Tichys Einblick
Salman Rushdie bei Maischberger

Sieger tanzen auf dem Gefängnisparkplatz

Jens Spahn findet, die FDP macht Unsinn in der Ampel. Damit hat er recht, aber wenn die CDU in der Regierung wäre, würde derselbe Unsinn beschlossen. Die Gewinnler wären nur andere. Die ARD, die sonst überall Islamophobie wittert, schmückt sich mit Salman Rushdie.

Screenprint ARD

Es ist eine gewisse Ironie: Grüne wollen mit Berufung auf „folgende Generationen“ das Klima schützen. Aber das Argument, dass man sich heute nicht über beide Ohren verschulden darf, da damit folgende Generationen über Gebühr belastet werden, wird als Teufelszeug begründet. Anja Kohl moderiert in der ARD „Wirtschaft vor acht“. Sie fabuliert: „Wir sparen uns kaputt“ und will die Schuldenbremse lockern, um Sozialleistungen zu erhöhen. Das sollen Investitionen in die Zukunft sein.

Kaum überraschend, dass die ARD-Börsenmoderatorin nicht versteht, was der Unterschied zwischen Investitionen und Konsum ist. Denn der Bundeshaushalt ist fast nur Konsum, kaum Investition in das Land. Und immer wieder soll der Konsum, der Sozialstaat ausgeweitet werden. Konsumausgaben zu senken, um das Geld beispielsweise in Brücken und Straßen zu investieren, um Steuern zu senken, um die Bildung zu verbessern: Das würde die Wirtschaft stärken. Aber wie profitiert die Staatsbürokratie davon?

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Bleibt die Frage: Warum trägt die FDP solche Politik mit? Jens Spahn (CDU) und Konstantin Kuhle (Maulheld der FDP) diskutieren über die Ampel und den Haushalt. Spahn wirft dem Angeblich-Liberalen vor, dass die FDP in der Ampel wohl kaum „Schlimmeres verhindert“, sondern Katastrophales ermöglicht. Da hat Spahn recht. Aber wenn die FDP nicht in der Ampel wäre, würde die CDU sofort mit SPD und Grünen koalieren. Die Politik wäre dieselbe, nur gäbe es weniger Glamour-Fotos von Christian Lindner.

Der ehemalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann sitzt in der Journalistenrunde. Man muss ihm Respekt zollen. Die zwei anderen Journalisten der Runde, Kohl und Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung) sind prinzipiell gegen ihn. Wenn er den grün-linken Kurs der Regierung kritisiert in Sachen Steuerpolitik, Sozialausgaben, AfD-Verbotsdiskussion oder sonst irgendwo, wird er von zwei Seiten angegriffen. Maischberger hält sich aus der Diskussion weitgehend raus, interveniert nur, um ihm einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wenn er sich rhetorisch freikämpft. Das ist gelebte Meinungsfreiheit in der ARD.

Doch an diesem Abend ist in der Sendung auch einer zu Gast, der für die Meinungsfreiheit viel geopfert hat. Salman Rushdie wurde vor mehr als 30 Jahren mit einer Fatwa belegt – das iranische Mullah-Regime fordert seinen Tod für den Roman „Die satanischen Verse“. Seitdem lebt er unter Polizeischutz.

Im US-Bundesstaat New York
Anschlag auf Salman Rushdie auf offener Bühne
Rushdie wurde bei einem Angriff 2022 lebensbedrohlich verletzt und trägt die Wunden bis heute: Auf dem rechten Auge ist er erblindet, er hat bleibende Nervenschäden am Arm und an der Hand. Würde die ARD sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzen? Wohl kaum. Der Autor lässt sich gerne eines Besseren belehren, sollte dies in der ARD doch passieren. Aber mit einem Interview mit Rushdie schmückt sich die ARD gerne. Von den Angriffen ist nicht nur Rushdie betroffen: Sein japanischer Übersetzer wurde schon 1991 ermordet, der italienische Übersetzer und norwegische Verleger bei Attentaten verletzt. Beim Sivas-Massaker (Türkei) 1993 starben 35 Menschen, als ein islamistischer Lnych-Mob versuchte, den Schriftsteller Aziz Nesin zu ermorden – er hatte Rushdies Die satanischen Verse übersetzt und teilveröffentlicht. Das ist nur ein Teil der Gewalt, die Islamisten gegen Rushdie, sein Umfeld und Unbeteiligte verübten.

Den Anschlag von 2022 verarbeitete Rushdie in seinem neuen Buch „Knife – Gedanken nach einem Mordversuch“. Zehn Jahre war Rushdie untergetaucht. Nach einer politischen Vereinbarung Großbritanniens mit dem Iran wurde die Gefahr geringer und Rushdie trat wieder auf. „Man kann nicht warten, bis die Welt perfekt sicher ist“, sagt er. Sonst könne man niemals vor die Tür gehen. Seinen Angreifer bezeichnet er im Buch nur als „A“. „Sie werden dieses Wort nicht im Buch finden“, sagt er, als Maischberger ihn fragt, ob der Buchstabe für „asshole“ („Arschloch“) steht. Aber man könne es herauslesen. Und Rushdie erzählt, wie er auf dem Parkplatz vor dem Gefängnis, in dem sein Angreifer sitzt, tanzte: „Ich hoffe, er hat es gesehen.“

Doch vor allem will Rushdie nicht als Opfer eines Angriffs gesehen werden: „Ich habe 22 Bücher geschrieben und die meisten sind rein fiktional.“ Nach „Knife“ solle man bitte wieder sein künstlerisches, nicht sein Leidenswerk sehen. Und doch zollt es dem Zuschauer Respekt ab, wie Rushdie mit seiner Beinahe-Ermordung umgeht. „Er war kein guter Attentäter“, kommentiert er. Der behandelnde Arzt soll gesagt haben, Rushdie habe nur überlebt, weil sein Angreifer nicht wusste, wie man einen Menschen mit einem Messer ermordet. Und doch witzelt der Autor: „Ich habe überlebt und er sitzt im Gefängnis, also wer hat diesen Streit gewonnen?“



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