Tichys Einblick
Überflutung im Saarland

Hochwasser im Südwesten: Entspannung nach Dauerregen

Nach erheblichen Niederschlägen am Freitag hat sich die Lage im Südwesten heute entspannt. Besonders betroffen ist das Saarland. Die Saar übertraf an einigen Stellen sogar das Hochwasser von 1993. Der Verkehr brach vielerorts zusammen, Häuser mussten geräumt und ein Kraftwerk abgeschaltet werden.

IMAGO / Fussball-News Saarland

Bereits in der Nacht und am frühen Morgen berichteten erste Stellen, dass die Pegel der Saar und anderer Gewässer ihren Scheitelpunkt erreicht hätten, sich die Lage also nicht verschlimmert. Noch lange aber strömen Wassermassen nach, die Pegel werden an einzelnen Orten wie an der Blies noch steigende Wasserstände anzeigen, erwartet das saarländische Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz.

Es fielen allen in Saarbrücken erhebliche Regenmengen von mehr als 110 Liter pro Quadratmeter bei einem Durchschnitt von 73,6 Liter pro Quadratmeter in Saarbrücken-Burbach. Das führte zu zahlreichen Überschwemmungen in der Landeshauptstadt. An den Flüssen Mosel, Saar und Ruwer stiegen die Wasserstände und überschwemmten Uferstraßen und flutete Keller vieler Häuser.

Die Saar stieg in der Nacht bei Fremersdorf auf eine Rekordhöhe von 7,55 Meter – elf Zentimeter mehr als beim »Jahrhunderthochwasser« 1993. Auch die Mosel stieg stark an. Für Samstagmittag wird für Trier ein Höchststand von 9,44 Meter angegeben. Die Stadt warnt vor Überflutungen. Besonders betroffen ist Ottweiler im Landkreis Neunkirchen nordöstlich von Saarbrücken. Dort gaben die Dämme nach, Wasser lief in die Altstadt.

In Quierschied brach der Damm eines alten Angelweihers und drohte, das Steinkohlekraftwerk Weiher der STEAG zu überfluten. Das Kraftwerk wurde heruntergefahren, die Bewohner wurden allerdings auch nicht mit Fernwärme versorgt, die bei der Stromerzeugung ausgekoppelt wird. Die soll im Laufe des Vormittags wieder funktionieren, so der Bürgermeister.

Die Stadtwerke Saarbrücken haben Trafo-Stationen abgeschaltet, um zu verhindern, dass Menschen in überfluteten Kellern gefährdet werden. Zugverbindungen und Buslinien fielen aus; die Bahn rät, von nicht notwendigen Reisen ins Saarland abzusehen. Nun gut, die Bahn …

Immerhin scheint das Saarland wesentlich besser reagiert zu haben als Rheinland-Pfalz bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Ein Alten- und Pflegeheim in Saarburg wurde evakuiert, die Bewohner in umliegende Krankenhäuser gebracht. In Sinzig dagegen ertranken bei der Ahrtal-Katastrophe in einem Behindertenheim 12 Bewohner aufgrund Versagens der Behörden.

Vom Hochwasser bedrohte Häuser wurden geräumt, ein Hotel in Trittenheim evakuiert. Noch in der Nacht bereitete die Regierung des Saarlandes finanzielle Hilfen nach den Überschwemmungen vor. Anders als die rheinland-pfälzische Landesregierung von Marie-Luise Dreyer, die von der Ahrtal-Flutkatastrophe völlig überfordert war.

Erhebliche Niederschläge registrierten die Messstellen auch im südlichen Rheinland-Pfalz mit 12,4 mm in 12 Stunden und im nördlichen Baden-Württemberg mit 20,4 mm Regenmengen: zum Beispiel in Rheinstetten und 50,6 mm im Odenwald.

Auf französischer Seite waren Gebiete im Departement Moselle betroffen. So meldeten die Gemeinden Boulay, Bouzonville, Forbach, Freyming-Merlebach und Hombourg-Haut Überschwemmungen mit teils erheblichen Schäden und Verkehrsbehinderungen. In Hombourg-Haut blieb ein französischer Schnellzug TGV stecken und konnte erst am Samstagmorgen abgeschleppt werden.

Verantwortlich ist ein kräftiges Tiefdruckgebiet, das sich kaum bewegte – wie das immer wieder vorkommt. Denn es gibt kaum Wind, die Höhenströmung ist äußerst schwach. So konnte es sich über dem Südwesten ausregnen. Für die kommende Woche rechnen die Meteorologen mit einer ähnlichen Lage: nämlich mit zwischen zwei Hochs eingekeilten ortsfesten Tiefdruckgebieten. Das bedeutet wieder erhebliche Niederschlagsmengen, zumal diese Luftmassen noch deutlich mehr Feuchtigkeit enthalten sollen als die der letzten Tage. Es kommt darauf an, wie sich der Wind entwickelt. Das können die Wettermodelle nicht vorhersagen.

So bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als sich mit Unbilden der Natur auseinanderzusetzen, so wie er das Zeit seines Lebens getan hat. Notwendig: ein wirksamer Katastrophenschutz. Doch damit ist es nicht mehr soweit her.

So hat gerade der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe (CDU), gefordert, den Bevölkerungsschutz zu verbessern und die Städte dabei stärker einzubeziehen. »Nach Corona, der Flutkatastrophe im Ahrtal oder drohenden Blackouts wegen Gasknappheit wissen wir, wie wichtig ein effektiver Bevölkerungsschutz ist«, sagte Lewe gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Die Städte haben bewiesen, dass sie schnell reagieren und im Katastrophenfall helfen können. Gleichzeitig haben wir auch gesehen, dass es noch Lücken gibt und was besser laufen muss.«

Bund, Länder und Kommunen müssten schon in der Krisenvorsorge effektiv zusammenarbeiten, so Lewe. Allerdings müssten dazu Strukturen verbessert werden. Er preist das »Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz« als Schlüssel an, das vor zwei Jahren eingerichtet wurde. Er bedauerte, dass Kommunen nicht weiter eingebunden seien. Abläufe, Informationsketten und Verantwortlichkeiten müssten bei größeren Katastrophen klar sein. Krisenstäbe müsten länderübergreifend zusammenarbeiten könnten.

Nette Forderungen – allerdings befindet sich ausgerechnet in Ahrweiler die Katastrophenschutzschule des Bundes, also im Zentrum der Flutkatastrophe. Dort soll ausgebildet werden, wie Katastrophen begegnet werden kann und wie man mit ihnen umgeht. Doch niemand hatte dort wesentliches Interesse an einer Ausbildung. Selbst der frühere Landrat des Landkreises Ahrweiler hatte kein Interesse, seine Verwaltung in dieser Richtung zu schulen.

So konnte die Ahrtal-Katastrophe erst durch ein multiples Verwaltungsversagen zum Desaster werden. Sie machte deutlich, wie schwach und unfähig der Staat ist, auf solche Katastrophe angemessen zu reagieren.

Dies hatte in einem Gespräch mit TE auch Ralph Thiele, Oberst a.D. ausgeführt. Er hatte Schlüsselpositionen beim NATO Oberbefehlshaber und im deutschen Verteidigungsministerium inne, ist heute Präsident von EuroDefense Deutschland, CEO von StratBird Consulting und Vorsitzender der politisch-militärischen Gesellschaft zu Berlin. Thiele kennt sich mit Risiko-Management und sogenannter Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit eines Systems aus. Er hat die Vorgänge und Abläufe bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal intensiv analysiert.

Er beklagte die miserable Vorbereitung auf die Katastrophe im Ahrtal auf allen politischen Ebenen. Der Innenminister von Rheinland-Pfalz Roger Lewentz zum Beispiel habe den Krisenstab in der Flutnacht in der kritischen Phase mehr bei der Arbeit gestört, statt ihn zu unterstützen. Zudem sei Lewentz nicht gut auf den Ernst der Lage vorbereitet gewesen. Doch zu einem vollständigen Desaster wurde die Unwetterkatastrophe erst durch vollständiges Fehlverhalten von Behörden. Ein multiples Verwaltungsversagen, stellt Thiele fest.

Das wird gefährlich für einen Staat; der stellt sich durch schlechtes Handeln selbst in Frage. Ein Staat, der so schlecht performe, riskiere seine Existenz. »Es gibt viele gute professionelle Menschen, die ihr Handwerk verstünden, die aber nicht eingesetzt werden.« Thiele fragt klar: »Warum müssen wir Amateure in solche Jobs senden? Das muss aufhören!«

Kein Vergleich mehr mit den Leistungen eines Landrates Albert Heising, ein sehr fortschrittlicher Mann. Der war der erste Landrat des Kreises Ahrweiler. Das war 1890. In seine Amtszeit fielen Investitionen in den Straßen- und Wohnungsbau. Er liess mehr als 60 Volksschulen bauen, und er wusste, was eine sichere Stromversorgung bedeutete. Er liess ebenfalls die meisten Orte im Kreis Ahrweiler elektrifizieren und auch nach verheerenden Hochwassern die Ahr regulieren, Wehranlagen, Wassersperren und Schwellen aufbauen, um den Wasserfluss abzubremsen und die Wucht der Hochwasser zu mildern.

Den Grünen in Rheinland-Pfalz blieb es vorbehalten, diese Wassersperren wieder abzureissen. Damit Fische freie Bahn haben.

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