Tichys Einblick
Putin ist schuld?

Habecks „Kampf für die gute alte soziale Marktwirtschaft“

Im WELT-Podcast darf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Wirtschaftspolitik erörtern. Doch der selbst ernannte Kämpfer für die soziale Marktwirtschaft kann nicht einmal richtig sozialistische Planwirtschaft, auch dafür muss man etwas von Ökonomie verstehen.

picture alliance / Flashpic | Jens Krick

In der wundersamen Welt des Robert Habeck geht es so zu: Vorgestern erlitt der grüne Held im Bundestag noch den moralischen, fachlichen und intellektuellen Bankrott, gestern taucht er strahlend und nigelnagelneu, als ob nichts gewesen wäre, in der WELT auf, die vor lauter Glück gleich die Robert-Habeck-Festspiele ausrichtet. Im Podcast sitzt Robert Habeck brav wie ein leicht ergrauter John Boy Walton bei Dagmar Rosenfeld und Robin Alexander, der einst so scheinkritisch Merkels Einladung der ganzen Welt in die deutschen Sozialsysteme in einem Buch so hübsch verharmlost hat.

Und da es, wie eine alte Weisheit sagt, dort, wo es an Größe mangelt, eben der Wahn richten muss, trumpft Habeck auch gleich auf, als sei er wieder einmal am Vormittage seiner Apotheose. Wie oft eigentlich schon? Denn so ist sie, seine Welt, die nach dem Motto funktioniert: Weg weg und weg weg, jetzt kommt der Robert Habeck. Wer war schon Ludwig Erhard? Er, Robert Habeck, ist angetreten, die Welt zu verändern. Seien wir Realisten, fordern wir das Unmögliche, dürfte der alte Che-Guevara-Spruch ihm auf der Zunge herumspringen. Der ist zwar blödsinnig, klingt aber so schön in den logikbefreiten grünen Breiten.

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Und da man sich inzwischen den deutschen Staat einverleibt hat, geht es nur noch staatstragend, fast wilhelminisch zu – und zwar nicht unter einer neuen sozialen Marktwirtschaft. Zwar gehörte damals die Soziale Marktwirtschaft, das Konzept Ludwig Erhards, zum Wirtschaftswunder, zwar wurde ein im Krieg zerstörtes Land nebst Wirtschaft wieder aufgebaut, doch auch Robert Habeck vollbringt kein geringeres Wunder, denn es ist wahrlich kein geringeres Wunder, in zwei Jahren grundsätzlich zu zerstören, was in Jahrzehnten aufgebaut worden ist. Ob Aufbau oder Abbau, Hauptsache -bau, wer wollte da kleinlich sein. Der Mann denkt schließlich groß.

Politik ist, wie wir alle von ihm freiwillig oder unfreiwillig gelernt haben: Kommunikation – also Worte machen – womit erklärt wäre, dass, wenn Robert Habeck groß denkt, es immer die großen Worte sind, die dabei herauskommen, so groß wie aufgeblasene Luftballons: „Für die kämpfe ich – und ich würde mit einer gewissen Robustheit in der Argumentation sagen: härter als viele, die das Wort soziale Marktwirtschaft permanent im Mund führen.“ Robert Habeck kämpft also robust für die soziale Marktwirtschaft.

Hören wir doch einmal zu, wie er das so macht – und halten wir uns „mit einer gewissen Robustheit in der Argumentation …, härter als viele, die das Wort“ im Munde führen, daran. Beginnen wir sozial, nicht sozialistisch. Sozial ist, hieß es einmal, was Arbeit schafft. Werfen wir also mal einen Blick auf Robert Habecks soziale Großtaten: „Umso dringlicher sind also die wirklich strukturellen Reformen, die Arbeitskraftgenerierung, damit wir wieder Potenzialwachstum generieren: Bürokratieabbau, größere Kapitalmärkte, dass die ganzen Investitionen auch finanziert werden können, und sicherlich auch eine Reform von Steuern und Abgaben, die vielleicht – wenn es ganz gut läuft – Arbeit nicht unattraktiv macht und Investitionen anreizt. Das wäre dringend notwendig.“

