Lauterbach ist kurzsichtig. Also nicht, weil er nicht gut sieht. Sondern, weil seine Politik kurzsichtig ist. Unter dem Gesundheitsminister wurde Cannabis legalisiert – aber nicht geregelt, wie Cannabis legal und kommerziell produziert werden darf. Nur der private Anbau, oder in Cannabis-Social-Clubs ist erlaubt. De facto ist die Cannabis-Legalisierung eine Geldwaschmaßnahme für Dealer und die Kartelle, die sie versorgen.
Aber die Cannabis-Legalisierung soll nicht Zentrum dieser Sendung sein. Markus Lanz selbst hat sichtlich keine Lust mehr auf dieses Thema. Es geht um die Krankenhausreform, an der Lauterbach seit seinem Amtsantritt arbeitet. Sie ist dringend notwendig: „Wir haben das teuerste Gesundheitssystem in Europa, wir haben eine durchschnittliche Lebenserwartung, die sich in den letzten 10 Jahren nicht günstig entwickelt hat“, die Digitalisierung von Praxen und Krankenhäusern gehe nicht voran, analysiert der Gesundheitsminister selbst.
Teil des Problems sind die Krankenhäuser. Es gibt 1.700 Krankenhäuser in Deutschland, 80 Prozent von ihnen sind defizitär, ein Drittel der Betten ist leer. Nun ist das Gesundheitswesen kein Kaufhaus, es kann auch einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen, wenn es Verlust macht. Wenn so viele Krankenhäuser sich aber nicht tragen können, ist das ein Hinweis auf ein strukturelles Problem. Regelmäßig gehen Krankenhäuser bankrott. Investitionen in den Bau, die Ausrüstung usw. sind so nicht möglich.
Die späte Reform
Lauterbach will die Zahl der Krankenhäuser reduzieren und spezialisieren. Die Experten in der Runde finden das auch gut. Antje Höning, Journalistin (Rheinische Post), und der Onkologe Michael Baumann erklären beide: Es gibt zu viele Krankenhäuser. Die von Lauterbach geforderte Spezialisierung von Krankenhäusern läuft schon; für die optimale Krebsversorgung hat sich neben den Krankenhäusern ein Netzwerk spezialisierter, fachlich breit aufgestellter Krebs-Zentren gebildet, in dem die Hälfte aller Krebsfälle behandelt wird. Die Patienten hier hätten eine deutlich höhere Überlebenschance, lobt Baumann seine eigene Organisation.
Das Problem ist, wie Lauterbach die Reform organisiert. Jahrelang passierte: nichts. Der Minister war beschäftigt mit Corona-Horrormeldungen und der Cannabis-Legalisierung. Jetzt kommt es zu einem „kalten Krankenhaussterben“, so Höning. Allein 2023 haben 40 Krankenhäuser Insolvenz angemeldet. Natürlich kann man versuchen, solche Krankenhäuser mit Geld zuzuschütten. Aber die Krankenhäuser „erleiden das Kaufhof-Galeria-Schicksal“. Die Krankenhäuser schlittern von Insolvenzantrag zu Insolvenzantrag. 2024 werden vermutlich 80 Krankenhäuser einen Insolvenzantrag stellen.
Lauterbach erwidert: Am Ende wurden nur sieben Krankenhäuser geschlossen. Das ist kein Krankenhaussterben. Aber was es sehr wohl ist, das vernachlässigt der Minister, ein ungeplantes Sterben der Krankenhäuser. Wenn die Zahl der Kliniken reduziert werden muss, dann muss genau geplant werden, welchen Kliniken die Reanimation verwehrt wird. Stattdessen gehen die Krankenhäuser bankrott und plötzlich sind sie nicht mehr da.
Lauterbach wird mit der Realität konfrontiert: Corona ist vorbei. Die Probleme des Landes, wie Pflegermangel, Gesundheitsversorgung, Ärzteschwund müssen angegangen werden. Talkshows reichen da nicht.
Lauterbachs Plan ist nicht nur, die Krankenhäuser zu reduzieren, sondern die Struktur der Krankenversorgung komplett umzukrempeln. Bisher bietet jedes Haus fast alles an: Geburtenstation, Notfallchirurgie, orthopädische Knieoperationen, Krebsbehandlung. In Zukunft sollen Landkrankenhäuser auf das täglich Notwendige reduziert werden – Kindsgeburten, Notfallversorgung, Herzinfarktrettung usw. Knieoperationen, Krebspatienten: Komplexe und spezialisierte Fälle sollen an Zentren verwiesen werden.
Die Gefahr besteht, dass die Landbevölkerung unterversorgt wird. Schnell kann es passieren, dass das nächste Krebszentrum eine Autostunde entfernt ist. Wohingegen in den Städten alle wichtigen Zentren vorhanden sind.
Eine hochtechnische Diskussion
Es ist keine neue Diskussion: Lauterbach vertrat die These, dass Krankenhäuser reduziert werden müssen, schon vor der Corona-Krise. Die notwendige Krankenhausreform kommt spät. Wie sie umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt: Denn ein Plan ist nur so gut wie seine Umsetzung. Und so schlecht die Ampel im Planen ist, noch schlechter ist sie in der Umsetzung.
Diese Sendung von Markus Lanz ist spannend. Die Probleme des Gesundheitssystems sind evident und dringend. Es ist aber eine hochtechnische Diskussion. Von der üblichen Oberflächlichkeit politischer Phrasen ist keine Rede. Noch spannender wird es, als Lanz den Onkologen Baumann zu neuesten Entwicklungen in der Krebsforschung befragt. Jetzt muss der Gesundheitsminister liefern. Hoffentlich besser als bei der Cannabis-Legalisierung.