Es ist eine gewisse Ironie: Grüne wollen mit Berufung auf „folgende Generationen“ das Klima schützen. Aber das Argument, dass man sich heute nicht über beide Ohren verschulden darf, da damit folgende Generationen über Gebühr belastet werden, wird als Teufelszeug begründet. Anja Kohl moderiert in der ARD „Wirtschaft vor acht“. Sie fabuliert: „Wir sparen uns kaputt“ und will die Schuldenbremse lockern, um Sozialleistungen zu erhöhen. Das sollen Investitionen in die Zukunft sein.
Kaum überraschend, dass die ARD-Börsenmoderatorin nicht versteht, was der Unterschied zwischen Investitionen und Konsum ist. Denn der Bundeshaushalt ist fast nur Konsum, kaum Investition in das Land. Und immer wieder soll der Konsum, der Sozialstaat ausgeweitet werden. Konsumausgaben zu senken, um das Geld beispielsweise in Brücken und Straßen zu investieren, um Steuern zu senken, um die Bildung zu verbessern: Das würde die Wirtschaft stärken. Aber wie profitiert die Staatsbürokratie davon?
Der ehemalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann sitzt in der Journalistenrunde. Man muss ihm Respekt zollen. Die zwei anderen Journalisten der Runde, Kohl und Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung) sind prinzipiell gegen ihn. Wenn er den grün-linken Kurs der Regierung kritisiert in Sachen Steuerpolitik, Sozialausgaben, AfD-Verbotsdiskussion oder sonst irgendwo, wird er von zwei Seiten angegriffen. Maischberger hält sich aus der Diskussion weitgehend raus, interveniert nur, um ihm einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wenn er sich rhetorisch freikämpft. Das ist gelebte Meinungsfreiheit in der ARD.
Doch an diesem Abend ist in der Sendung auch einer zu Gast, der für die Meinungsfreiheit viel geopfert hat. Salman Rushdie wurde vor mehr als 30 Jahren mit einer Fatwa belegt – das iranische Mullah-Regime fordert seinen Tod für den Roman „Die satanischen Verse“. Seitdem lebt er unter Polizeischutz.
Den Anschlag von 2022 verarbeitete Rushdie in seinem neuen Buch „Knife – Gedanken nach einem Mordversuch“. Zehn Jahre war Rushdie untergetaucht. Nach einer politischen Vereinbarung Großbritanniens mit dem Iran wurde die Gefahr geringer und Rushdie trat wieder auf. „Man kann nicht warten, bis die Welt perfekt sicher ist“, sagt er. Sonst könne man niemals vor die Tür gehen. Seinen Angreifer bezeichnet er im Buch nur als „A“. „Sie werden dieses Wort nicht im Buch finden“, sagt er, als Maischberger ihn fragt, ob der Buchstabe für „asshole“ („Arschloch“) steht. Aber man könne es herauslesen. Und Rushdie erzählt, wie er auf dem Parkplatz vor dem Gefängnis, in dem sein Angreifer sitzt, tanzte: „Ich hoffe, er hat es gesehen.“
Doch vor allem will Rushdie nicht als Opfer eines Angriffs gesehen werden: „Ich habe 22 Bücher geschrieben und die meisten sind rein fiktional.“ Nach „Knife“ solle man bitte wieder sein künstlerisches, nicht sein Leidenswerk sehen. Und doch zollt es dem Zuschauer Respekt ab, wie Rushdie mit seiner Beinahe-Ermordung umgeht. „Er war kein guter Attentäter“, kommentiert er. Der behandelnde Arzt soll gesagt haben, Rushdie habe nur überlebt, weil sein Angreifer nicht wusste, wie man einen Menschen mit einem Messer ermordet. Und doch witzelt der Autor: „Ich habe überlebt und er sitzt im Gefängnis, also wer hat diesen Streit gewonnen?“