Gegen diesen Satz ist jeder Hegel-Satz aus den „Phänomenologie des Geistes“ schon für jeden Dreijährigen verständlich. Wirklich „strukturelle Reformen“ sind also die Arbeitskraftgenerierung, was immer das auch sein soll. Ist damit die Generierung von Arbeitskräften oder die Regeneration der Arbeitskraft gemeint? Könnte man darunter verstehen, den „Fachkräftemangel“ zu beheben? Sollte das Potenzialwachstum, was Habeck noch schnell einfügt, durch strukturelle Reformen erhöht werden, und diese strukturellen Reformen bestehen, was der Habecksche Doppelpunkt zwingend nahelegt, bestehen in Bürokratieabbau, was noch verständlich ist, und in größeren Kapitalmärkten. Doch wie will er, der wirtschaftspolitische Superheld, größere Kapitalmärkte schaffen?

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Was macht Robert Habeck so sicher, dass die größeren Kapitalmärkte, die durch Utopiezeugungen entstehen, die großen Investitionen tätigen, wo die Investoren doch um Deutschland einen immer größeren Bogen schlagen und nur dort investiert wird, wo der Staat subventioniert. Und dann wäre es noch schön, wenn man vielleicht eine Reform der Steuern und Abgaben hinbekäme, die, und jetzt kommt der ganze wünschende Robert, für den das ganze Wirtschaftsjahr Weihnachten zu sein scheint: „die vielleicht – wenn es ganz gut läuft – Arbeit nicht unattraktiv macht und Investitionen anreizt“.

Den Nachsatz lasse man sich einmal auf der Zunge zergehen: Der Wirtschaftsminister hofft auf keine Steuerreform, die Arbeit attraktiv macht, also arbeiten zu gehen, fördert und sich nicht in die soziale Hängematte fallen zu lassen, sondern die Arbeit nicht unattraktiv macht. Also nicht auf eine Reform, die etwas verbessert, sondern die den Ist-Zustand nur nicht verschlechtert. Das ist wirklich originell: Arbeit nicht unattraktiver machen, wenn es gut läuft, aber Investitionen anreizen. Versteht Robert Habeck unter „sozial“ also ein Subventionsprogramm für die Finanzindustrie, für diejenigen, die seine Freunde und Ideengeber in den Klimadenkfabriken und -stiftungen finanzieren?

Sozial ist das nicht, feudal aber schon. Robin Hood macht also gemeinsame Sache mit dem Sheriff von Nottingham und Prinz John.

Dann jammert der gute Robert Habeck bei Robin Alexander und Dagmar Rosenfeld, dass „wir eine Investitionsschwäche haben“, obwohl er schon subventioniert, dass niemand in Deutschland investieren will. Und das alles liegt nur daran, dass die Unternehmenssteuern zu hoch sind und weder Christian Lindner, nicht einmal Friedrich Merz, der sich in der Welt der Hedgefonds und der Finanzmärkte so gut auskennt, mit ihm die Unternehmenssteuern senken will. Deshalb ist Deutschland schon „arg gekniffen“, wie der Schriftsteller und promovierte Germanist mit dem über die Landesgrenzen hinweg berühmten Hang zum subtilen Ausdruck bedachtsam formuliert.

Dass niemand investieren will, weil die Energie zu teuer, die Infrastruktur marode, die Bürokratie zu hoch, die Bildung zu schlecht ist und die wirtschaftspolitischen Vorgaben teil irreal und mit falschen Anreizen versehen sind, sieht Habeck nicht, auch dass seine wirtschaftspolitische, sozialistische Vorstellung vom starken Staat, der die Richtung vorgibt, nichts mit Marktwirtschaft zu tun hat, begreift er nicht, weil er in Euphorien der eigenen Bedeutung und der Großmannssucht lebt.

