Franz Kellers „Schwarzer Adler“ in Oberbergen im Kaiserstuhl gilt als eine der wenigen betont traditionellen Adressen der deutschen Hochküche. Hier stehen noch regelmäßig badisch-elsässische Klassiker wie Weinbergschnecken, Gänseleberpastete und eine im Ganzen in der Blase gebratene und getrüffelte Poularde auf der Karte: Es sind absolute Raritäten in Zeiten der zisilierten Bastelteller mit diesem, jenem, allem und nichts.
Unverrückt auf der Karte seit Jahrzehnten auch die „Variationen für Liebhaber dunkler Valrhona-Schokoloade“, ein reich ausgestatteter Teller mit dunkler Schokomousse, dunklem Schokoladeneis, Gebäck und einem Minigläschen recht bitterer Trinkschokolade. Ein Muss für Schokoladenfans und allemal wert, einmal mit schwerem Magen zu Bett zu gehen.
Fast könnte man sagen, dass eine Dessertkarte ohne ein oder zwei schokoladige Kreationen ihren Namen nicht verdient hat. Doch leider ist die Schokoladenkultur in der deutschen Gourmetküche auf breiter Front in stetigem Niedergang begriffen. Vor ein paar Jahren noch war Valrhona-Schokolade aus Tain l‘Hermitage im Tal der Rhone (daher der Name!) ein Muss auf jeder Dessertkarte. Durchaus zu Recht, weil die Fabrik Maßstäbe setzte vor allem bei dunkler und sehr dunkler Schokolade, wenngleich es natürlich längst viele andere Manufakturen gibt, die ähnliches leisten, wenn auch nicht in dieser Menge und mit diesem Marketingerfolg.
Doch der Valrhona-Hype ist längst zu Ende und mit ihm offenbar die Karriere von Schokolade in der Gourmetküche im Allgemeinen. Gelegentlich trifft man noch weiße Schokolade an, die aber leider fast immer nur süß schmeckt und eben nicht nach – Schokolade. Vielleicht meinen viele Köche, auf Schokolade verzichten zu können in der Annahme, dass ihre auf vordergründiger Leichtigkeit versessenen Gäste nach einem Sechsgangmenü keine Lust mehr haben auf Schokolade als Inbegriff Kalorien lastiger Ausschweifungen. Und servieren stattdessen Fruchtsorbets, die jedoch infolge ihres hohen Zuckeranteils keineswegs zur Diätküche gerechnet werden können.
Vielleicht sind es aber auch die aufdringlichen Aromen exotischer Früchte in der allgegenwärtigen asiatisch angehauchten Crossoverküche wie Maracuja, Mango, Litschi und Kokos, die sich mit den feinen Nuancen bester Schokolade nicht vertragen? Oder meint man, etwa auf eine Mousse au chocolat verzichten zu können, weil es sie längst in jedem Supermarkt zu kaufen gibt und hier in Bezug auf Kreativität keine Meriten respektive gastronomische Auszeichnungen mehr zu gewinnen sind?
Dabei zählt eine perfekte Mousse au chocolat, jenseits der überall anzutreffenden Convenience-Produkte, zu den allergrößten süßen Errungenschaften. Es gibt sie in zwei Varianten, einer Schnellversion, bei der nur geschmolzene Schokolade mit sehr steifen geschlagenem, gezuckerten Eischnee vermengt wird. Und eine andere, weitaus bessere, mit einer Basis aus warm mit Zucker und Butter aufgeschlagenem Eigelb, Zucker und Butter. Diese Mischung geht mit geschmolzener Schokolade, noch etwas bitterem Kakaopulver und Schlagsahne eine unschlagbar geschmackige, luftige, wenngleich gehaltvolle Verbindung ein.
Aber auch ein einfacher, traditionell mit Mehl gebundener Schokoladenpudding ist heute ebenso selten anzutreffen wie eine schlichte Schokoladensoße. Ganz zu schweigen von Schokoladencharlottes, Schokoladentarts oder der auf dem Dessertwagen von Paul Bocuse in Collonges-au-Mont-d’Or prangenden Präsidenten-Torte nach einem Rezept von Maurice Bernachon (Gateau du Président). Nicht zu verachten die legendäre Anna-Torte aus dem Haus Demel in Wien, eine Trüffeltorte mit Schokoladencreme, Orangenlikör und opulenter Nougateindeckung, bei der es sich dann allerdings wirklich um eine Kalorienbombe erster Güte handelt. Aber man isst ja nicht, um schlank zu werden. Dafür gibt es effizientere Methoden. Einfach einen Tag vor einem am besten von Schokolade gekrönten Festmahl nichts oder wenig zu sich nehmen. Voilá!