle zu unterlaufen vermag. So gesehen könnte Stellantis auch als Trojanisches Pferd den Chinesen dienen. Weiß Baerbock nicht, dass der Hauptstoß, den Stellantis führt, die deutsche Automobilindustrie vor allem treffen soll und wohl auch treffen wird? Was benötigt Stellantis für seinen Siegeszug? Kurz gesagt: den Sieg der E-Mobilität, auf die Stellantis setzt, weil sie politisch gewollt ist. Soll so „unsere gemeinsame Schlagkraft als Europäer“ genutzt werden, von der Baerbock träumt.
Dabei ist der Weg sehr einfach, man muss nur das Verbrenner-Aus kippen, die Bedrohung durch die chinesischen Billigmodelle im E-Fahrzeugbereich erledigt sich dann von selbst, Stellantis hätte sich extrem verkalkuliert und die deutsche Autoindustrie müsste nicht ihr Heil im Ausland suchen. Das wäre allerdings Politik nicht gegen, sondern für Deutschland. Doch Politik in deutschem Interesse ist, von dieser Regierung nicht zu erwarten.
Annalena Baerbock zitiert im Interview die deutsche Weisheit, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste sei, doch wenn Baerbock diese Maxime wirklich verstanden hätte, würde sie sich auch nicht wie der Elefant im Porzellanladen bewegen. Und bevor wir einen bösen Brief von Ferda Ataman erhalten, es muss natürlich in diskriminierungsfreiem Deutsch heißen: wie die Elefantin im Porzellanladen.