Bei Hart aber Fair an diesem Montag beschäftigt man sich mit Gewalt gegen Politiker und den immer raueren Ton im politischen Deutschland. „Die verrohte Republik: Wie gefährdet ist die Demokratie?“ lautet der Titel. Die Sendung beginnt mit einem Interview mit dem aktuellen Hauptzeugen dieser Gewalt: Matthias Ecke, SPD-Europakandidat, der vor wenigen Tagen beim Aufhängen seiner Wahlplakate angegriffen und verletzt wurde. Ein Hämatom unter seinem Auge zeugt noch von dem Schlag, den er abbekam. Wie es ihm seither ergangen sei, will Klamroth wissen, dafür ist er extra in seinen Wahlkreis gereist.
Sie sprechen darüber, dass ein Angriff auf einen Politiker auch ein Angriff auf die Demokratie ist, wie man sie verhindern kann und dann stellt Lois Klamroth die vielsagende Frage: Auch Politiker der AfD werden oft angegriffen – sind die an diesen tätigen Angriffen selbst schuld? Eines muss man Ecke zugute halten, was mehr über die Rauheit des politischen Diskurses aussagt, als die gesamte folgende Sendung, er lehnt das ab und erklärt, dass Gewalt immer falsch ist, ohne ein Aber hinten ran zuhängen.
Doch am Anfang sind da nur drei Leute im Studio, wenn man das immer eifrig klatschende Publikum nicht mitrechnet. Von Storch und Buermeyer sitzen sich gegenüber, während Klamroth zwischen den Tischen der beiden hin und her läuft und dabei seinen Kindheitstraum auslebt, einmal als Anwalt der Krone ein Verhör durchzuführen. Buermeyer wie auch natürlich von Storch werden dabei zum Verfassungsschutz-Urteil befragt. Beide stellen dabei heraus, dass mit diesem Urteil nichts bewiesen ist, es besteht lediglich ein dringender Verdacht, Buermeyer vergleicht es mit einem Haftbefehl.
Von Storch kündigt an, dass ihre Partei sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren würde. Den Verfassungsschutz bezeichnet sie als poltische Behörde. Buermeyer stimmt ihr bei letzterem zwar nicht zu, gesteht aber ein, dass man diesen Vorwurf erheben könnte, da der Verfassungsschutz im Innenministerium angesiedelt ist. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass diese vielleicht doch eine sachliche Sendung mit sachlichen Diskussionen werden könnte und ist überrascht davon, wie neutral der Jurist erst einmal wirkt und dass Klamroth von Storch tatsächlich meist ausreden lässt.
Buermeyer bleibt natürlich nicht der einzige, der die AfD als demokratiefeindlich bezeichnet und deshalb einen Verbotsantrag fordert. Sebastian Fiedler ist seit dem Verfassungsschutz-Urteil für ein verschärftes und geeignetes Vorgehen gegen die Partei. Als Beispiel für Demokratiefeindlichkeit nennt er, dass Beatrix von Storch das Urteil als „Unrechtsurteil“ bezeichnet und behauptet, der Verfassungsschutz sei politisch gesteuert.
Wenn Herr Fiedler wüsste, wie Juraprofessoren über die deutschen Gerichte sprechen, würde er wohl die Universitäten schließen lassen. Ich muss da an meinen Verfassungsrechtsprofessor denken – der übrigens das Grundgesetz gendern will, also wohl eher kein AfDler ist, der einmal zu uns sagte: „Man kann das Bundesverfassungsgericht kritisieren und als Wissenschaftler müssen wir das auch, ganz besonders hier, die Entscheidung ist nämlich Schwachsinn.“ Zum anderen ist auch die Empörung über den Vorwurf gegen den Verfassungsschutz und seine mangelnde Neutralität interessant, wo doch eingangs noch zugesagt wurde, dass man den Vorwurf durchaus erheben kann.
Hätte ich mir vor der Sendung eine Bingokarte mit Sprüchen oder Phrasen geschrieben, die ich in dieser Sendung zu diesem Thema erwartet hätte, wäre mir da viel eingefallen. Irgendwelche Sätze mit dem „Kampf gegen Rechts“ und alternativ „gegen Hass und Hetze“ stünden da. Ich wäre vielleicht noch darauf gekommen, dass man nicht sonderlich souverän damit umgeht, dass AfDler ja selbst häufig Opfer von Gewalt werden, auch wenn ich nicht unbedingt auf die Idee gekommen wäre, dass man die Schuld dafür ihnen selbst geben will. Dass man aber von einem Politiker der AfD fordert, sich dafür zu entschuldigen, dass sie andere als Nazis bezeichnet – wow, das stand ganz sicher nicht auf meiner Bingokarte.
Beatrix von Storch antwortet darauf, man müsse Verständnis für die Situation der AfD-Abgeordneten haben, da sie ja selbst den ganzen Tag als Nazis beschimpft würden. Darauf ruft ihr Sebastian Fiedler wiederholt: „Das ist Unsinn!“ dazwischen. Gütig wie er ist, gibt Klamroth von Storch „noch eine Chance“, sich bei den beiden zu entschuldigen, immerhin will sie doch auch nicht als Nazi bezeichnet werden. Von Storch zitiert stattdessen Äußerungen anderer öffentlichen Figuren über die AfD – Strack-Zimmermann, die die AfD als „Haufen Scheiße, auf dem die Fliegen sitzen“ bezeichnete etwa oder dernPräsidenten von Eintracht Frankfurt, der davon gesprochen hat, man müsste „ihnen ins Gesicht“ kotzen.
Vor allem aber steht die Sendung vor einem Problem: Alle drehen sich im Kreis. Irgendwann hat eine Seite, man ist sich nicht einig wer, mal angefangen, in einem raueren Ton mit der anderen Seite zu sprechen. Jedenfalls seit die Protestwelle 2015 so populär geworden ist, hat keiner mehr Skrupel, die AfD aufs äußerste zu beleidigen, zu bedrohen, Gewaltfantasien zu äußern. Gegen die Bösen ist alles gerechtfertigt. Als Reaktion darauf hat dann die AfD angefangen, die Beleidigung als Nazi zurück zu geben. Weil sie das aber gemacht hat, ist es jetzt noch gerechtfertigter, sie als Nazi zu bezeichnen. So wird keine Seite jemals aufhören, die andere als Nazi zu bezeichnen. Aber warum auch? Sonst müsste man tatsächliche, in sich stimmige Argumente vorbringen und sachliche Diskussionen führen. Und die sind fast noch schlimmer als Nazi.
Richtigstellung:
In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Herr Buermeyer Mitglied der SPD ist. Über einen Anwalt hat uns Herr Buermeyer mitteilen lassen, dass er kein SPD-Mitglied mehr ist. Wir halten an der ursprünglichen Darstellung nicht fest und stellen dies hiermit richtig.
Zudem hieß es in der früheren Version des Artikels, dass Herr Buermeyer in der Sendung ein Verbot der AfD forderte. Ausdrücklich hat er lediglich einen Verbotsantrag gefordert. Auch insoweit halten wir an der ursprünglichen Darstellung nicht fest und haben diese richtiggestellt.
Die Redaktion