Das militärische Gerät, das Deutschland an die Ukraine liefert, durfte von Kiew bisher ausdrücklich nicht gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet eingesetzt werden. Das hatte die Ampel ausdrücklich verboten.
Von diesem Verbot ist der Bundeskanzler jetzt abgerückt. Sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat am Freitag mitgeteilt, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht habe, sich auch auf russischem Territorium gegen russische Angriffe zu wehren. Dazu könne sie „auch die dafür gelieferten Waffen in Übereinstimmungen mit ihren internationalen rechtlichen Verpflichtungen einsetzen; auch die von uns gelieferten“.
Die Ampel begründet ihre eigene Kehrtwende nun damit, dass Moskau in den vergangenen Wochen von Stellungen aus dem eigenen Grenzgebiet heraus vor allem die Stadt Charkiw massiv angegriffen habe. Kiew hatte deshalb von seinen westlichen Unterstützern schon länger die Erlaubnis gefordert, russische Anlagen unmittelbar hinter der Grenze – also auf russischem Territorium – auch mit westlichen Waffen angreifen zu dürfen.
Von der Bundeswehr heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass sowohl die Panzerhaubitze 2000 als auch der Raketenwerfer „Mars II“ mit einer Reichweite zwischen 70 und 85 Kilometern für solche Operationen geeignet seien. Zusätzlich könnte Kiew auch von Deutschland gelieferte Flugabwehrsysteme in der Region Charkiw einsetzen.
Der Kreml hatte schon auf die Entscheidung der USA wütend reagiert. Man werde auf ukrainische Angriffe auf das russische Territorium mit vom Westen gelieferten Waffen „asymmetrisch“ antworten. Militärisch versteht man darunter Attacken, bei denen andere Mittel eingesetzt und andere Ziele ausgesucht werden, als es die Gegenseite tut.
Kritik kommt auch von der Opposition in Deutschland. „Ich fordere Bundeskanzler Scholz auf, der Forderung nach Einsatz westlicher Waffen auf russischem Gebiet eine klare Absage zu erteilen“, hatte die Parteivorsitzende der „Linken“, Janine Wissler, noch vor der jetzigen Ampel-Entscheidung betont. Ein Einsatz deutscher Waffen gegen russisches Staatsgebiet sei „verantwortungslos und hochgefährlich“. Sahra Wagenknecht lässt sich mit dem Satz zitieren: „Seit zwei Jahren überschreiten wir eine rote Linie nach der anderen und werden so immer mehr zur Kriegspartei.“
Dagegen hofft die FDP-Spitzenkandidatin zur EU-Wahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nun darauf, dass Berlin der Ukraine bald doch auch Marschflugkörper vom Typ „Taurus“ liefert. Das hatte Olaf Scholz ausgeschlossen – bisher.