Eine Folge seiner Wirtschaftspolitik ist, dass die Steuern einbrechen, im nächsten Jahr um 11 Milliarden, in den nächsten fünf Jahren um 41 Milliarden, doch wie ein Glücksspieler meint der Wirtschaftsminister, noch mehr Geld falsch investiert, wird irgendwann zum richtigen Ergebnis führen. Deshalb will Habeck die Schuldenbremse lösen. Wenn seine und seiner Freunde Ideen nicht funktionieren, dann liegt es nicht an den Ideen, sondern an den äußeren Umständen, Ideen, die dann nur noch mehr Geld benötigen, um endlich Erfolg zu haben.

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Für Habeck, dem Liebhaber der Verschwörungstheorien, ist Putin an allem schuld. Putin hat Gerhard Schröder fernhypnotisiert, Putin, der böse Zauberer im Kreml, hat Angela Merkel verhext, sodass sie alle in die Falle des billigen Gases gelaufen sind und er den Energievernichtungskrieg gegen Deutschland vom Zaun gebrochen hätte, wenn nicht Robert Habeck rechtzeitig auf der Bildfläche erschienen wäre. Die Rettung hat dieses undankbare Deutschland nur Robert Habeck, dem Recken Ilja Muromez zu verdanken, der Putin den kühnen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

Das ist natürlich lächerlich. Doch die WELT schreibt über Habecks Welt: Er halte die gezielte Verteuerung der Energie durch den Wegfall von russischem Gas für ein gezieltes Manöver Putins, um Deutschland zu destabilisieren. Man müsse unterstellen, dass Putin wisse, dass „die ökonomische Stärke Deutschlands das Fundament für die demokratische Robustheit ist“, sagte Habeck. „Und wenn Menschen anderthalb Jahre lang weniger Geld haben, dann sind sie logischerweise unzufrieden, dann ist die Stimmung aufgeraut und dann sind sie auch verführbar durch Populismus.“ Sancta Simplicissima! Der böse Putin ist schuld, nicht der grundgute Habeck.

Habeck steht auf dem Kopf und so sieht er die Welt. Stellen wir sie richtig:

  1. Schuld an der Energiemisere ist nicht Putin, sondern die Energiewende, die nur mit billigem Erdöl und Erdgas aus Russland zu finanzieren war. Auch ohne den Krieg hat die Energiewende von Jahr zu Jahr mehr Schaden angerichtet.
  2. Habeck hat den Bürgern im Gegenzug zur höheren CO2-Bepreisung, der dreisten und willkürlichen Atemsteuer, ein Klimageld versprochen. Den Bürgern, denen er mehr Geld abpresst, kann er aufgrund seiner Misswirtschaft keinen Klimageldausgleich schaffen. Die Begründung ist so dreist, wie gleißnerisch, denn die „EEG-Umlage frisst schon sehr viel Geld“, behauptet Habeck. Doch die EEG-Umlage frisst immer mehr Geld, weil – siehe Punkt 1 – die Energiewende nicht funktioniert. In der Art der Hütchenspieler rühmt sich Habeck dafür, die EEG-Umlage von der Rechnung der Stromkunden genommen, für Entlastung gesorgt zu haben – also worüber beschweren die sich? Er hat nur vergessen, dass er gleichzeitig die EEG-Umlage auf ihre Steuerrechnung gepackt hat, damit die Bürger nicht mehr mitbekommen, wie viel sie tatsächlich für den Strom entrichten. Rechte Tasche, linke Tasche und wo ist das Kügelchen? Denn Habeck kann kein Klimageld bezahlen, nicht weil er die EEG-Umlage von der Stromrechnung genommen hat, sondern weil die Energiewende nicht funktioniert. Es ist kein Kügelchen unter dem Schächtelchen.
  3. Wegen Putin muss Habeck, so behauptet Habeck, Subventionen bezahlen. Habeck bezahlt also Thyssen Krupp für die Produktion von grünem Stahl Subventionen, weil Wladimir Putin die Deutschen zwingt, grünen Stahl zu produzieren?

Robert Habeck und die Ampel haben sich in einer Phantasiewelt eingebunkert. Doch der Kämpfer für die soziale Marktwirtschaft, Robert Habeck, kann nicht einmal richtig sozialistische Planwirtschaft, auch dafür muss man etwas von Ökonomie verstehen. Robert Habeck kann nur die Bürger zum Narren halten, denn Politik ist Kommunikation.


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